1. Wasser ist Leben. Das Recht auf Wasser ist das Recht auf Leben. Und trotzdem haben Milliarden von Menschen in der ganzen Welt heute keinen oder unzureichenden Zugang zu sauberem Wasser und sicherer Sanitärversorgung. Konflikte um die immer knapperen Wasserressourcen sind schon heute Realität – nicht nur zwischen Staaten und konkurrierenden Wirtschaftszweigen, sondern auch zwischen und innerhalb von Gemeinschaften. Man kann davon ausgehen, dass die Konflikte in den kommenden Jahren noch häufiger und schwerer werden. Von dieser Situation betroffen und durch sie gefährdet sind insbesondere die Armen und Ausgegrenzten, da die Wasserkrise für sie eine ernsthafte Bedrohung ihrer Gesundheit, ihrer Lebensgrundlage und ihres Lebens darstellt. Die unbedachte Nutzung und der Missbrauch, die Ausbeutung und das Missmanagement der Wasserressourcen werden oft durch das Verfolgen von profitorientierten, auf Kapitalvermehrung ausgerichteten Entwicklungsparadigmen verursacht oder verschlimmert. Diskriminierung und die Ausgrenzung von Menschen sind Grundursachen für Verarmung, aufgrund derer die Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Versorgung haben, was jedes Jahr zwei Millionen Menschen das Leben kostet.

2. Viele Regierungen haben große Summen investiert, um ihrer Verpflichtung aus den Milleniumsentwicklungszielen, die Zahl derer, die keinen Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Versorgung haben, bis 2015 zu halbieren, nachzukommen. Und dennoch gelingt es den Behörden oft nicht, Eigentum, Management und die Verteilung von sauberem Wasser zu Gunsten der verwundbarsten und marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen zu regulieren. Die Interessen der Mächtigen in Wirtschaft und Politik sind zu oft stärker als die der Armen.

3. Die Unabhängige Expertin der Vereinten Nationen (UN) für das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung bekräftigt, dass es immer die gleichen Gruppen und Einzelpersonen sind, die ausgeschlossen werden – nämlich die, die mit körperlichen, institutionellen, kulturellen oder anderen Hindernissen zu kämpfen haben, wie Frauen, Kinder, Slumbewohner, Menschen, die in ländlichen Gegenden oder in Armut leben, indigene Bevölkerungsgruppen, Minderheiten und Menschen mit Behinderungen. Das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung ist ein entscheidendes Instrument, um derartige systemische Ausgrenzung und Diskriminierung ans Licht zu bringen und zu bekämpfen. Wie bei allen anderen Menschenrechten sind die zugrunde liegenden Prinzipien das Diskriminierungsverbot, die Beteiligung und Befähigung, Transparenz und Rechenschaftspflicht. In der heutigen Welt bieten die Menschenrechte einen wirksamen ethischen und rechtlichen Rahmen, um den Verwundbarsten, Armen und Unterdrückten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

4. Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), die 2006 in Porto Alegre, Brasilien, stattfand, bekräftigte die biblische Bedeutung von „Wasser [als] Ursprung des Lebens, Ausdruck der Gnade Gottes für die gesamte Schöpfung in Ewigkeit“ (vgl. 1.Mose 1,2ff; 1.Mose 2,5ff). Die biblischen Geschichten über Wasser und die Bilder davon spiegeln unsere heutige Realität und unser Engagement für dieses Grundelement des Lebens wider und erinnern uns an die zerstörerische wie die lebenspendende und -erhaltende Eigenschaft des Wassers, die wir in unserem Leben erfahren.

5. Seit der ÖRK-Vollversammlung sind hinsichtlich der Anerkennung von Wasser als Grundrecht durch die internationale Gemeinschaft bedeutende Fortschritte gemacht worden. Erst kürzlich hat der UN-Menschenrechtsrat eine grundlegende Resolution verabschiedet, die bekräftigt, dass der Zugang zu Wasser wie zu Sanitärversorgung ein Menschenrecht ist. Das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung ist heute nahezu weltweit als rechtlich bindend anerkannt. Nur sehr wenige Regierungen haben das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung bisher nicht öffentlich bekräftigt. Und noch weniger sind es, die das Recht auf Wasser oder das Recht auf Sanitärversorgung weiterhin ausdrücklich ablehnen – unter den herausragendsten sind auch das Vereinigte Königreich und Kanada.

