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Some 30 people on a field planting olive trees.
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Die von der Organisation „Rabbis for Human Rights“ (Rabbiner für Menschenrechte) koordinierten Freiwilligen ließen sich von den Minusgraden am 14.  und 21. Januar nicht abschrecken: Sie waren mit Bussen und Privatautos aus Jerusalem und Tel Aviv in die Dörfer Awarta und Burin gekommen, um dort Olivenbäume zu pflanzen.

Während die erste Pflanzaktion am 14. Januar vollkommen friedlich verlief, wurden die Freiwilligen am zweiten Aktionstag, dem 21. Januar, kurz vor dem Beginn des Sabbats im Dorf Burin von Maskierten angegriffen.

Videomitschnitte zeigen, wie die maskierten Angreifenden mit Knüppeln, anderen Werkzeugen und Benzinkanistern von einem angrenzenden Hügel in den Olivenhain hinabkommen. Man sieht, wie die Angreifenden ein Auto anzünden und mit den Knüppeln und anderen Gegenständen auf die freiwilligen Helferinnen und Helfer, aber auch auf die Landwirtinnen und Landwirte einprügeln.

„Die Gewalt der Siedlerinnen und Siedler ist zu einem wahren Kainsmal auf der Stirn der israelischen Gesellschaft geworden“, sagt Rabbinerin Nava Hefetz, Leiterin des Bereichs Bildung von „Rabbis for Human Rights“. „Ihre Gewalt richtet sich in erster Linie gegen Palästinenserinnen und Palästinenser und gegen alle, die ihre Version von der messianischen Überlegenheit des jüdischen Volkes ablehnen, die sie durchzusetzen versuchen.“

Rabbinerin Hefetz ruft die Ministerinnen und Minister der israelischen Regierung auf, nicht immer nur darüber zu reden, sondern endlich zu handeln und die Täterinnen und Täter derartiger Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen.

Auch der geschäftsführende Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Priester Prof. Dr. Ioan Sauca, verurteilte die gewalttätigen Angriffe und versicherte „Rabbis for Human Rights“ seiner Solidarität. Genau wie Rabbinerin Hefetz rief er die israelische Regierung auf, „der Straffreiheit der Siedlerinnen und Siedler, die derartige Gewalttaten verüben, ein Ende zu bereiten“. 

Gleichermaßen bezieht eine am 13. Dezember 2021 eröffentlichte Erklärung der Patriarchen und Kirchenoberhäupter in Jerusalem Stellung gegen derartige Angriffe von „radikalen Randgruppen“.

Bäume des Friedens

Die neuen Bäume wurden an genau jenen Orten gepflanzt, an denen Olivenhaine niedergebrannt oder herausgerissen und die Freiwilligen nicht zum ersten Mal angegriffen wurden; schon mindestens zwei Mal hat es in den vergangenen Jahren solche Angriffe gegeben.

„Vor zwei Jahren haben Kriminelle aus den abgelegenen Siedlungen einen 80-jährigen Rabbiner und drei Freiwillige zusammengeschlagen. Unserem Rabbiner haben sie den Arm gebrochen. Und dann haben sie den Olivenhain in Brand gesteckt“, berichtet Rabbinerin Hefetz.

Bei einem Angriff im November 2021 sei einem palästinensischen Landwirt ein Bein gebrochen worden. „Er hat bis heute Schwierigkeiten beim Laufen“, sagt Rabbinerin Hefetz weiter.

Wenn die freiwilligen Helferinnen und Helfer von „Rabbis for Human Rights“ Solidaritätsbesuche in die palästinensischen Gemeinschaften unternehmen, versuche die Armee oftmals, sie zu verjagen, selbst wenn es keine Angriffe von Siedlerinnen und Siedlern gibt. Am 14. Januar aber habe die Armee die Freiwilligen beschützt und sie hätten ihre Arbeit in Frieden verrichten können, erzählt Rabbinerin Hefetz.

