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Pilgerreise des Friedens und der Gerechtigkeit – mit der Erde
Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit
Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen

 

Liebe Freunde, Schwestern und Brüder in Christus, liebe Bärbel,

gerne habe ich die Einladung zu diesem Seminar in Hofgeismar angenommen. Dass Du, liebe Bärbel, mich persönlich angeschrieben hast, war für mich neben dem spannenden Thema und den hervorragenden Referentinnen und Referenten, ein guter Grund für eine positive Antwort. Ich werde Philip und Dir immer dankbar sein. Die Gespräche mit Euch haben mich in meiner Aufgabe als Generalsekretär des ÖRK ermutigt. Ihr seid für mich Freunde geworden.

1. Freunde und Gefährten in der Gemeinschaft der Liebe Gottes werden

Liebe Freunde, liebe Pilgerfreunde,

während ich mich an die Freundschaft mit Philip und Bärbel erinnerte, kam mir die Idee, das Thema unter dem Blickpunkt der Freundschaft und Gemeinschaft auf dem Weg zu schildern. Auf dem gemeinsamen Weg können Pilger zu Gefährten werden, Menschen, die sich im Glauben als einer Hoffnungsquelle bewegen werden.

-       Wenn sie nicht davor zurückschrecken, Ungerechtigkeit und Gewalt anzuprangern und Gerechtigkeit und Frieden durch transformatorisches Handeln voranzutreiben,

-       Wenn sie den Mut haben, vergiftete Erinnerungen in Angriff zu nehmen und den Weg für Versöhnung und Heilung zu ebnen,

-       Wenn sie zusammen beten und zusammen die Dankbarkeit vor Gott für das Geschenk des Lebens feiern und zusammen auf den Heiligen Geist hören und

-       Wenn sie einander auf dem Weg durch gegenseitige Verantwortung unterstützen

Als Gefährten auf der Pilgerreise werden sie Zeuge, dass Gott diese Welt so sehr liebte, dass er uns Jesus Christus sandte, um die Menschheit und alle Schöpfung von den Fesseln des Todes und der Sünde zu befreien und sie zu einem vollkommenen Leben im Heiligen Geist zu führen. Als Gefährten nehmen sie an der Bewegung der Liebe Gottes teil, welche sie umgibt und sie zusammen hält. In dieser Bewegung der Liebe und der verwandelnden Gnade können Gefährten zu Freunden werden.

Wenn wir von einer Pilgerreise des Friedens und der Gerechtigkeit sprechen, dann müssen wir uns fragen, wie eine solche Freundschaft nicht nur Verantwortung für die Erde ausdrücken kann, sondern Liebe zur Erde. Ist es an der Zeit das größte und Doppelgebot in einer erweiterten Fassung zu lesen, um zu sehen was es wirklich besagt? Manchmal sollten wir vielleicht lesen „Du sollst den Herrn Deinen Gott mit Deinem ganzen Herzen und Deiner ganzen Seele und Deinem ganzen Verstand lieben…Du sollst Deinen Mitmenschen wie Dich selbst lieben.“ (Matthäus 22:37ff). Und vielleicht sollten wir in unseren Gedanken hinzufügen: Du solltest die Natur und deinen Mitmenschen wie Dich selbst lieben? Wir sollten fragen: Wie kannst Du Gott lieben und gegen den Schöpfergeist vorgehen, oder gar die Schöpfung Gottes nicht respektieren und sogar zerstören? Wie ist es möglich Deinen Mitmenschen zu lieben (Deine Kinder, die Menschen, die heute unter den Klimaveränderungen  und Umweltverschmutzung leiden, und nicht weniger die, die nach Dir auf diesen Planeten Erde kommen) wenn Du nicht die Erde liebst? Wir können sogar fragen: Wie kannst Du Dich selbst lieben, wenn Du Dich nicht um die Erde sorgst und sie liebst? Wir sind alle Teil der Natur und abhängig von der Beziehung  zur Natur und den Ressourcen und Geschenken Gottes, die er uns jeden Tag gibt („unser tägliches Brot“).

Mit Sicherheit finden wir keine positiven Antworten wenn wir uns mit so einer Ignoranz fortbewegen, wie der aktuelle US-Präsident – unter Euch allen muss ich nicht näher auf dieses Thema eingehen. Aber lasst uns klarstellen, dass dies nicht nur die USA betrifft. Wir sehen einen Trend zur Zersplitterung, Selbstinteresse, der Ablehnung gegenüber Migranten und vielfältigen Lebensweisen und andere Formen von spaltendem, sogar rassistischen Verhalten nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Ländern. Das hat Auswirkungen auf uns alle, auf das Leben auf der Erde und somit das Leben der zukünftigen Generationen.  Die Weiße Überlegenheitsideologie  und der Rassismus werden zu Recht als „Amerikas Erbsünde“ (Jim Wallis) bezeichnet, aber die Erbsünde ist nicht geographisch auf diesen Kontinent begrenzt.

