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Sehr geehrte Frau von Weizsäcker,

Der Ökumenische Rat der Kirchen erinnert sich mit tiefer Dankbarkeit an Ihren Mann, Dr. Richard von Weizsäcker. Wir denken an seine Gaben, mit denen er die Kirchen in Deutschland, die ökumenische Bewegung und viele Menschen in der ganzen Welt bereichert hat.

Weltweit bekannt wurde Ihr Mann als Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem seine viel beachtete Rede zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges wurde mit großem Respekt und Anerkennung aufgenommen. Hier sprach ein Deutscher, der sich der Verantwortung für die Vergangenheit stellte und zugleich die Hand ausstreckte, um gemeinsam für Frieden, Gerechtigkeit und die Sorge für die Schöpfung einzutreten. In seiner Amtszeit als Bundespräsident von 1984 -1994 fiel der Fall der Berliner Mauer 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands, die für ihn Verpflichtung zum Frieden und zur gemeinsamen Sicherheit aller Länder Europas war.

Außerhalb Deutschlands wissen nur wenige, wie sehr er durch sein Engagement in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags über Jahrzehnte hin die Entwicklung des Protestantismus mit großer Weltoffenheit und in Verantwortung für Freiheit und Gerechtigkeit geprägt hat. Von 1968 bis 1975 war er Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und bereicherte mit seiner großen politischen und menschlichen Erfahrung, seinem Weitblick und diplomatischem Geschick dessen Debatten. Er gehörte zu den Persönlichkeiten, die entscheidend dazu beitrugen, dass der ÖRK in den Jahren nach der Vollversammlung 1968 in Uppsala an gesellschaftskritischem Profil gewann und als Stimme der Kirchen in den Konflikten der Zeit und in den Vereinten Nationen gehört wurde.

Auf dem 21.Kirchentag 1985 in Düsseldorf, auf dem sein Bruder Carl Friedrich zu einem Friedenskonzil der Kirchen aufrief und damit viele für den vom Ökumenischen Rat der Kirchen angestoßenen Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung in Deutschland gewann, hielt ihr Mann eine nachdenkliche Rede zum Thema „Was ist das eigentlich: deutsch?“ Er bezieht sich in dieser Rede auf die Vollversammlung des Ökumenischen Rates 1983 in Vancouver:

„Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver hat gesagt: Nirgendwo kann es je Frieden geben, „wenn es nicht überall für alle Gerechtigkeit gibt”. Das nackte, individuelle Überleben hier in Zentraleuropa ist der Güter einziges und höchstes nicht. Wir in Europa müssen und wollen uns um die Kontrolle und vor allem die Verminderung von Rüstungen mit unserer ganzen Kraft einsetzen. Aber wir sollten uns hüten vor einer sicherheitspolitischen Besessenheit zwischen Ost und West. Es geht nicht allein um Rüstung und Abrüstung, sondern um friedliche Beziehungen und um Zusammenarbeit auf allen Gebieten zwischen Ost und West. Erst wenn wir Armut und Hunger in der Welt lindern helfen, wenn wir zur Gerechtigkeit überall beitragen, erst dann helfen wir wirklich, den Weg zum Frieden zu ebnen. Es geht um einen menschengerechten Frieden. „

So wird er vielen in der ökumenischen Bewegung im Gedächtnis bleiben!

Mit großem Respekt und Anteilnahme

Ihr

Pastor Dr. Olav Fykse Tveit

ÖRK Generalsekretär