Als die Freiwilligen an diesem Tag begannen, die Bäume zu pflanzen, tauchten Soldatinnen und Soldaten der Armee auf, erinnert sich Rabbinerin Hefetz. „Sofort tauchte ein Jeep von der Armee auf und wir wurden aufgefordert, zu gehen. Ich habe daraufhin verlangt, mit dem oder der Befehlshabenden zu sprechen.“

Rabbinerin Hefetz sagte den Befehlshabenden, dass die Freiwilligen nicht gekommen seien, um irgendwen zu provozieren. „Das haben sie verstanden“, sagt sie. „Die Soldatinnen und Soldaten haben sich zurückgezogen und uns aus der Ferne beobachtet. Das liegt an der neusten Zusammenarbeit des palästinensischen und des israelischen Sicherheitsapparates. Hinter den Kulissen passiert da viel.“

„Bisher hat die Armee immer versucht, uns zu vertreiben, wenn wir an einen Ort gekommen sind, oder es bedurfte einer langen Diskussion mit den Offizieren“, erinnert sich Rabbinerin Hefetz. „Ich sagte dann immer: ‚Wir machen hier die Arbeit, die eigentlich Sie machen müssten, wir beschützen die Landwirtinnen und Landwirte, und wenn wir nicht hier wären, könnten die Palästinenserinnen und Palästinenser nichts ernten.‘ Wir sind hier, um die palästinensischen Landwirtinnen und Landwirte zu beschützen und ihnen zu helfen.“

Auf Gewalt verzichten

Nach der Pflanzaktion am 14. Januar hat „Rabbis for Human Rights“ eine interreligiöse Zeremonie organisiert, die mit einem Segen der palästinensischen Landwirtinnen und Landwirte und der freiwilligen Helferinnen und Helfer begann. „Wir sprachen muslimische, jüdische und christliche Gebete und lasen Texte aller drei Glaubensgemeinschaften“, erzählt die Rabbinerin.

Jüdische Gläubige feiern im Januar und Februar den Feiertag Tu Bischwat, einen Tag zur Förderung von Umweltbewusstsein. „Tu Bischwat ist ein Feiertag für die Natur; nach jüdischer Tradition dürfen wir alle sieben Jahre keine Oliven ernten oder Bäume pflanzen – wir gönnen dem Land eine Verschnaufpause, ein Sabbatjahr für die Natur sozusagen“, erklärt Rabbinerin Hefetz.

In diesem Jahr aber hätten die Rabbinerinnen und Rabbiner beschlossen, Bäume zu pflanzen, – und stattdessen der Gewalt eine Verschnaufpause zu gönnen. Anstatt die Werkzeuge für das Pflanzen von Bäumen liegen zu lassen, haben sie beschlossen, sich unter der Überschrift „Auf Gewalt verzichten“ zu engagieren.

Für die Olivenernte im vergangenen Herbst hatte „Rabbis for Human Rights“ fast 1.000 israelische Freiwillige gefunden, die bei der Ernten helfen und die palästinensischen Landwirtinnen und Landwirte beschützen wollten. „Wir haben 26 Tage lang Oliven geerntet“, erzählt Rabbinerin Hefetz.

Schon seit 20 Jahren unterstützen Freiwillige das Engagement der Organisation „Rabbis for Human Rights“. Rabbinerin Hefetz erinnert sich noch gut an die Anfangszeit: „Wir waren nur einige wenige, aber dann sprach es sich rum und es wurden immer mehr Menschen.“

Die Zahl der Freiwilligen stieg auch, weil „Rabbis for Human Rights“ nicht nur Olivenbäume pflanzte, sondern auch die Partnerschaft mit anderen Organisationen pflegte. „Die Freiwilligen kamen, weil wir eine führende Rolle bei der Hilfe für die Olivenernte und das Pflanzen von Bäumen innehatten“, sagt Rabbinerin Hefetz.

Und weil die Zahl der Freiwilligen immer weiter steigt, hofft Rabbinerin Hefetz, dass auch die Botschaft, „Auf Gewalt zu verzichten“, immer lauter wird. „Was wir hier tun, ist positives Handeln“, sagt sie. „Das ist die Botschaft, die ich gerne an alle Menschen in der Welt senden möchte, und es ist eine positive Botschaft: Es gibt viel zu viel Leid und Kummer und Gewalt in der Welt. Ich glaube, wir sollten unseren Blick auf die positiven Dinge konzentrieren, die Menschen tun.“

WCC condemns violence, expresses solidarity with Rabbis for Human Rights (21. Januar 2022)

ÖRK-Exekutivausschuss appelliert an das „Gewissen der Welt“ angesichts „der Behinderungen der legitimen palästinensischen Bestrebungen nach der gleichen Menschenwürde und den gleichen Menschenrechten“ (17. November 2021)

Rabbis for Human Rights