Von Juan Michel (*)

Die Stimme am Telefon klingt freundlich und bescheiden und man hört ihr nicht an, dass der, zu dem sie gehört, gerade einen Malariaanfall überstanden hat. Dr. David K. Yemba, evangelisch-methodistischer Pfarrer der Kirche Christi im Kongo und gegenwärtig Dekan der theologischen Fakultät an der Universität von Afrika in Mutare, Simbabwe, gab dieses Interview nur wenige Tage, bevor das weltweit repräsentativste Forum für christliche Einheit zum ersten Mal in diesem Jahrhundert zusammenkommt. Pfr. Yemba ist seit 1998 Vorsitzender der Kommission des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) für Glauben und Kirchenverfassung, die vom 28. Juli bis 6. August 2004 in Kuala Lumpur, Malaysia, tagt, und als solcher scheint er die richtige Person für ein Gespräch über dieses Treffen zu sein. Zuversichtlich spricht er über Hoffnung und das Zusammenwachsen der Kirchen in Gemeinschaft.

Bei verschiedenen Gelegenheiten haben Sie betont, dass die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung ihren Aufruf zur sichtbaren Einheit "den Kirchen deutlicher zu Gehör bringen" wird. Daher lauten meine ersten beiden Fragen: Welche Ursachen hat diese scheinbare Taubheit der Kirchen? Und wie wird Glauben und Kirchenverfassung dieses Phänomen überwinden?

Dafür gibt es viele Ursachen und sie sind von einem Ort der Welt zum anderen verschieden. Die Hauptursache ist der tief verwurzelte Konfessionalismus. Dieser ist besonders unter den neuen Kirchen in der so genannten Dritten Welt, die durch die Evangelisierung im 19. Jahrhundert entstanden sind, stark ausgeprägt. In vielen dieser Kirchen unterscheiden die Gläubigen nicht zwischen ihrer eigenen Konfession und der Kirche, dem Leib Christi. Sie verwechseln ihre Konfession häufig mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die sie jeden Sonntag im Gottesdienst bekennen.

Glauben und Kirchenverfassung wird sich auch in Zukunft mit den zahlreichen Hindernissen befassen, die der Einheit der Kirche im Weg stehen, und wird das mit den einzigen Werkzeugen tun, die ihr zur Verfügung stehen: mit ihren Studien und unterstützenden Diensten für die Kirchen und die Weltweiten Christlichen Gemeinschaften. Mit dem Problem des Konfessionalismus setzen wir uns zum Beispiel speziell in unserer Ekklesiologiestudie auseinander, in der wir die Frage der Kirche als lokale und universale Wirklichkeit untersuchen. Aber da der Konfessionalismus bisweilen mit anderen nicht-theologischen Faktoren einhergeht - wie z.B. in einigen afrikanischen Ländern, wo Konfessions- und Stammeszugehörigkeit zusammenfallen, - greifen wir dieses Problem auch in unserer Studie über ethnische Identität, nationale Identität und die Suche nach der Einheit der Kirche auf.

Historiker, die sich mit der Geschichte von Glauben und Kirchenverfassung befasst haben, weisen darauf hin, dass die Erwartungen an die Bewegung in ihren Anfängen hoch waren. Die Überzeugung, dass sichtbare Einheit tatsächlich erreicht werden könnte, hat für eine erwartungsvolle und optimistische Stimmung gesorgt. Auf der ersten Tagung 1927 in Lausanne konnte man dies deutlich spüren, obwohl die Konferenz auf einem Kontinent stattfand, der durch die Verwüstungen des ersten Weltkriegs gezeichnet war. Welches ist die Grundstimmung, die heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer Welt, die u.a. mit den Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung und dem sog. "Krieg gegen den Terror" konfrontiert ist, eine Tagung von Glauben und Kirchenverfassung prägt?

Es ist interessant festzustellen, dass die Atmosphäre zur Zeit der Gründung von Glauben und Kirchenverfassung und die Atmosphäre heute gewisse Ähnlichkeiten aufweisen: Krieg und Angst z.B. sind heute wie damals weit verbreitet. Innerhalb der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung gibt es jedoch einen Unterschied: die Kirchen hatten damals nicht die Erfahrung mit Studienprozessen und Konvergenzdokumenten, die wir heute haben. Einige dieser Studienprozesse und Dokumente, wie Taufe, Eucharistie und Amt (BEM) zu Beginn der 1980er Jahre, sind in einer sehr optimistischen Stimmung durchgeführt bzw. ausgearbeitet worden.

Ich würde sagen, dass eine Versammlung von Glauben und Kirchenverfassung heute mit Hoffnung in die Zukunft blickt. Ich persönlich habe Hoffnung, wenn ich mir gegenwärtige Entwicklungen wie die Kirchenunionsprozesse vor Augen halte. Und ich weiß, dass diese Hoffnung vollständig von denen geteilt wird, die am engagiertesten in der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung mitarbeiten.

Es ist gesagt worden, dass das BEM-Dokument das bislang erfolgreichste Projekt von Glauben und Kirchenverfassung ist und auch das beste Beispiel dafür liefert, welchen Beitrag der theologische Dialog zur Einheit der Kirche leisten kann. Was würde dem BEM-Dokument im 21. Jahrhundert entsprechen?

