Gestern, am 28. Januar, haben der US-amerikanische Präsident Donald Trump und der israelische Ministerpräsident Netanjahu einen Vorschlag für Frieden in Israel und Palästina vorgelegt – „Frieden für Wohlstand: Eine Vision für ein besseres Leben des palästinensischen und israelischen Volkes“. Dieser Vorschlag wurde ohne eine zielführende Beteiligung des palästinensischen Volkes entwickelt und folgt in erster Linie den seit langer Zeit bekannten Zielen Israels. Er ist eher ein Ultimatum als eine realistische, nachhaltige oder gerechte Lösung. Weder dem palästinensischen noch dem israelischen Volk kann dieser Plan einen gerechten Frieden bringen.

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hat sich bisher immer für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina eingesetzt und wird diesem Grundsatz auch in Zukunft folgen. Dieser Frieden muss auf einem Prozess des Dialogs und der Verhandlungen und auf den fundamentalen Grundsätzen internationalen Rechts sowie auf der Anerkennung der gleichen  Rechte und der Würde des israelischen und des palästinensischen Volkes basieren. Letztlich wird jede ‚Lösung‘, die nicht auf Gerechtigkeit und einem verhandelten Abkommen beruht, als Übergriff und als Instrument der Unterdrückung verstanden.

Der ÖRK wird sich weiterhin intensiv mit dem Plan befassen und die Analysen und Reaktionen der Mitgliedskirchen und der Partner in der Region zur Kenntnis nehmen. Dieser Vorschlag verleiht aber einer Seite – der israelischen – eindeutig Rechte, die sie nach Völkerrecht nicht hat, während die andere Seite – das palästinensische Volk – zum Teil noch das Wenige, das ihnen verblieben ist, verlieren. Das gilt selbst für die völkerrechtliche Anerkennung des Status als besetztes Land und die Hoffnung auf einen lebensfähigen unabhängigen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt – und nicht einem östlich von Jerusalem gelegenen Vorort hinter der Betonabsperrung zwischen Israel und den Palästinensergebieten. Dieser Vorschlag folgt dem Prinzip des Rechts des Stärkeren und ignoriert Grundsätze des internationalen Rechts, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht.

Die dem palästinensischen Volk nach diesem Plan ‚zugeteilten‘ Territorien sind kein zusammenhängendes Gebiet, sondern von israelischen Siedlungen durchzogen und nur durch Umgehungsstraßen unter israelischer Kontrolle miteinander verbunden. Aus unseren historischen Erfahrungen als ökumenische Bewegung und unserem Engagement in Südafrika wissen wir, wie ein solches System aussieht. Dieser Plan macht aus der Zersplitterung des palästinensischen Gebietes innerhalb einer unter israelischer Kontrolle stehenden Matrix eine vollendete Tatsache, vergleichbar mit den Bantustans des südafrikanischen Apartheidsystems. Wir wissen, dass dies nicht zum Frieden oder zur Gerechtigkeit führen kann.

Obwohl es das ungezügelte Wachstum und die Ausbreitung israelischer Siedlungen immer unwahrscheinlich werden lassen, so hält der ÖRK die ‚Zwei-Staaten-Lösung‘ nach wie vor für den besten Weg zu einem friedlichen Zusammenleben sowohl für das palästinensische als auch das israelische Volk. Dies muss aber eine echte Zwei-Staaten-Lösung sein und die Gründung eines lebensfähigen, unabhängigen und selbstverwalteten palästinensischen Staates ermöglichen, wie er in einschlägigen UN-Resolutionen vorgesehen ist, und nicht einfach das derzeitige System von Besetzung und Kontrolle zum palästinensischen ‚Staat‘ umetikettieren.

Der ÖRK fordert die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft nachdrücklich auf, diesen Vorschlag nicht zu unterstützen oder seine Umsetzung anzuerkennen, sofern und bis nicht ein besserer Plan mit Beauftragten des palästinensischen Volkes verhandelt und vereinbart wurde, der den Grundsätzen des internationalen Rechts im Hinblick auf eine kriegerische Okkupation entspricht und die Menschenrechte respektiert.

Wir fordern die Regierung Israels und die palästinensische Autonomiebehörde auf, zu einem Prozess des Dialogs und der Verhandlungen auf diesen Grundlagen zurückzukehren. Wir bekräftigen die essenzielle Rolle der Vereinten Nationen bei der Förderung eines Dialogs auf den Grundsätzen des Völkerrechts und für gemeinsame Initiativen, um eine nachhaltige Lösung für einen gerechten Frieden für alle zu finden. Wir fordern ebenfalls die Regierung der Vereinigten Staaten auf, einen solchen Prozess zu ermutigen, zu unterstützen und zu begleiten und dabei nicht die Interessen nur einer Seite bevorzugt zu behandeln.

Wir stehen Seite an Seite mit anderen Kirchenleitenden weltweit und teilen unsere große  Sorge mit, dass dieser Plan nicht zum Frieden führt, sondern vielmehr neue Unruhen und Gewalt provozieren wird und nur zur Folge hat, dass extreme Ansichten und Aktionen auf beiden Seiten eskalieren werden.

Wir beten für Frieden in Jerusalem als eine Stadt der  zwei Völker und drei Glaubensrichtungen. Wir beten für die christlichen Gemeinschaften im Heiligen Land, für das palästinensische und das israelische Volk und für alle Völker in der Region, auf dass sie einen auf Gerechtigkeit beruhenden Frieden in Anerkennung der von Gott gegebenen, für alle Menschen in gleicher Weise geltenden Würde und Menschenrechte erleben mögen.

Genf, 29. Januar 2020
Olav Fykse Tveit,
Generalsekretär