6. Die Kirchen und ihre Partner haben zu diesem Erfolg beigetragen, in dem sie unter anderem durch das und mit dem im ÖRK angesiedelten Ökumenischen Wassernetzwerk zusammengearbeitet haben. Jetzt, da das Ziel der Anerkennung des Rechts auf Wasser und Sanitärversorgung erreicht ist, ist es wichtig, dessen Umsetzung sowohl in gesetzlichen Regelungen wie auch in der Praxis zu fördern. Da Klimawandel, Bevölkerungswachstum und sich verändernde Lebensstile den Druck auf die Wasserressourcen der Welt und den Wettbewerb darum vergrößern, ist es umso wichtiger, das Recht auf Wasser als Wegweiser, Absicherung und Maßstab für das Handeln der Regierungen und anderer Akteure, einschließlich der Kirche, anzuwenden. Mit der Schwerpunktsetzung auf die Bedürfnisse der Verwundbarsten ist das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung ein konkretes Mittel, um nach Gerechtigkeit für die Armen und Ausgegrenzten zu streben.

7.      Als Kirchen sind wir aufgerufen, zu dienen und in unserer Art, wie wir Wasser nutzen und teilen, Vorbilder zu sein. Wir sind aufgerufen, den Verwundbarsten in ihrem Kampf um ihr Recht auf Leben, Gesundheit und eine Lebensgrundlage in einer Situation, die von Knappheit, Konflikt Besetzung und Diskriminierung geprägt ist, beizustehen (Jesaja 1,17; Amos 5,24). Wir dürfen nicht vergessen, dass Wasser ein Segen ist, der geschätzt, mit anderen Menschen und der Schöpfung geteilt und für zukünftige Generationen geschützt werden muss.

Daher fasst der ÖRK-Zentralausschuss, auf seiner Tagung vom 16. bis 22. Februar 2011 in Genf (Schweiz) folgenden Beschluss. Der Zentralausschuss

a) freut sich über die Anerkennung des Menschenrechtes auf Wasser und Sanitärversorgung;

b) lobt die internationale Gemeinschaft für die Fortschritte, die mit Blick auf die Milleniumsentwicklungsziele bezüglich Wasser und Sanitärversorgung gemacht wurden;

c) betont, dass noch mehr getan werden muss, um sicherzustellen, dass politische Entscheidungen und andere Maßnahmen den armen und verwundbarsten Menschen zugute kommen, da der Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung immer noch von Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Ungleichheit geprägt ist.

d) stellt mit Sorge fest, dass ein eingeschränktes Verständnis von Wasser als Ware, die gemäß dem Marktprinzip verkauft und gehandelt werden kann, Zugang zu und Kontrolle über diese lebenspendende Gabe Gottes für diejenigen, die wirtschaftlich, sozial oder politisch benachteiligt sind, gefährdet;

e) ruft die Regierungen nachdrücklich auf, eine nachhaltige Politik zu verfolgen, die den Rechten der benachteiligten Bevölkerungsgruppen, Gemeinschaften und Einzelpersonen besondere Aufmerksamkeit schenkt, und die der Diskriminierung beim Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung zugrundeliegenden strukturellen Gründe bekämpft;

f) fordert diejenigen Regierungen, die den Grundsatz, dass der Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung ein rechtlich bindendes Menschenrecht ist, noch nicht anerkannt haben, auf, dies zu tun;

g) ermutigt die Regierungen, das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung in die nationale Gesetzgebung und Politik zu integrieren, um es so auf nationaler Ebene durchsetzbar zu machen, und sicherzustellen, dass bei Verletzung dieses Rechts angemessene Rechtsmittel zu Verfügung stehen.

h) Ruft zur Schaffung eines Mandats für eine/n Sonderberichterstatter/in für das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung beim UN-Menschenrechtsrat auf;

i) bekräftigt die Verpflichtung der ÖRK-Mitgliedskirchen und ökumenischen Organisationen, sich auf allen Ebenen für die Durchsetzung des Rechts auf Wasser stark zu machen und die internationale Zusammenarbeit von Kirchen und ökumenischen Partnern mit Blick auf Wasserfragen durch die Beteiligung am Ökumenischen Wassernetzwerk (ÖWN) voranzutreiben, wie es in der Erklärung „Wasser - Quelle des Lebens“ der ÖRK-Vollversammlung 2006 zum Ausdruck kommt.

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