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"Ich möchte nicht pessimistisch sein", sagt Oberkirchenräten Dr. Dagmar Heller, Referentin für Ökumene und Orthodoxie in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am Ende der Plenarsitzung der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung am Freitag, dem 6. August 2004, in Kuala Lumpur (Malaysia). "Aber die Kommission ist im Moment in einer sehr schwierigen Situation, und das spiegelt sich hier wider. Dies bedeutet aber nicht, dass ich die Hoffnung verliere."

"Positiv ist, dass die Diskussionen sehr vielfältig geworden sind. Viele Traditionen und Kulturen bekommen hier eine Stimme", sagt Dagmar Heller. Aus einem bei seiner Gründung 1927 noch europäisch-amerikanisch zentrierten Gremium sei ein weltweites Forum geworden. "Zum einen beteiligen sich jetzt viele Theologen aus Afrika, Asien und Süd-Amerika und zum anderen hat mit der Öffnung Osteuropas auch ein wirklicher Dialog mit der orthodoxen Kirche begonnen", erläutert sie. Das habe die Arbeit aber nicht leichter gemacht.

"Die spezifische Aufgabe von Glauben und Kirchenverfassung, die Suche nach der sichtbaren Einheit der Kirche, muss im Kontext des 21. Jahrhundert noch einmal neu formuliert werden", fordert sie. Einheit könne auf keinen Fall Einheitlichkeit im Sinne von Uniformität sein. Doch neben der Betonung der je eigenen Tradition müssten alle Kirchen neue Weg finden, aufeinander zuzugehen. Am meisten verspricht sie sich vom Nachdenken über Hermeneutik, der Interpretation christlicher Texte und Symbole. Glauben und Kirchenverfassung widmet sich in einer ihrer aktuellen Studien diesem Thema.

Dagmar Heller stellt in der Abschlussdiskussion außerdem die Frage, ob es ausreiche, wenn sich das Plenum von Glauben und Kirchenverfassung nur einmal zwischen den alle acht Jahre stattfindenden ÖRK-Vollversammlungen treffe. "Welche Priorität hat die theologische Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung innerhalb des ÖRK?", fragt sie angesichts finanzieller Kürzungen.

Auch Prof. Dr. Wolfgang Thönissen, leitender Direktor des katholischen Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn, ist der Ansicht, dass eine Plenarsitzung nur alle acht Jahre zu einer unbefriedigenden Arbeitsweise führt. Gleichzeitig zieht er eine positive Bilanz des Treffens in Kuala Lumpur: "Wir hatten viel Raum für die Diskussion wichtiger Studienprojekte."

Am wichtigsten ist aus seiner Sicht die Studie zu "Wesen und Auftrag der Kirche": "Glauben und Kirchenverfassung ist damit bei der Frage angekommen, die zum Ausgangsmotiv der ökumenischen Bewegung gehört." Für Wolfgang Thönissen gehört die Ekklesiologie-Studie an die Seite der Erklärung zu "Taufe, Eucharistie und Amt" (Konvergenzerklärung von Lima).

"Mit dieser Studie werden wir ein Rahmenkonzept für ein ökumenisches Kirchenverständnis haben." Zu klären sei allerdings noch, ob die Differenzen zwischen den Konfessionen, die in der Studie benannt werden, kirchentrennender Natur sind, Widersprüche also, oder Ausdruck des Reichtums innerhalb der Ökumene.

Erheblichen Nachholbedarf sieht Thönissen hingegen bei der Hermeneutik-Studie. "Für den ökumenischen Dialog haben wir im ÖRK die Konvergenz-Methode entwickelt", sagt er. Die müsse in der Studie konsequent angewendet werden. Hilfreich findet er die Studie zur theologischen Anthropologie. "Die Bandbreite der Herausforderungen des Menschseins werden erkennbar", sagt er. Die Studie beschäftigt sich mit Herausforderungen wie Gewalt, Armut und HIV/AIDS, genauso wie Biomedizin und Genetik.

"Zwei Neuheiten hat es auf dieser Plenarsitzung von Glauben und Kirchenverfassung gegeben", fasst Prof. Dr. Dorothea Wendebourg von der evangelischen Theologischen Fakultät an der Humboldt-Universität Berlin ihre Beobachtungen zusammen.

"Die theologische Frage nach dem Status anderer Religionen war zum ersten Mal Thema." Auf der ersten Plenarsitzung in einem mehrheitlich muslimischen Land geschah dies zum einen durch theologische Vorträge und zum anderen "im sehr eindrücklichen Auftritt des Premierministers von Malaysia", sagt Wendebourg.

Abdullah Ahmad Badawi sprach ausdrücklich als muslimischer Premierminister, der auch für die Nicht-Muslime in Malaysia Verantwortung trägt. Seinen Aufruf zum interreligiösen Dialog angesichts "gegenwärtiger Konflikte zwischen Religionen und Zivilisationen" trug er mit offensichtlicher Rührung vor den Teilnehmer/innen der ÖRK-Konferenz und der anwesenden malaysischen Presse vor. "Wir können uns nicht vor einem barmherzigen Gott hinstellen, solange es für uns noch so viel zu tun gibt, weil wir unversöhnt sind."

Die zweite Premiere war nach Dorothea Wendebourgs Einschätzung das prägnante Auftreten eines Theologen der Pfingstkirchen, Dr. Cecil Robeck aus Pasadena (USA). "Er hat mit großem Nachdruck darauf hingewiesen, dass Glauben und Kirchenverfassung mit der großen und größer werdenden Bewegung der Pfingstler in Dialog treten muss, wenn sie ihre Aufgabe, der Einheit der gesamten Christenheit zu dienen, in Zukunft gerecht werden will", sagt Dorothea Wendebourg, die als einzige Deutsche Mitglied in der Ständigen Kommission für Glauben und Kirchenverfassung ist.

Für ein "neues theologisches Denken und christliches Zeugnis", in dem die Genauigkeit klassischer theologischer Ansätze und die Lebensnähe kontextueller Theologie verbunden werden, plädiert Prof. Dr. Joachim Track, der als Vertreter des Lutherischen Weltbunds (LWB) an der Plenarsitzung in Kuala Lumpur teilgenommen hat. "Diese beiden Ansätze führen als Alternative nicht weiter. Sie müssen füreinander fruchtbar gemacht werden."

"Glauben und Kirchenverfassung ist in keiner leichten Situation", beobachtet auch Track. Er sieht ein gewachsenes Bedürfnis der Kirchenvertreter, ihre je eigene Identität stärker zu betonen. "Sicherlich bei den orthodoxen Kirchen, aber auch bei anderen merke ich das", sagt er. Deshalb werde genauer hingeschaut, ob es eine reale Verständigung gibt. Die ökumenische Realität werde nüchterner und ehrlicher wahrgenommen. "Die Suche nach sichtbarer Einheit und nach Verbindungen mit ethischen Fragen ist schwieriger geworden."

Track fordert alle am ökumenischen Dialog beteiligten Kirchen auf, darüber nachzudenken "was wir als gemeinsames, aktuelles Bekenntnis sagen können, und bei welchen Aufgaben die Mitgliedskirchen unterschiedlich herausgefordert sind."

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