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Montag, den 11. März 2019 - Ökumenische Kapelle, Genf:

Ansprache an die Kolleginnen und Kollegen nach dem gestrigen Unglück in Äthiopien
und dem Verlust unseres Kollegen, Pfarrer Norman Tendis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde, liebe Schwestern und Brüder,

wir sind heute Morgen zusammengekommen, um zu beten, um zu singen, um zu schweigen, um das Wort Gottes zu hören und um uns auf unserer Pilgerfahrt der Gerechtigkeit und des Friedens gegenseitig Kraft zu spenden. Gemeinsam folgen wir Gottes Ruf, Gottes Kirche in Gottes Welt zu dienen und unseren Mitmenschen und der gesamten Göttlichen Schöpfung Beistand zu leisten. Heute tun wir das mit schwerem Herzen, mit vielen Fragen im Kopf und mit Tränen in den Augen. Weinend richten wir unsere Gebete an Gott.

Als wir gestern früh am Morgen aus den Nachrichten erfuhren, dass ein Flugzeug der Ethiopian Airlines auf dem Weg von Addis Abeba nach Nairobi kurz nach dem Start abgestürzt sei und dass keiner der 157 Menschen an Bord überlebt habe, waren wir erschüttert und betrübt. Den ganzen Morgen über schlossen wir die Opfer und ihre Angehörigen, Freunde und Kollegen in unsere Gedanken und Gebete ein - und tun das noch immer. Später am Morgen teilte man mir mit, dass einer unserer Kollegen im Ökumenischen Rat der Kirchen, Pfarrer Norman Tendis, genau diesen Flug gebucht hatte. Am späten Nachmittag erhielt ich die Bestätigung, dass er sich unter den Passagieren befunden hatte. Unter den vielen Menschen, die dort ihr Leben verloren haben, war auch einer der unsrigen, einer, der uns nahestand. Mir fällt es deshalb heute Morgen besonders schwer, Euch diese Nachricht zu überbringen. Es ist ein schwerer Schlag für uns alle, die wir das Privileg hatten, zu seinen Freunden und Kollegen zu gehören, und besonders schwer trifft es diejenigen, die eng mit ihm am ÖRK-Programm Ökonomie des Lebens zusammengearbeitet haben. Unsere Gedanken weilen heute Morgen besonders bei seiner Kollegin Athena Peralta, die sich zurzeit in Nairobi aufhält, und bei Henrik Grape in Schweden.

Pfarrer Norman Tendis war auf dem Weg zur UN-Umweltversammlung, die diese Woche in Nairobi stattfindet. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen hatte er intensiv an der Präsentation der „Roadmap for Congregations, Communities and Churches for an Economy of Life and Ecological Justice“ (zu Deutsch: Leitplan für Kirchengemeinden, kirchliche Gemeinschaften und Kirchen für eine Ökonomie des Lebens und für Umweltgerechtigkeit) gearbeitet. Das war seit vielen Jahren seine Vision und seine Leidenschaft. Es inspirierte ihn besonders, dass er dies in seiner Funktion als evangelischer Pfarrer in Österreich umsetzen konnte. Jetzt wurde er von seiner Kirche, der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Österreich, abgestellt, um 50% für den ÖRK zu arbeiten und die ökumenische Familie auf breiter Ebene an seinen Erfahrungen und seiner Vision teilhaben zu lassen. Sein Augenmerk und seine Begeisterung richtete er darauf, wie die einzelnen Kirchen vor Ort zu einem gerechten Frieden untereinander, auf den Märkten, in den Gemeinden, zwischen den Nationen und mit der Erde beitragen können. Es war geplant, diese Präsentation heute Morgen in Nairobi vorzustellen.

Wie wir erfahren, befanden sich an Bord viele Mitglieder von anderen Organisationen, von der UN und von Nichtregierungsorganisationen, die alle zur selben Umweltversammlung wollten. Normans Verlust wiegt schwer für seine Angehörigen und seine Kirche, für seine Kolleginnen und Kollegen sowie für die Gemeinschaft beim ÖRK, aber auch für die dringliche Aufgabe, Gottes Schöpfung zu schützen und zu hegen. Dieses Unglück ist auch für viele Kolleginnen und Kollegen bei den Organisationen, mit denen wir eng zusammenarbeiten, ein schwerer Schlag. Denn wir haben viele Fachleute und engagierte Menschen verloren, die sich auf der ganzen Welt für Nachhaltigkeit und Umweltschutz eingesetzt haben.