Genau aus diesem Grund ist es nicht ausreichend nur nach umwandelnden Maßnahmen zu rufen. Wir müssen die Gemeinschaft der Gefährten auf dem Weg zur Solidarität mit anderen und aus Liebe für alle Schöpfung fördern. Aus diesem Grund werde ich mich in den folgenden Anmerkungen bezüglich der Öko-Gerechtigkeit und der Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Frieden mit der Erde auf Werte der Weggenossenschaft konzentrieren. Die Pilgerreise muss den Horizont der Einheit der Menschheit und aller Geschöpfe mit einschließen, die darauf angewiesen sind, dass die Kirchen nach Gemeinschaft suchen und der Vertiefung der Gemeinschaft untereinander.

2. Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens – Umwandlung, Heilung und Erneuerung aller Schöpfung

Im Hintergrund steht die Reise der ökumenischen Bewegung der vergangenen Jahrzehnte. Erinnern wir uns an Überlegungen zur gerechten, teilhabenden und nachhaltigen Gesellschaft während der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die  Vollversammlung von Vancouver initiierte 1983 den konziliaren Prozess der Gerechtigkeit, des Friedens und der Schöpfungsbewahrung. Die Dekade zur Überwindung der Gewalt  wurde 1998 durch die Versammlung von Harare begonnen . Während der 10. Versammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Busan 2013 folgte schliesslich der Aufruf an alle Kirchen, Christen und Menschen guten Willens, an der gemeinsamen Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens teilzunehmen und Handlungen in Gebete umzuwandeln, „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“ war das Thema der Vollversammlung.

Als eine Pilgerreise des Friedens und der Gerechtigkeit (anstatt für Frieden und Gerechtigkeit), ist es weder eine Entdeckungsreise zu einem bestimmten geographischen Ziel noch eine einmalige Kampagne. Vielmehr „ist (es) eine umwandelnde Reise, zu der Gott uns einlädt als Vorwegnahme des finalen Zwecks der Welt, welche die Dreifaltigkeit Gottes mit sich bringt. Die Bewegung der Liebe, welche für die Dreifaltigkeit wesentlich ist, manifestiert sich im Versprechen von Gerechtigkeit und Frieden. Sie sind Zeichen der zukünftigen Herrschaft Gottes, welche bereits hier und jetzt sichtbar ist, wo auch immer Versöhnung und Heilung zu sehen sind“.[1]

Als Christen sind wir aufgerufen,  uns zur Schöpfung zu verhalten in der Antwort auf den Willen Gottes und Gottes Versprechen für die Welt, indem wir pflanzen, nähren undschützen, und dem Beispiel Jesu Christi zu folgen , der uns in erster Linie verpflichtete „[unseren] Nächsten zu lieben“ (Mark 12:31). Jesus zu folgen bedeutet dementsprechend, auf die Schreie unserer Schwestern und Brüder zu hören, denen Ungerechtigkeit, Gewalt und Krieg widerfährt, auf ihre Bedürfnisse zu antworten, mit ihnen zusammenzurücken und sie  zu beschützen. Indem wir dies tun, treffen wir auf die beständige Gegenwart Gottes, was nicht weniger als eine lebensverändernde Erfahrung ist. „Lebendig im Geiste, entdecken wir unsere verborgene Kraft und Energie für die Umwandlung einer ungerechten Welt“ und somit leisten wir einen Beitrag zur Mission der Heilung der Nationen und der Erneuerung aller Schöpfung (Offenbarung 21 und 22).[2]

3. Öko-Gerechtigkeit = Frieden schaffen mit der Erde

Heute leben wir in einem gefährlichen Klima von sozial-ökonomischer, politischer und ökologischer Krisen, welche die Gebrochenheit unserer Beziehungen mit dem Göttlichen widerspiegeln, mit unseren Schwestern und Brüdern und mit dem Rest der erschaffenen Welt. In dieser Konfrontation mit den multiplen Krisenherden des Lebens sehen wir die Gesichter unserer leidenden Schwestern und Brüder der Menschheit und anderer Art.

