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Pastor Dr. Peniel Rajkumar, Dr. Stephen Brown und Joaquim Fernández. Foto: ÖRK

Pastor Dr. Peniel Rajkumar, Dr. Stephen Brown und Joaquim Fernández. Foto: ÖRK

Religionen werden oft als in sich geschlossene und miteinander konkurrierende Traditionen angesehen, aber dass Menschen sich in mehreren religiösen Traditionen zu Hause fühlen, kommt gar nicht so selten vor. Dies ist die Erkenntnis einer Publikation des Ökumenischen Rates der Kirchen, die auf der Konferenz der European Academy of Religion in Bologna, Italien vorgestellt wurde.

„In der menschlichen Geschichte war es größtenteils so, dass Gesellschaften gleichzeitig von zahlreichen Traditionen beeinflusst wurden“, erklärte Pastor Dr. Peniel Rajkumar, Programmverantwortlicher des ÖRK für Interreligiösen Dialog und Zusammenarbeit auf einer Veranstaltung während der Konferenz vom 3. – 7. März, die eine der größten Zusammenkünfte von Religionsforschenden ist.

Rajkumar stellte die ÖRK-Publikation, Many yet one? Multiple Religious Belonging vor.

Das Buch befasst sich mit der Realität der „religiösen Hybridität“ und ihren Ursachen im kulturellen Erbe, familiären Umständen oder als eigene bewusste Entscheidung.

Das Buch enthält Beiträge, die auf der Arbeit des ÖRK-Programms zum interreligiösen Dialog und zur interreligiösen Zusammenarbeit gründen, und stellt die Frage, ob mehrfache religiöse Zugehörigkeiten „nicht als zu lösendes Problem, sondern als neu entstehende Stätten göttlicher Begegnungen“ verstanden werden können.

Trotz eines stillschweigenden Konsenses, dass religiöse  Hybridität ein fester Bestandteil eines großen Teils des empfangenen und praktizierten christlichen Glauben sei, gebe es oft „ein sehr nachdrückliches Bestehen auf der Unteilbarkeit und Singularität religiöser Identifizierungen und Zugehörigkeiten“, erzählte Rajkumar während einer „Author meets Critique“-Sitzungen.

Das stelle diejenigen vor Probleme, die aus Notwendigkeit, aufgrund von Erziehung oder infolge eigener Entscheidung eine spirituelle und rituelle Heimat in anderen religiösen Traditionen neben dem Christentum fänden „und offen bekennen, dass sie zu ihrem Glauben gefunden haben, indem sie tief aus dem Quell unterschiedlicher religiöser und spiritueller Traditionen geschöpft haben.“

Das Buch steht für eine theologisch solide, empirisch begründete und seelsorgerisch sensible und – aus der Perspektive des Weltchristentums – postkoloniale Herangehensweise und berücksichtigt auch die Erfahrungen von marginalisierten Bevölkerungsgruppen.

„Als Gegenentwurf zu der dominierenden Sichtweise, dass Religiosität Exklusivität erfordert, hilft eine globale Perspektive zu verstehen, dass Religionen nicht statisch sind und sich gegenseitig durchdringen und befruchten“, erklärte Rajkumar während der Sitzung unter dem Vorsitz von Dr. Stephen Brown, Redakteur der viermal im Jahr erscheinenden ÖRK-Publikation The Ecumenical Review.

In einem Kommentar zum Vortrag von Rajkumar wies Joaquim Fernàndez aus Barcelona darauf hin, dass Begriffe wie „Identität“ und „Zugehörigkeit“ mehrdeutig seien und erklärt werden müssten.

„Der Begriff Identität beinhaltet miteinander verbundene Elemente intrapersoneller, interpersoneller, kultureller und sogar metaphysischer Art, die unterschiedlich definiert sind“, sagte Fernandez.

Die christliche Identität sei keine feststehende und definitive Erfahrung und auch keine feststehende und definitive Doktrin, so Fernandez und erwähnte in diesem Kontext die Erkenntnisse des römisch-katholischen Gelehrten Raimon Pikkar, dessen Vater ein indischer Hindu und dessen Mutter eine Katalanin römisch-katholischen Glaubens war.

„Die Religion unserer Nachbarn ist nicht nur eine Herausforderung, sondern kann auch unsere eigene Religion bereichern und in einigen Fällen sogar assimiliert und in unseren Glauben und unsere eigene Person integriert werden“, sagte er.

Many yet One? Multiple Religious Belonging, Herausgeber Peniel Jesudason Rufus Rajkumar und Joseph Prabhakar Dayam, 288 Seiten, Genf: WCC Publications, 2016, ISBN 978-2-8254-1669-3.

Download des Inhaltsverzeichnisses, der Einleitung und des ersten Kapitels (pdf)

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