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Peter Prove, Direktor der ÖRK-Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten. Foto: Ivars Kupcis/ÖRK

Peter Prove, Direktor der ÖRK-Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten. Foto: Ivars Kupcis/ÖRK

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und das Internationale Jüdische Komitee für interreligiöse Konsultationen (IJCIC) sind vom 25. bis 27. Juni zu einem offiziellen Treffen in Paris zusammengekommen, das unter dem Thema „The normalization of hatred: challenges for Jews and Christians today“ (Die Normalisierung von Hass: Herausforderungen für jüdische und christliche Gläubige heute) stand. Das Treffen fand zu einer Zeit statt, die geprägt ist von großen Herausforderungen für das öffentliche und religiöse Leben von vielen Gesellschaftsgruppen in aller Welt. Peter Prove, der Direktor der ÖRK-Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten, hat auf dem Treffen die Antisemitismus-Grundsätze des ÖRK präsentiert und über das Engagement des ÖRK für die Menschenrechte aller berichtet. WCC News hat im Anschluss an das Treffen mit ihm gesprochen.

Frage: Sie haben aus der Menschenrechtsperspektive über Antisemitismus geschrieben und gesprochen. Können Sie für uns kurz definieren, was Antisemitismus ist?

Peter Prove: Antisemitismus ist Hass oder Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden, weil sie Jüdinnen und Juden sind. Den furchtbarsten und extremsten Ausdruck hat ein solcher Hass im Holocaust gefunden.  Neuere Definitionsversuche haben aber immer wieder darauf hingewiesen und Bedenken geäußert, dass eine solche Definition potenziell missbraucht werden könnte, um legitime Kritik an konkreter Politik oder konkreten Maßnahmen der israelischen Regierung fälschlicherweise als antisemitisch darzustellen. Ich bin daher der Meinung, dass es besser wäre, wenn wir uns gemeinsam gegen Hass in konkreten Situationen in der realen Welt engagieren, Situationen, in denen Menschen tatsächlich damit konfrontiert sind, und uns nicht daran abarbeiten, eine perfekte theoretische Definition für eine so kontroverse Frage zu finden.

Frage: Inwiefern hat sich schon die Gründungsvollversammlung des ÖRK 1948 in Amsterdam mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt?

Prove: Im August 1948, also nur ein paar Monate nachdem der Staat Israel seine Unabhängigkeit erklärt hatte, hat die Erste ÖRK-Vollversammlung einen Bericht mit dem Titel „The Christian Approach to the Jews“ (Das christliche Verhalten gegenüber den Juden) entgegengenommen. Der Bericht beinhaltete die oftmals zitierte Erklärung, die immer schon großen Einfluss auf die Mitgliederschaft des ÖRK und die breitere christliche Welt hatte: „Wir rufen alle von uns vertretenen Kirchen dazu auf, den Antisemitismus, gleichviel welchen Ursprungs, als schlechterdings mit christlichem Bekenntnis und Leben unvereinbar zu verwerfen. Der Antisemitismus ist eine Sünde gegen Gott und Menschen“.

Frage: Können Sie uns ein aktuelles Beispiel nennen, wie der ÖRK diese Verurteilung auch heute noch formuliert und zum Ausdruck bringt?

Prove: Tragischerweise musste auf diese Verurteilung und Missbilligung gerade erst zum Beispiel als Reaktion auf den Anschlag auf die „Tree of Life“-Synagoge in Pittsburgh im Oktober 2018 verwiesen werden. Dies war der Anschlag auf jüdische Gläubige mit den meisten Todesopfern in der Geschichte der USA. In seiner direkt nach dem Anschlag veröffentlichten Botschaft hat ÖRK-Generalsekretär Pastor Dr. Olav Fykse Tveit erklärt: „Der ÖRK lehnt jegliche Gewalt aufgrund von religiöser, ethnischer oder rassischer Zugehörigkeit oder jedes anderen Aspektes der Identität oder Gruppenzugehörigkeit einer Person ab, und dieser Angriff auf die jüdische Gemeinschaft an einem Ort des Gebets und in einem Moment, in dem die Menschen ihre religiöse Identität leben und feiern, ist eine abscheuliche Verletzung unseres gemeinsamen Menschseins.“

Frage: Was ist ihrer Ansicht nach das wirklich zentrale Thema?

Prove: Es geht um die Universalität der Menschenrechte und deren Gültigkeit für alle. Alle Menschenrechte – einschließlich des Rechts auf Leben, des Folterverbots, des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Freizügigkeit, auf eine Nationalität, des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, des Rechts auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, des Rechts an der Regierung des eigenen Landes mitzuwirken, des Rechts zu arbeiten und des Rechts auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, des Rechts auf Gesundheit, Bildung und ja, auch Selbstbestimmung... für alle und unabhängig von Rasse, Religionszugehörigkeit, Geschlecht oder allen anderen gängigen Diskriminierungsgründen. Zusammen mit den Grundsätzen unseres Glaubens sind diese Grundsätze das Fundament unserer Verurteilung und Ablehnung von Antisemitismus ebenso wie sie das Fundament unseres Engagements für die Würde und die Rechte des palästinensischen Volkes sind.

Ansprache von Peter Prove, dem Direktor der ÖRK-Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten, auf der Tagung von IJCIC und ÖRK (in englischer Sprache)

ÖRK und IJCIC wollen wieder formale Beziehungen aufnehmen und Austausch verstärken (ÖRK-Pressemitteilung vom 28. Juni)

Kommuniqué vom Ökumenischen Rat der Kirchen [ÖRK] und dem Internationalen Jüdischen Komitee für interreligiöse Konsultationen [IJCIC], vom 28. Juni 2019 (in englischer Sprache)

Engagement des ÖRK zur Stärkung von Vertrauen und Respekt zwischen den Religionen