Während des letzten Jahrzehnts, hat der obere eine Prozentsatz der globalen Bevölkerung mehr Reichtum angesammelt (USA 116 Trillionen) als die unteren zwei Drittel zusammen.[3]

In dieser Ära der unvorstellbaren Fülle (wobei das globale Vermögen sich auf USD 256 Trillionen beläuft), existiert bittere Armut: mindestens eine von neun Personen geht hungrig schlafen. Die Mehrheit dieser Personen lebt im globalen Süden; viele davon sind Frauen und Kinder.

Die industrielle Agro-Produktion der Massenerzeugnisse, großflächige Abholzung und militarisierte Extraktion von Mineralressourcen, um „moderne“ Lebensstile zu erreichen  und zu erhalten, Gewinnmargen zu erhöhen und das Bruttosozialprodukt (BIP) zum Wachstum zu treiben, haben unsere ökologischen Systeme über ihre regenerierenden Grenzen hinaus getrieben und zu dramatischen Veränderungen an Land, in den Ozeanen und der Atmosphäre geführt. (Tatsächlich haben die Auswirkungen der Menschheit auf den Oikos solche Bedeutung erreicht – in einem solchen Ausmaß, dass sogar die Maschinerie des Planeten beeinträchtigt wird – dass Wissenschaftler auffordern, eine neue geologische Epoche auszurufen: das Zeitalter des Anthropozäns.)

Aber einige Erdteile und Menschengruppen haben mehr Ressourcen verbraucht  und unserem Planeten mehr Schaden zugefügt als andere. Insbesondere wohlhabende Nationen und vermögende Gesellschaftsbereiche, welche den globalen Norden darstellen, fahren damit fort den natürlich begrenzten Umweltbereich disproportional zu nutzen. Die ökologischen Fußabdrücke von Nord Amerika und Europa (eine ungefähre Messung der menschlichen Auswirkung auf die Umwelt) erreichen jeweils einen Durchschnitt von 8,6 ha/Person und 4,9ha/Person. Dies ist vielmals höher als der ökologische Fußabdruck der afrikanischen Länder (1,4ha/Person).[4]

Der Klimawandel verschärft diese Ungerechtigkeiten. Es ist tatsächlich sinnvoll zu wiederholen, dass der globale Norden in erster Linie für die Treibhausgasemissionen, welche den Klimawandel auslösen (in historischen und relativen Werten)verantwortlich ist. Und doch sind es die verarmten Länder und die sozial-ökonomisch Schwachen (Frauen, Kinder, Indianervölker und Migranten), welche die stärkere Last der gewaltsamen Auswirkungen des Klimawandels tragen, einschließlich der Vertreibung von Menschen, die in tiefer-gelegenen Küstengebieten und kleinen Inselstaaten leben; der Verlust der Quellen des Lebensunterhalts, der reduzierte Zugang zu Wasser, die Lebensmittelunsicherheit und erzwungene Migration.

Also kommt die Frage auf, wessen Oikos ist es eigentlich?[5] Die biblischen Propheten erinnern uns, dass die Schreie der Verarmten und das Ächzen der Schöpfung einhergehen, dass sozial-ökonomische Ungerechtigkeit ökologische Zerstörung verursacht, was wiederum die sozial-ökonomische Ungerechtigkeit erhöht: „ Höre das Wort des Herrn, des Volkes von Israel; denn der Herr hat eine Anklage gegen die Bewohner des Landes. Es gibt keine Treue und Loyalität, kein Wissen Gottes im Land…das Land klagt, und alle die darin leben verkümmern; zusammen mit den wilden Tieren und den Vögeln der Lüfte, sogar die Fische des Meers sterben“ (Hosea 4: 1-3).

Wenn die Bibel das menschliche Wohlergehen nicht vom ökologischen Wohlergehen trennt, dann verkündet die Liebe Gottes gleichfalls,  vom Buch Jesajas bis zum Buch der Offenbarung, eine mächtige Nachricht der Rettung, welche die Wiederherstellung von richtigen Beziehungen zwischen den Menschen, als auch zwischen den Menschen und dem Rest der geschaffenen Ordnung willkommen heißt. Ein lang anhaltender Frieden und eine geheilte, erneuerte Schöpfung sind die Früchte dessen. Wie durch die Internationale Ökumenische Friedenskonvokation ausgedrückt wurde, welche 2011 in Kingston, Jamaika, stattfand, kann es keinen Frieden zwischen den Menschen und mit der Erde geben, wenn es keine Gerechtigkeit und Frieden auf dem (globalen) Marktplatz gibt, der das Herz der modernen Ökonomien ist.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Kontextes des bedrohten Lebens-in-der-Schöpfung einerseits und der Beibehaltung eines holistischen (und ökumenischen) Verständnisses, welches der Kämpfe der Verarmten mit den Bemühungen zur Heilung der Schöpfung integriert, andererseits, werden wir als Kirchen und Christen aufgerufen an einer Pilgerreise der Öko-Gerechtigkeit und des Friedens mit der Erde teilzunehmen. Das Zentralkomitee des ÖRK schlägt vor, dass solch eine Pilgerreise aus mindestens drei dynamischen und voneinander abhängigen Dimensionen bestehen könnte.

