Übersetzt aus dem Englischen
Sprachendienst des ÖRK

Vorbereitungspapier Nr. 3

Die im vorliegenden Papier enthaltenen Überlegungen sollten als Anregungen für die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema und den Gedankenaustausch und nicht als bereits verabschiedete Glaubenserklärung verstanden werden. Es sind ganz bewusst Formulierungen gewählt worden, die bis zu einem gewissen Grad uneindeutig sind, um die Vielfalt der Ansätze bei den Mitgliedern der ÖRK-Kommission für Weltmission und Evangelium (CWME-Kommission), die für die Vorbereitung der Konferenz verantwortlich sind, widerzuspiegeln. Dieses dritte Papier ist von Stabsmitgliedern vorbereitet worden und basiert auf der Arbeit und den von der CWME-Kommission bzw. ihrem Planungsausschuss für die Konferenz (CPC) angenommenen Dokumenten (1).

Im Zeitalter der Globalisierung, in dem Gewalt, Fragmentierung und Ausgrenzung zunehmen, besteht die Mission der Kirche darin, die Versöhnung, Heilung und Fülle des Lebens in Christus zu empfangen, sie zu feiern, zu verkünden und an ihrer Gestaltung zu arbeiten.

Komm, Heiliger Geist, heile und versöhne

Wir rufen den Heiligen Geist an und bekennen, dass die Mission, an der wir teilhaben, nicht einfach unsere eigene Mission ist.

Es ist Gottes Mission, es ist die Sendung des dreieinigen Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erde, denn sein Wille ist es, dass alle Menschen das Leben in Fülle haben.

In Jesus Christus hat Gott das Fundament gelegt für wahre Versöhnung und Heilung, alle Feindschaft und alles Böse hat er in ihm überwunden.

Gott, der Heilige Geist, ist präsent unter uns, er ist wirksam als Heiler und Versöhner in Kirche und Welt.

Daher glauben wir, dass Gott es möglich macht,
zerbrochene Beziehungen wiederherzustellen

  • zwischen Gott und den Menschen

  • zwischen Menschen und Menschen

  • zwischen Kirchen und Kirchen

  • zwischen Völkern und Völkern

  • zwischen Menschheit und Schöpfung

* Feindschaft und Gewalt zu überwinden

Wir hoffen, daß wir immer wieder Zeichen wahrnehmen von der

Gesundheit, der Integrität und der Ganzheit des Lebens für Einzelne

  • für ganze Gemeinschaften
  • für die Menschheit
  • für die Schöpfung

Wir rufen Gott, den Heiligen Geist, an:

heile und versöhne uns,
gib uns Kraft, damit wir als Einzelne und als Gemeinschaften
Zeichen der Vergebung, des Friedens, der Gerechtigkeit und der
Einheit empfangen, selbst solche Zeichen sind und diese miteinander teilen
und der Sünde, Feindschaft, Gewalt, Ungerechtigkeit und Spaltung entsagen.

In Christus berufen, versöhnende und heilende Gemeinschaften zu sein

Im heutigen globalen Kontext vertraut Gott uns eine Botschaft des Heilens und der Versöhnung an und gibt uns den Auftrag, sie zu verkünden. Der gekreuzigte und auferstandene Christus lädt uns ein, an Gottes Mission mitzuwirken. Unsere Mission ist es, heilende Gemeinschaften zu bilden, die miteinander feiern und Zeugnis ablegen und einander Liebe, Vergebung und Respekt entgegenbringen, an Friedensinitiativen, Versöhnungsprozessen und der Heilung von Erinnerungen in der Gesellschaft mitzuwirken und Gewalt zu überwinden, wo immer das möglich ist.

Unser Sein und unsere Art des Beieinanderseins muss unsere Vision von der Versöhnung widerspiegeln.

Wir sind aufgerufen,

Orte des Schutzes und der Annahme zu schaffen und für ihre Vermehrung zu sorgen, Orte, die denen offen stehen, die stigmatisiert werden, die sich verloren fühlen, die nach Sinn, Solidarität und Gemeinschaft suchen,

und uns als Opfer und gemeinsam mit den Opfern von Gewalt und Sünde auf den Weg zu machen, der zu Versöhnung und Gerechtigkeit führt.

