Am 27. März wurde unter der Leitung des Oberhaupts der Russischen Orthodoxen Kirche, seiner Heiligkeit Patriarch Kyrill, die Grundsatzerklärung des 25. Weltkonzils des Russischen Volkes „Gegenwart und Zukunft der russischen Welt“ verabschiedet. Die ÖRK-Mitgliedskirchen hegen große Bedenken im Zusammenhang mit dieser Erklärung, die sich an legislative und exekutive Instanzen in Russland richtet.
Das Weltkonzil des Russischen Volkes ist das größte öffentliche russische Gremium und wird gemäß seinen Statuten vom Patriarchen von Moskau und ganz Russland geleitet. Unter seiner Ägide werden jährliche Versammlungen abgehalten.
„Unter zahlreichen Bedenken zur aktuellen Erklärung kann der Ökumenische Rat der Kirchen die Aussage, dass ‚der militärische Sondereinsatz [in der Ukraine] ein Heiliger Krieg ist‘, nicht mit dem vereinbaren, was uns Patriarch Kyrill im direkten Gespräch mitgeteilt hat“, sagte Pillay. „Wir können sie auch nicht mit den Grundsätzen der ÖRK-Leitungsgremien oder mit der biblischen Berufung, dass alle Christinnen und Christen in Konflikten Frieden stiften sollen, vereinbaren.“
Bei einem Treffen mit dem ÖRK-Generalsekretär im Mai 2023 in Moskau meinte Patriarch Kyrill, jegliche Erwähnungen eines „Heiligen Krieges“ im aktuellen Kontext seien metaphysisch zu verstehen, nicht in Bezug auf den tatsächlichen bewaffneten Konflikt in der Ukraine. Er stimmte dem ÖRK-Generalsekretär zu, dass kein bewaffneter Krieg „heilig“ sein könne.
„Die Erklärung widerspricht dieser Einstellung“, bemerkte Pillay.
Seit der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 haben die höchsten Leitungsgremien des ÖRK – der Zentralausschuss im Juni 2022 und die 11. ÖRK-Vollversammlung im September 2022 – die entschiedene Position bezogen, dass „Krieg nicht mit Gottes Natur und seinem Willen für die Menschheit vereinbar ist und gegen unsere grundlegenden christlichen und ökumenischen Prinzipien verstößt“.
Sie verurteilten die Invasion der Ukraine explizit als „illegal und nicht zu rechtfertigen“. Sie lehnten außerdem „jeden Missbrauch religiöser Sprache und religiöser Autorität zur Rechtfertigung bewaffneter Angriffe und Hass“ ab.
Die Russische Orthodoxe Kirche war in beiden Versammlungen dieser wichtigen Gremien sowie während den Prozessen, die zur Verabschiedung dieser Erklärungen führten, vertreten.
„Im Hinblick auf die Stellungnahmen der Leitungsgremien des ÖRK kann der ÖRK die Darstellung der illegalen und nicht zu rechtfertigenden russischen Invasion seines souveränen Nachbarstaates Ukraine als ‚neue Phase des nationalen Befreiungskampfes des russischen Volkes gegen das kriminelle Regime Kiews und den hinter ihm stehenden ganzen Westen, der seit 2014 im süd-westlichen russischen Gebiet geführt wird‘ nicht annehmen“, sagte Pillay.
Der ÖRK-Generalsekretär hat Patriarch Kyrill schriftlich um Klarstellung darüber gebeten, ob diese Erklärung als eigene Positionierung der Russischen Orthodoxen Kirche aufgefasst werden kann, wie solche Positionen von einer Mitgliedskirche des Ökumenischen Rates der Kirchen eingenommen werden können und wie sie sich mit den Aussagen des Patriarchen persönlich ihm gegenüber zu vereinbaren seien. „Es wurde ein dringendes Treffen erbeten, um diese Angelegenheit zu besprechen und Wege zu finden, wie auf die innerhalb der Gemeinschaft aufgekommene Bedenken eingegangen werden kann“, sagte Pillay.
Vollständiger Text der Erklärung (in englischer Sprache)