Während wir gemeinsam auf Pilgerreise  sind, ist es wahrscheinlich, dass wir ein um das andere Mal, manchmal an Orten, wo wir es am wenigsten erwarten der Vielfalt der wunderbaren Schöpfung Gottes begegnen. Mit dem Staunen über die Schönheit und den Reichtum der Schöpfung beginnt die erste Dimension. Dieses Jahr hat das PJP einen regionalen Fokus auf Afrika. Während meiner Reisen nach Ägypten, Äthiopien, Namibia und Südafrika war ich unter anderem durch die  Unverwüstlichkeit und Treue der Kirchen und Menschen, die ich traf, tief bewegt, aber ich hatte beispielsweise auch die Möglichkeit  die glühenden Gebirgszüge zu bestaunen, welche die Stadt Windhoek umgeben (so unterschiedlich aber gleichsam prachtvoll wie die Berge, die Fjorde, die Inseln und Täler meines eigenen Heimatlands Norwegen) und die Leuchtkraft der Sterne gegen den dunklen Nachthimmel. Ich war beeindruckt von der Schönheit des afrikanischen Kontinents.

In diesen Momenten möchte man sich an die Worte des Psalmisten erinnern: „ Oh HERR, unser Herr, wie majestätisch ist Dein Name auf der ganzen Welt! Du hast unsere Herrlichkeit über den Himmel erhoben“ (Psalm 8: 1). Jedoch war und ist die Beziehung zur Natur auch jetzt vielmehr als eine romantische Bewunderung von schönen Landschaften. Die Liebe zur Natur muss die respektvolle, sogar wunderschöne Beziehung sein, die die Komplexität der Natur sowohl als Bedrohung als auch eine Quelle des Lebens anerkennt. Die Majestätische Präsenz des Namens Gottes ist nicht nur der goldene Standard der Schönheit, sondern auch Ausdruck der wunderschönen Zeichen des Lebens insbesondere während des Wechsels der Jahreszeiten, wo wir jedes Mal in der nördlichen (und südlichen) Hemisphäre einen neuen Beginn erleben. Die Majestätische Präsenz ist Anlass, die negativen Auswirkungen auf unser eigenes Leben zu kennen, wenn wir die Integrität der Schöpfung nicht respektieren.

Pilgerreisen bringen uns auch Landschaften des Schmerzes und des Leids näher. Damit komme ich zur zweiten Dimension. In vielen der Länder, die ich zuvor nannte, bleibt der Zugang der Gemeinschaften zu sauberem Wasser, Nahrung, Schutz und anderen wesentlichen Bedürfnissen, die manche von uns als selbstverständlich ansehen, eine Herausforderung. Die Region Afrikas, die sehr stark von der Landwirtschaft abhängig ist, spürt bereits die Folgen des sich erwärmenden Klimas. Andauernde Dürren begleitet von plötzlichen Überschwemmungen haben Ernten vernichtet und Hungersnöte ausgelöst. Es ist schwierig zu ergründen, wie im 21. Jahrhundert, am Höhepunkt des Weltwohlstands und der technologischen Errungenschaften, Kinder immer noch an Hunger sterben. Am vergangenen 21. Mai hat das ÖRK mit anderen ökumenischen Partnern einen Globalen Tag des Gebets zur Beendigung der Hungersnot geleitet. Dies wurde tatsächlich zu einer neuen Erfahrung und zeigte, welches Potential die Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens  hat, uns zusammenzuführen, während wir die Bedürfnisse unseres Nächsten und der Welt zusammen ansprechen. Glaubt mir: 70 Millionen Menschen haben die Webseite aufgerufen!

