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Liebe Schwestern und Brüder, 

Es ist mir eine große Ehre, mich heute an Sie zu wenden, um Brot für die Welt im Namen des Ökumenischen Rates der Kirchen für 70 Jahre Dienst an der Kirche und der Ökumene durch sein zwischenkirchliches Stipendienprogramm zu danken.

Wenn man auf die rund 3.500 Alumni und Begünstigten seit 1952 zurückblickt, wird einem schnell klar, wie viele Leben dadurch berührt und verändert wurden, dass sie Zugang zu Mitteln hatten, mit denen sie ihr Recht auf eine gute Ausbildung verwirklichen konnten.

Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht, das dazu beiträgt, Männer und Frauen aus der Armut zu führen, Ungleichheiten auszugleichen und nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Bildung ist ein Schlüssel für andere grundlegende Menschenrechte.

Für die ökumenische Bewegung ist ein Stipendium nicht nur eine Brücke zwischen den Studierenden und dem Zugang zu breiterem und tieferem Wissen und einer Ausbildung. Es ist auch eine Brücke zwischen der Gegenwart und der Zukunft der Kirche. Seit mehreren Jahrzehnten tragen Stipendien zur Stärkung von Kirchen und ökumenischen Einrichtungen bei, und wir hoffen und beten, dass dies auch weiterhin so bleibt.

Im ÖRK gibt es viele Beispiele für Stipendiatinnen und Stipendiaten, die später auf unterschiedlichen Ebenen führende Aufgaben übernommen haben: vom ehemaligen ÖRK-Generalsekretär Pastor Emilio Castro bis zur ehemaligen stellevertretenden ÖRK-Generalsekretärin Prof. Dr. Isabel Apawo Phiri und auch vielen Bischöfen, Ökumene-Referenten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und ÖRK-Mitarbeitenden.

Das Motto „Kirchen helfen Kirchen“ ist auf vielen Ebenen des Lebens und der Arbeit des ÖRK zu hören. So auch bei unserem ständigen Bemühen hervorzuheben, wie viel wir in der ökumenischen Bewegung weiterhin gemeinsam erreichen können, wenn wir eng zusammenarbeiten, miteinander beten und zusammen gehen.

Während der letzten 75 Jahre wurde die Bildungsarbeit des ÖRK von verschiedenen Annahmen geleitet. Eine davon ist, dass das Leben eine Lehrerfahrung ist - von der Wiege bis zum Grab. Dies hat dazu geführt, dass die Arbeit des ÖRK-Bildungsbereichs immer weiter anwächst. Ein weiterer Punkt ist, dass Bildung im kirchlichen Kontext nicht nur das Lernen über den Glauben sein sollte, sondern auch dazu dienen sollte, die Auswirkungen des Glaubens auf persönliche und soziale ethische Haltungen und Entscheidungen zu entdecken.

Das ÖRK-Programm für kirchliche Bildungseinrichtungen untersuchte ab 1978 mehrere Jahre lang die Rolle von kirchlich getragenen Schulen, Hochschulen, Universitäten und Institutionen, auch im Hinblick auf die menschliche Entwicklung und die Staatenbildung. Sie setzten sich unter anderem mit Themen wie Elitismus, dem Einfluss der Regierungen auf die christliche Bildung, das Verhältnis zwischen der institutionellen Kirche und privaten christlichen Einrichtungen sowie dem Zugang zu Bildung für ethnische und religiöse Minderheiten auseinander.

Ein weiteres Anliegen war die Heranbildung von Führungskräften für Kirche und Gesellschaft durch die Kirchen. Dieses Anliegen bekam in ÖRK-Kreisen immer stärkeres Gewicht, da man sich zunehmend darum bemühte, bei der Bereitstellung ökumenischer finanzieller Unterstützung für die Fort- und Weiterbildung von Einzelpersonen die Deckung des künftigen Personalbedarfs der Kirchen, aus denen die Stipendiatinnen und Stipendiaten kamen, zu berücksichtigen.

In jüngerer Zeit entwickelten der ÖRK und seine Mitgliedskirchen und Partner das Verständnis der ökumenischendiakonia und ihrer Auswirkungen in der heutigen Welt weiter. Die komplexen Realitäten der heutigen polarisierten und zersplitterten Welt machen es noch dringlicher, Strukturen, die Ungerechtigkeit, Leid, Unterdrückung und Ausbeutung der Menschheit und der Schöpfung aufrechterhalten, zu bekämpfen und zu verändern. Zeugnis und Dienst sind für die Kirche von entscheidender Bedeutung: Mission, diakonia und Ökumene gehören zusammen und bilden den Kern dessen, was es bedeutet, Kirche zu sein. Auch in diesem Bereich ist gute und inklusive Bildung entscheidend.

Eine ökumenische Ausbildung schafft durch theologische Dialoge im Rahmen von Lernprozessen Möglichkeiten für die Entwicklung ökumenisch orientierter Führungspersönlichkeiten in den Kirchen, die das theologische Engagement und das gegenseitige Verständnis fördern und so zur sichtbaren Einheit beitragen. Im ÖRK-Strategieplan 2023-2030 wird die ökumenische Ausbildung als Ethos und als Programm verstanden. Mit ersterem wird die ökumenische Familie dazu eingeladen, eine Haltung des „ständigen Lernens“ einzunehmen, und mit letzterem wird die Gemeinschaft dazu aufgerufen, sich zu spezifischen Ausbildungsaktivitäten zu verpflichten, mit denen die ökumenische Vision weiter vertieft und aufrechterhalten wird.

Wir danken Gott für die 70 Jahre des zwischenkirchlichen Stipendienprogramms, denn damit wurden Brücken geschlagen. Es leistete einen entscheidenden Beitrag zur ökumenischen Versöhnungsarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg und ist ein Ausdruck der „gelebten Ökumene“, die so viele Kirchen und Institutionen in der Region unterstützen.

Unser Dank gilt auch dem Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes für seine Unterstützung dieser Initiative.

Vielen Dank für die Einladung, diesen Moment mit Ihnen teilen zu dürfen. Zum Schluss möchte ich Ihnen die Worte aus Sprüche 4:13 ans Herz legen:

„Halte fest an der Zucht, lass nicht davon; bewahre sie, denn sie ist dein Leben“.

Rev. Dr. Jerry Pillay

Generalsekretär

Ökumenischer Rat der Kirchen