Versöhnung und Heilung müssen innerhalb von Gemeinschaften erfahren werden (von Mensch zu Mensch), zwischen Gemeinschaften, deren Beziehungen zerbrochen sind, und in der Beziehung der Menschheit zur Schöpfung.

Wenn wir von "Gemeinschaften" sprechen (statt von "Gemeinschaft" als Synonym für die Kirche), so wollen wir damit die Pluralität und die Vielfalt der Gemeinschaften, in denen wir leben, bestätigen.

Allgemeines Ziel und spezifische Zielsetzungen der Konferenz

Das allgemeine Ziel und die spezifischen Zielsetzungen der Konferenz sind von der CWME-Kommission angenommen und vom ÖRK-Zentralausschuss entgegengenommen worden.

ALLGEMEINES ZIEL

Die Teilnehmenden zu befähigen, ihre Berufung zur gemeinsamen Mission und Arbeit für Versöhnung und Heilung in Christus in Gottes Welt heute weiter zu erfüllen.

SPEZIFISCHE ZIELSETZUNGEN

  • Den Teilnehmenden neue Perspektiven, Energie, Mittel und Methoden zu vermitteln, damit sie den ganzheitlichen Missionsauftrag wieder mit Leben erfüllen können.

  • Der Konferenz die Möglichkeit zu geben, eine lebendige Gemeinschaft der Versöhnung und der Heilung zu werden.

  • Heilung und Versöhnung zu erfahren, die die Menschen innerlich verwandeln.

  • Geschützte/heilige Räume bereitzustellen, wo Gedanken, Theorien und Geschichten ausgetauscht werden können und wo Dialog stattfinden kann.

  • Darum zu ringen, ein Zeichen der Versöhnung und Heilung unter den Kirchen zu werden.

  • Unsere Einheit in Christus und unsere Vielfalt, die Gott uns geschenkt hat, zu feiern.

  • Den Teilnehmenden zu helfen, Versöhnung und Heilung in ihre eigenen Kirchen, Gemeinschaften und Kontexte zu bringen und dort als Multiplikatoren zu wirken.

Konferenzstil

Aus dem allgemeinen Ziel und den spezifischen Zielsetzungen geht klar hervor, dass der Konferenzstil dieses Mal anders sein wird als bei früheren Konferenzen (2). Es wird keine Arbeit in Sektionen geben (im Gegensatz zu fast allen früheren Missionskonferenzen) und es werden keine langen Berichte vorbereitet werden, die dem Konferenzplenum zur Annahme vorgelegt werden oder die es entgegennehmen soll. Der Schwerpunkt wird darauf gelegt werden, Begegnungsräume zu schaffen, in denen Erfahrungs- und Gedankenaustausch, Dialog, Debatten, Zuhören, Vorstellung von Fallstudien oder theologischen Reflexionen möglich sind. Die Teilnehmenden werden frei entscheiden können, in welchen Veranstaltungen sie aktiv mitwirken und/oder nur teilnehmen wollen - an Workshops, Andachten und Heilungsgottesdiensten, Bibelstudien oder kreativen Begegnungen.

Es wird auch Plenarveranstaltungen geben, in denen die Teilnehmenden gemeinsam beten, feiern oder besondere Beiträge vorstellen können.

Eine wichtige Rolle wird den von der CWME-Kommission als "Basisgruppen" bezeichneten Gruppen zukommen, die sich aus ca. 10-12 Personen zusammensetzen sollen. Diese Gruppen werden der Ort für biblische Meditation, Stille, Gebet und gegenseitige seelsorgerliche Unterstützung durch persönliche Gespräche, das Erzählen von Geschichten und gemeinsames Nachdenken sein.

Es wird wichtig sein, während der ganzen Konferenz die Heiligkeit der Begegnungsräume, die für Austausch und Dialog bereitgestellt werden, zu bewahren. Geplant sind die Einrichtung eines Meditationsraums, in dem die Teilnehmenden Zeiten der Stille verbringen können, sowie die Zusammenstellung eines "seelsorgerlichen Teams" von Beratern/innen, die über Kommunikations- und Beratungskompetenz verfügen müssen.