Norman war ein sehr engagierter Pfarrer und Kollege, der seine Vorstellungen und seine Berufung mit Freude und Liebe teilte. Er war nicht ständig hier im Haus anwesend, doch wenn er hier war, konnte man seine starke spirituelle Integrität und seine Sorge um Gottes gesamte Schöpfung spüren. Auch wenn er seiner Arbeit nicht so lange nachging, wie wir gehofft hatten, so war sie doch nicht umsonst.

Unser Beileid, unsere Gedanken und Gebete gelten all jenen, die bei diesem schrecklichen Unglück einen geliebten Menschen verloren haben. Wir beten für Normans Familie, für seine Frau und seine drei Töchter, die ihren geliebten Ehemann und Vater verloren haben. Wir beten für seine Gemeinde, die einen fürsorglichen und begeisterten Pfarrer verloren hat, und für seine Kirche.

Gestern sprach ich mehrmals mit seinem Bischof, Michael Bünker, und zusammen haben wir - nach Rücksprache mit seiner Familie - für heute die öffentliche Bekanntgabe dieses tragischen Verlusts angeordnet. Später, wenn die Kolleginnen und Kollegen aus Nairobi zurückgekehrt sind, werden wir in Abstimmung mit seiner Kirche einen Gedenkgottesdienst hier in der Kapelle abhalten. Die entsprechenden Ankündigungen erfolgen zu einem späteren Zeitpunkt. Heute sind wir hier zusammengekommen, um uns gegenseitig Halt zu geben und unseren Gedanken, Gefühlen und Gebeten Ausdruck zu verleihen - sowohl in der Kapelle als auch im Verlauf des Tages.

Gerne dürfen Sie später, wenn wir im Gebet still Andacht halten, eine Kerze für ihn anzünden.

Wir sprechen mit dem Apostel Paulus, Römer 14:7-8: „Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem HERRN; sterben wir, so sterben wir dem HERRN. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des HERRN.“

Lasset uns beten:

Wir beten den Psalm 130: „Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. HERR, höre auf meine Stimme!“

Oh Herr, unser Schöpfer, wir kommen zu Dir mit all unserem Kummer und all unserem Leid, wir, die wir unseren Kollegen, Bruder und Freund Norman verloren haben. Unser Herr Jesus Christus, Du bist für uns durch den Tod gegangen, und Du stehst uns bei in schwerer Zeit, bis in den Tod. Deine Liebe ist stärker als der Tod. Heiliger Geist, komme und tröste uns und alle, die heute ein gebrochenes Herz haben.

Lebendiger Gott, wir verstehen nicht warum, und wir können das Ausmaß dieses tragischen Unglücks nicht fassen, das gestern so vielen Menschen bei einem Flugzeugabsturz in Äthiopien das Leben gekostet hat. Wir trauern um sie alle, und wir beten für ihre Seelen, für ihre Angehörigen, ihre Freunde und Kollegen.

So kommen wir zu Dir und beten für die Hinterbliebenen unseres lieben Bruders und Kollegen Norman, für seine Ehefrau, seine Kinder, seine Familie, seine Freunde und Kollegen. Wir beten für unsere Kolleginnen und Kollegen, die eng mit ihm zusammengearbeitet haben. Wir beten für seine Gemeinde und seine Kirche.

Wir danken Dir für alles, was Norman ihnen und auch uns und den Kirchen dieser Welt gegeben hat. Er war Dein Diener. Er diente Deiner Gerechtigkeit, Deiner Fürsorge und Deiner Liebe zu Deiner Schöpfung. Lass die Früchte seiner Arbeit noch mehr Früchte tragen.

Wir wissen, dass unser Leben endlich ist und dass Unfälle geschehen können, die sich unserer Kontrolle entziehen, egal, was wir tun, um auf uns und auf das Leben anderer acht zu geben. Wir legen unser Leben vertrauensvoll in Deine Hände, oh Herr. So schließen wir jetzt alle in unsere Gebete ein, die in Deinem Auftrag und zum Wohl der Allgemeinheit unterwegs sind. Wir danken Dir heute auch für jeden Tag, an dem wir gnädig Deinen Schutz und Deine Führung auf all unseren Reisen rund um den Erdball erfahren durften.

Wir beten für die Schwesterorganisationen in Genf und auf der ganzen Welt, die bei dem Flugzeugabsturz ebenfalls Kolleginnen und Kollegen verloren haben.

Gib uns die Kraft, mit der heiligen Arbeit für unser gemeinsames Zuhause, Deine Schöpfung, fortzufahren. Wir beten für die Arbeit, die in dieser Woche in der UN-Umweltversammlung in Nairobi geleistet wird. Gib ihnen in ihren Bestrebungen Weisheit und Mut.

Für all dies beten wir in Deinem Heiligen Namen. Amen.