Im späteren Jahresverlauf werde ich einige Kirchen auf den Pazifischen Inseln besuchen. Für die Inselbewohner ist der Klimawandel viel mehr als ein politisches Anliegen, das bei jährlichen Konferenzen der Vereinten Nationen besprochen wird. Für sie führen ein Anstieg des Meeresspiegels, mächtige Zyklone, die Versauerung der Ozeane und Korallenbleiche zum Erlöschen ihrer Völker, Länder und alten Kulturen. Wir müssen die Klagen unserer Schwestern und Brüder in der Region hören wie auch ihre Lösungsvorschläge.Von wesentlicher Bedeutung ist, dass Pilgerreisen oft tiefsitzende Veränderungen in einem selbst  und der Welt als Ganzes auslösen.

Selbstveränderung beginnt mit einem Gefühl der Demut – der Erkenntnis, dass wir Menschen nur einen bloßen Fleck im gesamten kreierten Kosmos einnehmen; das wir Teil der Erde sind und aus ihr stammen (1. Buch Mose 2:7);  dass trotz schwindelerregender wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse  Grenzen unserer Fähigkeiten und Weisheit bestehen (Kohelet 8:16-17); und dass wir schließlich eine gemeinsame Verletzlichkeit teilen. Die Demut macht uns für eine tiefere Wertschätzung unserer Vernetzung mit anderen und wechselseitiger Abhängigkeit untereinander empfänglich, unsere ökologische Umgebung mit eingeschlossen, und somit „erweitern wir unser Verständnis der Gerechtigkeit und der Grenzen dessen, wer unsere Nächsten sind“.[6]

Die Vernetzung ist ein ökologisches Schlüsselelement und mehr. Gott erklärte die gesamte Schöpfung als „sehr gut“, nicht nur einen Teil davon. Die Güte der Schöpfung steht der Ausbeutung und dem individuellen Gewinn im Weg.[7]Solch ein Erwachen motiviert nicht nur Änderungen persönlicher Lebensstile, was nicht unbedeutend ist, sondern auch eine Verpflichtung, die ökonomischen, politischen und sozialen Strukturen generell zu überdenken und neu aufzubauen. Die sozial-ökonomischen und ökologischen Ungerechtigkeiten sind es, die unseren Nächsten und Mitgeschöpfen Leid zufügen.

Dieses Jahr feiern wir 500 Jahre der Reformation. Larry Rasmussen, über den wir uns freuen ihn hier unter uns begrüßen zu dürfen, hat nach einer ökologischen Reformation gerufen. Er sieht es als wesentlich an, dass die Förderung einer Umwelt- und Klimagerechtigkeit eine Wirtschaft hervor bringt, welche das Gemeinwohl auf solch eine Weise fördert, dass „die Primärgüter der Gemeinschaft – Land, Luft, Feuer, Wasser, Licht – Voraussetzungen eines geteilten Guts sind, eines Guts sowohl für die gegenwärtigen als auch zukünftigen Generationen der Menschheit und Mitgeschöpfe.

Mit anderen Worten oder in ökumenischer Ausdrucksweise, müssen wir eine Wirtschaft des Lebens aufbauen, welche „die Vision Gottes von Koinonia, wo gesunde Gemeinschaften in Frieden und Harmonie miteinander und mit der Schöpfung Gottes gedeihen (Apostelgeschichten 2:42-47)”verkörpern; welche anerkennt, dass „ wir durch Christus mit der gesamten Wirklichkeit der Schöpfung verbunden sind, in deren Mitte wir leben und von der wir für unser Fortbestehen physisch abhängig sind“; und die sich deshalb „um das Land und das Meer sorgt, die gesamte bewohnte Erde, welche ihre eigene gottgegebene Integrität hat und die Kommodifizierung jeder Art  der Natur, einschließlich des Wassers, der Luft, der Wälder und anderer Gemeingüter[verbietet]”.[8]

Die dritte geistige Dimension der Transformation sollte nicht unterschätzt werden. Als ich aufgefordert wurde zum Jubiläum der Reformation aus einer ökumenischen Perspektive heraus darüber zu reflektieren, konzentrierte ich mich auf die erste der 95 Thesen Martin Luthers gegen Missbräuche: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Busse“, hat er gewollte, dass das ganze Leben der Gläubigen Busse sein soll.“ (Mt 4:17)

Die Sünde ist real. Eine wirkliche Sünde, die das Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften untergräbt. Es gibt keinen Ausweg, die Wirklichkeit der Sünde durch Geld, Macht, Ignoranz, Frömmigkeit, Kirchendoktrinen, Behörden oder andere Mittel zu ignorieren. Es gibt keine Möglichkeit, die Reue, Umwandlung und Erneuerung des Lebens zu umgehen.

