Viele Vertreter/innen von Kirchen und Zivilgesellschaft haben ihre Enttäuschung über den Mangel an Vision und Ehrgeiz bei den Ergebnissen des Rio+20-Gipfels zum Ausdruck gebracht, der im Juni dieses Jahres in Rio de Janeiro (Brasilien) stattgefunden hat. Doch die Bekräftigung des Menschenrechts auf Wasser und Sanitärversorgung ist einer von mehreren Aspekten, auf dem das künftige Engagement ökumenischer Akteure für Nachhaltigkeit und Umweltgerechtigkeit aufbauen kann.

„Das Abschlussdokument von Rio+20 gibt die von den Wissenschaftlern dargelegte Dringlichkeit der Bedrohungen für das Leben auf der Erde nicht wieder“, stellte Dr. Guillermo Kerber, der ÖRK-Programmreferent für die Bewahrung der Schöpfung und Klimagerechtigkeit nach Abschluss des Gipfels in Rio de Janeiro fest.

„Die internationale Gemeinschaft hat sich als unfähig erwiesen, einen Konsens herzustellen. Sie hat sich für den niedrigsten gemeinsamen Nenner entschieden und alle kontroversen Fragen ausgeklammert“, erklärte Kerber angesichts der Weigerung eines großen Teils der Religionsvertreter/innen, das Abschlussdokument von Rio+20 als wirksames Instrument für Veränderung zu akzeptieren.

Obwohl die ökumenischen Partner die allgemeine Enttäuschung über den Mangel an Vision und Ehrgeiz bei den Ergebnissen der Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (UNCSD) teilten, stimmen sie doch darin überein, dass die Ergebnisse des Gipfels auch einige positive Aspekte haben, die in der künftigen Arbeit für nachhaltige Entwicklung hilfreich sein könnten.

Dazu gehört nicht nur die viel diskutierte Aufnahme des Menschenrechts auf Wasser und Sanitärversorgung in das Dokument, für die sich das Ökumenische Wassernetzwerk des ÖRK stark gemacht hatte, sondern auch die Einbeziehung anderer zentraler Menschenrechtsgrundsätze.

„Bei den Ergebnissen der ersten Konferenz in Rio im Jahr 1992 gab es gar keine Bezugnahme auf Menschenrechte“, erinnert Peter Prove, der geschäftsführende Direktor des Globalen ökumenischen Aktionsbündnisses (EAA). „Dieses Mal hingegen nimmt der Text fortlaufend Bezug auf Rechte - das Recht auf Nahrung, auf Gesundheit, einschließlich sexueller und reproduktiver Gesundheit, auf Wasser und Sanitärversorgung, auf Ausbildung, soziale Sicherheit, Arbeitsrechte und das Recht auf Entwicklung.“

„Das Ergebnis bei Fragen der Ernährung und Landwirtschaft war allgemein besser als befürchtet worden war“, fügt Christine Campeau, die Koordinatorin der Ernährungskampagne des EAA, hinzu. Sie verweist auf „ausdrückliche Verpflichtungen im Blick auf Kleinbauern, traditionelle Saatgutversorgung, die Förderung von Frauen in ländlichen Gebieten, die Vermeidung starker Preisschwankungen bei Nahrungsmitteln, stärkere Investitionen in nachhaltige Landwirtschaft, die Reduzierung von Nachernteverlusten und Nahrungsmittelverschwendung sowie die Bekräftigung des Menschenrechts auf Nahrung und die Rolle des Ausschusses für Welternährungssicherheit - all dies gibt uns etwas an die Hand, mit dem wir weiterarbeiten können“.

„Obwohl der Gipfel keineswegs die Goldgrube der Inspiration und das Druckmittel ist, für die wir uns stark gemacht hatten, so können wir doch beim sorgfältigen Durchsieben der Ergebnisse ein paar ‚Goldkörner‘ finden“, stimmt Isaiah Kipyegon vom ACT-Bündnis zu. „Ein Prozess zur Ausarbeitung nachhaltiger Entwicklungsziele, die die Millenniumsentwicklungsziele nach 2015 ersetzen sollen, sowie die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen bieten der ökumenischen Familie wichtige Möglichkeiten, wie sie sich in Zukunft weiter engagieren kann.“

„Es gibt einige solide - keine inspirierenden, aber solide - Prozesse und Beschlüsse in Rio, an denen wir definitiv (…) weiterarbeiten werden und die uns vorwärts bringen können“, fasst es Dr. Alison Doig, die leitende Beraterin für nachhaltige Entwicklung von Christian Aid, zusammen. Als Beispiel nennt sie den Beschluss der Regierung des Vereinigten Königreichs, große Unternehmen zur Veröffentlichung ihrer Kohlendioxidemissionen zu verpflichten.

Unabhängig von den zwischenstaatlichen Prozessen und deren Ergebnissen fühlten viele Menschen sich auch von der großen Dynamik der zivilgesellschaftlichen Initiativen ermutigt und inspiriert, die auf dem parallel zum UNCSD-Gipfel stattfindenden ‚People’s Summit‘ vorgestellt wurden.

„Nach diesen Tagen des gemeinsamen Engagements mit faszinierenden Menschen bin ich ein ganz anderer Mensch geworden“, sagt Bia Pitrofski nachdenklich. Sie hatte an „Criatitude“ teilgenommen, einem Bildungsprojekt, das lutherische Christen/innen und alle anderen in Lateinamerika ermutigt, bei der Förderung von Nachhaltigkeit und Umweltgerechtigkeit „kreative Ansätze“ zu verfolgen. „Ich habe die Hoffnung, dass eine bessere Welt, eine neue Welt und ein Leben in Harmonie als Gesellschaft und als Schöpfung möglich ist. Ich sehe, dass es eine junge Generation gibt, die die Initiative ergreift, und wir sind ein Beispiel dafür.“

Weitere Informationen:

Frust über Rio+20 durch religiöses Engagement und Gemeinschaft überwinden (ÖRK-Pressemeldung vom 29. Juni 2012)

Enttäuschung über Rio+20 motiviert Jugend zu Engagement für Umweltgerechtigkeit vor Ort (ÖRK-Pressemeldung vom 18. Juli 2012)

Video: “Rio+20: Justice and peace”

Rio+20 Post Summit reactions (Christian Aid auf YouTube, auf Englisch)

Abschlussdokument „The Future We Want: Outcome document adopted at Rio+20“