"Taufe, Eucharistie und Amt" war ein großartiger Erfolg in der Geschichte von Glauben und Kirchenverfassung und der Ökumenischen Bewegung als Ganzer. Es war ein Schritt auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft. Heute sehen wir erwartungsvoll der Zeit entgegen, in der es unter den Kirchen eine größere Konvergenz im Blick auf das Wesen und die Mission der Kirche Gottes in unserer zerbrochenen Welt geben wird. Deshalb würde ich sagen, dass der wichtigste Beitrag von Glauben und Kirchenverfassung zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Ekklesiologie liegen könnte. Was ist die Kirche, was ist ihr Wesen und ihre Mission? Wenn die Kirche vereinigt ist und in einem Land oder einer Region mit prophetischer und vereinter Stimme spricht, dann können die Kirchen die Probleme, die Sie eben erwähnt haben, wie wirtschaftliche Globalisierung, "Krieg gegen den Terror" und HIV/AIDS, wirksam angehen.

Welches sind die größten Herausforderungen, mit denen die Kommission auf ihrer Tagung in Kuala Lumpur konfrontiert sein wird?

Es wird mehrere Herausforderungen geben. Eine dieser Herausforderungen wird darin bestehen, das Thema der Tagung - "Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob" (Römer 15,7) - aufbauend auf den positiven Ergebnissen unserer früheren und unserer laufenden Studien zu interpretieren und die Diskussionen der Kommission in den Dienst der sichtbaren Einheit der Kirche zu stellen. Das mehrheitlich muslimische Umfeld der Tagung wird ebenfalls eine Herausforderung darstellen.

Wird die Tatsache, dass die Kommission zum ersten Mal in einem mehrheitlich muslimischen Land tagt, besonderen Einfluss auf die Versammlung haben?

Der Kontext in Malaysia, einem Land mit einer muslimischen Mehrheit, wird berücksichtigt werden, aber selbstverständlich ohne, dass wir den Auftrag von Glauben und Kirchenverfassung aus den Augen verlieren. Die Frage der "Pluralität der Religionen" ist auf den letzten Tagungen der Ständigen Kommission von Glauben und Kirchenverfassung diskutiert worden. Das ist Neuland für Glauben und Kirchenverfassung, weil wir uns bislang auf die Frage der christlichen Einheit konzentriert haben. Aber einige unserer Studien, wie z.B. die Studie über theologische Anthropologie und die Studie über die Einheit der Kirche und die Erneuerung der menschlichen Gemeinschaft, zeigen uns, dass wir die Frage der Pluralität der Religionen in einer theologischen Perspektive angehen müssen. Ich wäre nicht erstaunt, wenn sich daraus eine neue Studie entwickeln würde.

Welches sind die wichtigsten Ergebnisse, die Sie von der Tagung in Kuala Lumpur erwarten?

Ich glaube, dass Kuala Lumpur in vielerlei Hinsicht eine wichtige ökumenische Tagung sein wird: es wird die erste Tagung des Plenums der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung im 21. Jahrhundert und auch die erste Tagung nach der Einführung einer Reihe wichtiger Änderungen an den Strukturen des Rates wie auch den Strukturen von Glauben und Kirchenverfassung durch den ÖRK-Zentralausschuss sein. Ferner findet sie nur wenige Monate vor der Neunten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen statt. Die konkrete Erwartung, die wir mit dieser Tagung in Kuala Lumpur verbinden, ist, dass sie spezifische Schritte vorschlagen wird, die den Kirchen helfen werden, in unserer sich wandelnden Welt in Gemeinschaft zusammenzuwachsen.

Warum ist die Einheit der Kirche von Bedeutung für das Leben der Welt?

Die Einheit der Kirche ist von Bedeutung für das Leben der Welt, weil Christus für diese Einheit gebetet hat, "damit die Welt glaube“ (Joh 17,21). Gottes Plan ist es, "dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist" (Epheser 1,10-11). Und genau darum geht es bei Glauben und Kirchenverfassung und der ganzen ökumenischen Bewegung.

(*) Juan Michel ist Medienbeauftragter des ÖRK.

Weitere Informationen über das Treffen in Kuala Lumpur, ein detailliertes Programm und ein Formular für Presseakkreditierung finden Sie auf der Webseite des Treffens unter

Berichterstattung: Ein ökumenisches Medienteam wird täglich Features und Nachrichten in Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch ebenso wie Fotos zur Verfügung stellen. Das Material kann auf der angegebenen Webseite angesehen und kostenfrei heruntergeladen werden.

Features in Kuala Lumpur: Obwohl der vorliegende Artikel den üblichen journalistischen Standards der Genauigkeit und Ausgewogenheit genügt, sollte er - da er sich an eine breite Öffentlichkeit richtet - weder als formeller akademischer oder theologischer Text noch als offizielle Stellungnahme der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung verstanden werden.

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider. Dieses Material kann mit freundlicher Genehmigung des Autors nachgedruckt werden.