Busse ist der Weg Gerechtigkeit durch Gnade zu erfahren und von den Fesseln der Sünde befreit zu werden. Reue führt zu einer Umwandlung, die alle Dimensionen unserer Identität umfasst und transformatorisches  Handeln motiviert. Ihr Horizont ist die Erneuerung des Lebens in Tod und Auferstehung Christi und das Geschenk des Heiligen Geistes. Luther argumentiert, dass der Begriff der Busse nicht eine einmalige Handlung oder ein einmaliges Wort ist. Es ist ein Verhalten – eine Art des Seins, die Aufmerksamkeit gegenüber einer kritischen Stimme, ein Verständnis der Dimensionen der Tragödie und die Bereitschaft die Wirklichkeit dessen, was falsch ist, anzuerkennen. Es ist auch das Verhalten des aufmerksamen Zuhörens auf die Stimme der vollkommenen Vergebung Gottes – nicht als Entgegennahme einer Abmachung, sondern als Offenheit, die Ausrichtung des Lebens zu ändern, um sich auf die Bedürfnisse anderer zu konzentrieren; insbesondere die Armen, welche die Sicherheit brauchen, die Gerechtigkeit, die Ausübung ihrer Rechte und Anerkennung ihrer Würde. Der Weg zu Gerechtigkeit und Frieden ist ein Weg der Reue, der Umwandlung und der Erneuerung. Das Vorwegnehmen des Ziels, das bereits den Weg qualifiziert, unseren Weg, wird somit zu einer Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens.

Mit anderen Worten: Wirkliche Busse bedeutet eine wahre Rechenschaftspflicht unserer Vergangenheit gegenüber, als Einzelpersonen und als Gemeinschaft, in den Kirchen und als Völker (Bekenntnis). Wirkliche Reue bedeutet reale Handlungen der Transformation und eine andauernde Bereitschaft,  sich in einem Prozess der Transformation zu befinden, der sich darauf konzentriert, wie das Gegenüber – andere Menschen als auch die gesamte Schöpfung – durch meine und unsere Verhaltensweisen und Handlungen konstruktiv betroffen sind. Transformation ist die Essenz einer Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens – gemäß des Ausdrucks „der präferentiellen Option für die Armen“.

4. Richtiger Wandel

Der Übergang zu einer klimagerechten, lebensbejahenden Wirtschaft stellt beileibe keine entspannende Reise dar. Zweifelsohne wird der Weg lang und mühsam sein. Und auf dem Weg werden einige von uns materielle Privilegien, lang-geglaubte Ideologien und festgefahrene Systeme  aufgeben und hinter sich lassen müssen, die einer Minderheit der Elite gedient haben. Pilgerreisen sind nie bequem.

Und doch müssen wir beginnen uns vorwärts zu bewegen, einschließlich des Aufgebens von ökologisch-zerstörenden Tatformen und stattdessen der Investition in saubere, erneuerbare Energiesysteme und durch Stärkung der Elastizität unserer Gemeinschaften;  indem wir einige Veränderungen an unseren Produktions-, Vertriebs- und Konsummustern vornehmen; und indem wir die Obsession unserer Gesellschaft für materiellen Wohlstand und wirtschaftlichen Wachstum herausfordern.

Der Übergang kann nicht auf kontextlos Prinzipien der Gleichheit  basieren – insbesondere während der gegenwärtigen Ära, die durch eine tiefe Teilung zwischen Reich und Arm geprägt ist. Soziale Gerechtigkeit und Öko-Gerechtigkeit sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Auf globaler Ebene und innerhalb der Rahmenbedingungen der internationalen Klimavereinbarung, die 2015 in Paris geschmiedet wurde, beinhaltete ein „gerechter Übergang“  eine gesicherte erweiterte, transparente und nachhaltige finanzielle Unterstützung der verarmten und verletzlichen Nationen durch Regierungen von wohlhabenden Nationen. Es geht auch darum, ein sozial-ökonomisches Gemeinwohl zu erreichen. Kirchen und Christen müssen ihre Bemühungen verdoppeln, um von unseren Regierungen und Institutionen für die Erfüllung der Verpflichtungen von Paris zur Emissionsreduzierung Rechenschaft zu fordern.

Und doch ist die Verfolgung dieser zentralen globalen Agenda nicht genug. Wir müssen auch lokal handeln. Auf nationaler Ebene würde ein „gerechter Übergang“ bedeuten, den Schutz der Menschen zu fordern, die aktuell und in der Zukunft von dem dringenden Bedürfnis der Emissionsreduzierung und Anpassung an den Klimawandel am meisten betroffen sein werden. Es würde bedeuten Unternehmen für schädigende Verschmutzung zur Rechenschaft zu ziehen, um sicherzustellen, dass sie ihre Schäden beseitigen und ihre Opfer entschädigen. Es würde auch bedeuten die  Lebensgrundlagen der Menschen zu unterstützen, indem angemessene Schulungen und Ausbildungen für „freigesetzte“ Arbeitskräfte angeboten würden und durch die Sicherstellung, dass jeder wirtschaftlicher Gewinn aus aufblühenden erneuerbaren Energien direkt den Gemeinden zu Gute kommt, anstatt von großen Konzernen abgefangen zu werden.

5. Zusammensein auf dem Weg mit Hoffnung

Die Pilgerreise der Öko-Gerechtigkeit  und des Friedens mit der Erde wird von einer Hoffnung für die Geburt einer neuen Erde getragen, eines neuen Reiches. Diese Hoffnung wurzelt in derer tiefen Überzeugung, dass Gott die Schöpfung liebt und diese nicht aufgibt. Und tatsächlich müssen wir uns nur innerhalb der Kirchengemeinschaft umschauen, um diese Hoffnungszeichen zu entdecken.

Ein ein Beispiel:Die Kirchen in den USA waren unter den ersten, die unter den Vorzeichen der Ankündigung des US-Präsidenten, die Vereinbarung von Paris zu verlassen, bekräftigt haben, dass sie auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene fortfahren würden Schritte für eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu unternehmen.

Als Folge des Beschlusses des ÖRK auf fossile Kraftstoffe zu verzichten, sind viele Kirchen der wachsenden Bewegung beigetreten, um aus ökologisch-schädigenden Tätigkeiten auszusteigen und in nachhaltige und stabile Initiativen neu zu investieren. Junge Menschen haben eine zentrale Rolle bei der Befürwortung dieser Lösungen gespielt und uns an unsere  Generationengerechtigkeit  bei der Dimension der uns bevorstehenden Herausforderungen und der Entscheidungen, die wir treffen, erinnert.

Darüber hinaus hat das ÖRK zusammen mit anderen ökumenischen Partnern, wie der Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen, dem Lutherischen Weltbund und dem Rat für Weltmission mit Unterstützung eines Gremiums von Ökonomen und Theologen einen Aktionsplan für eine Neue Internationale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur ausgearbeitet.[9]

Der Plan enwickelt Änderungen der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsinstitutionen, welche zum Ziel haben kritische soziale und umweltpolitische Aufgaben auszumachen als auch die Wirtschaft innerhalb der Gesellschaft und Ökologie zu verankern. Er fordert Kirchen beispielsweise auf mehr Nachhaltigkeitsinvestitionen zu fordern als auch alternative Indikatoren des Gesamtwohls des Oikos – außer dem Wachstum des Bruttosozialprodukts – welche die Gesundheit der Gemeinschaften und Ökosysteme besser messen.

Es geht um eine Veränderung des Lebensstils, der persönlichen Verhaltensweisen und Verhaltensweisen der Gemeinschaft und Werte ausrichten und auf die dringenden Veränderungen der Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsinstitutionen und Wirtschaftsparadigmen. Aber es gibt noch sehr viel Anderes zu entdecken, und Vieles, was sich noch im Entstehungsprozess befinden. Denn der Gott des Lebens, der den Himmel und die Erde und alle Wesen erschuf, Dich und mich, fährt fort, dies jeden Tag zu tun.

Wir bewegen uns in einer gebrochenen, polarisierten Welt, aber mit Hoffnung und auch einer tiefergreifenden Verpflichtung, um für die Einheit zu arbeiten, für die wir geschaffen wurden und die Einheit, für die wir durch die Kreuzigung und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus errettet wurden. Wir sehen wie Religion, und auch unser Christlicher Glaube, durch die  Weltmächte für die Legitimierung von Ungerechtigkeit, Rassismus, Diskriminierung  und dem fehlenden Engagement zur Einigkeit in Gerechtigkeit und Frieden für alle verwendet werden kann. Aber während Staats- und Regierungsoberhäupter das Interesse ihrer Nation als deren erste Priorität haben, sehen viele, dass das Interesse der Nation sich auch auf den Frieden zwischen den Nationen ausweitet und die Bewahrung der Welt. Wir sollten deutlich zum Ausdruck bringen, dass das Interesse einer Gruppe oder einer Nation auf lange Sicht dem entspricht, was auch der gesamten Menschheit und der ganzen Schöpfung dient.

Wir müssen es in unseren Gedanken, unseren Herzen und unseren Händen aufnehmen: wir sind aufgerufen, uns zusammenzuschließen, so dass die Welt glauben kann, dass Jesus Christus von dem Einen Gott gesandt wurde. Wir sind aufgefordert Zeugen dieser Offenbarung der Liebe Gottes in dieser Welt zu sein, so dass die Welt an die Zukunft Gottes glauben kann. So dass die Welt Hoffnung schöpfen kann.

Wir müssen im Glauben, in der Hoffnung und der Liebe nach Einheit suchen. Der Aufruf zur Einheit ist nicht überholt, er ist dringender denn je. Das Streben nach einem Neuen Anliegen, sogar die Liebe für die Erde ist etwas, das aus einem tieferen Verständnis unserer Verbundenheit untereinander und der Einheit unserer Leben auf dem einen Planeten Erde stammt. Keiner von uns kann eine andere „Welt“ finden und den Natur- und Klimaschäden  entfliehen. Das Streben nach einer gemeinsamen Verantwortung für die Erde ist eine neue Dimension des Zusammenschlusses von Kräften in unserer Zeit, sowohl innerhalb der Familie der Christen als auch viel weiter, auch über die hinaus, die eine Religionszugehörigkeit und einen religiösen Glauben haben.

Die Herausforderungen, mit denen wir uns in der ökumenischen Bewegung und innerhalb des ÖRK konfrontiert sehen, um diese Einheit vollkommen auszudrücken, sollten uns nicht dazu verleiten den Aufruf abzuschwächen. Ich glaube, dass kommende Generationen stärker nach dem Ausdruck der Einheit in der Vielfalt fragen werden, wodurch die Beiträge der Kirchen zu mehr Gerechtigkeit, mehr Frieden, mehr Achtsamkeit der Schöpfung, mehr Liebe für unser gemeinsames Hause, mehr Einheit in einer höchst polarisierten, ungerechten, aber auch interdependenten Welt gestaltet werden. Die Relevanz des ÖRK und anderen, die nach Einheiten suchen, wird nicht abnehmen sondern zunehmen, als Instrument zur Setzung einer neuen Agenda und dem Vorbringen neuer Ideen und Initiativen, welche Frieden und Liebe für die Erde bringen können - ein Zeichen der Hoffnung für die Welt.


[1] ÖRK-Zentralkomitee (2014), „Einladung zu einer Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens“, https://www.oikoumene.org/en/resources/documents/central-committee/geneva-2014/an-invitation-to-the-pilgrimage-of-justice-and-peace.

[2] Ibid.

[3] Credit Suisse (2016), Globaler Vermögensbericht 2016, https://www.credit-suisse.com/ch/en/about-us/research/research-institute/news-and-videos/articles/news-and-expertise/2016/11/en/the-global-wealth-report-2016.html

[4] http://data.footprintnetwork.org/index.html.

[5] I George Zachariah (2017), „Wessen Oikos ist es eigentlich?: Neuvorstellung des Ökumenischen Zeugnis‘ im Kontext der Klimaungerechtigkeit”, nicht veröffentlicht.

[6] ÖRK-Zentralkomitee (2009), „Stellungnahme zur Öko-Gerechtigkeit und ökologischen Verschuldung”, https://www.oikoumene.org/en/resources/documents/central-committee/2009/report-on-public-issues/statement-on-eco-justice-and-ecological-debt.

[7] Barbara Rossing (2016), “Und Gott sah es war gut: „Gedanken zur Theologie der Schöpfung” in Anne Bruggeman (ed.), Schöpfung – Nicht verkäuflichhttps://2017.lutheranworld.org/sites/default/files/documents/DTPW-2017_Booklet_Creation.pdf

[8] ÖRK (2014) , „Wirtschaft des Lebens: Eine Einladung zu einer Theologischen Reflektion und Handlung”, https://www.oikoumene.org/en/resources/documents/wcc-programmes/public-witness-addressing-power-affirming-peace/poverty-wealth-and-ecology/economy-of-life-an-invitation-to-theological-reflection-and-action.

[9] ÖRK, WGRK, LWB und CWF (2014), “ Wirtschaft des Lebens für Alle Jetzt: Ein Ökumenischer Aktionsplan für eine Neue Internationale Finanz- und Wirtschaftsarchitektur”,