Die Konferenz wird so konzipiert sein, dass eine liturgische Dynamik entsteht, die in das tägliche Sitzungsprogramm liturgische Elemente einbindet und gleichzeitig einen Rahmen für den allgemeinen Ablauf der Konferenz bietet. Die liturgischen Elemente müssen dabei nicht einer starren Struktur folgen, sondern könnten gleichzeitig an verschiedenen Orten stattfinden und sich vom Geist führen lassen. Es könnten liturgische Elemente für die ganze Konferenz geplant werden, wie Feier, Bekenntnis, Glaubensbekenntnis usw., aber die kleineren Gruppen können die Elemente dieser liturgischen Dynamik auch über den ganzen Tag verteilt einbringen.

Vorgeschlagene liturgische Elemente:

  • Gegenseitiges Kennenlernen, Begrüßung und Feier
  • Buße/Vergebung
  • Lobpreis Gottes
  • Wort Gottes hören, Bibelarbeit und Reflexion
  • Teilen unserer Geschichten von Heilung und Versöhnung
  • Fürbitten
  • Friedenszeichen
  • Aussendung oder Beauftragung
  • Bekenntnis des Glaubens

Das Hauptergebnis wird in den Menschen zu finden sein, die durch ihre Erfahrungen verwandelt und für die Mission in ihren lokalen Gemeinden, Gemeinschaften und Kontexten motiviert und zugerüstet worden sind.

Darüber hinaus werden die Teilnehmenden eine kurze, lebendige Botschaft an alle Kirchen und Missionseinrichtungen richten, in der sie die auf der Konferenz gewonnenen unmittelbaren Eindrücke vermitteln und sich selbst auch Rechenschaft über die geleistete Arbeit geben.

Zur Dokumentation der Konferenz ist die Produktion eines Buchs oder einer CD mit Texten, Vorträgen, Fallstudien, Gebeten, Geschichten usw. geplant, die im Zusammenhang mit der Konferenz und ihrer Vorbereitung stehen. Daneben sollen missionstheologische Auswertungen der Konferenz in diese Veröffentlichung aufgenommen werden.

Vorbereitungsprozess

Die Vorbereitungsprozesse für die Konferenz werden auf der Arbeit und den Erfahrungen von Kirchen, Missionseinrichtungen, Netzwerken und Gemeinden aufbauen, die sich bereits aktiv für Versöhnung und Heilung einsetzen und über dieses Thema nachdenken.

a) Internet

Hauptinstrument für die Sammlung und Bereitstellung von Informationen und Materialien ist die Konferenzwebseite, die auf der Website des ÖRK zu diesem Thema eingerichtet wird. Fragen, Geschichten, Ideen, Reflexionen, aber auch Gedichte, Gottesdienstmaterialien und Gebete können an diese Adresse geschickt und die Meinungen darüber ausgetauscht werden. Die Mitgliedschaft von CWME sollte darum ersucht werden, auf ihren eigenen Websites einen Link zur Konferenzwebseite einzurichten und/oder auf die Konferenz und ihre thematischen Schwerpunkte zu verweisen.

b) Regionale/nationale Tagungen

Nationale Räte und der CWME angegliederte Einrichtungen (3) werden darum ersucht, besondere Tagungen auf nationaler oder regionaler Ebene zu organisieren, um über das Thema und die Konferenz-Wegweiser zu diskutieren und Erfahrungen und Gedanken miteinander auszutauschen. Unter bestimmten Bedingungen könnte es empfehlenswert sein, bereits geplante und organisierte Tagungen und Konsultationen für die Vorbereitung der Konferenz zu nutzen.

c) Große Kirchenkonferenzen

Mehrere wichtige internationale Konferenzen haben sich in jüngster Zeit mit den Themen Versöhnung und Heilung beschäftigt (4). Die gewonnenen Erkenntnisse und die Herausforderungen, die dort identifiziert worden sind, werden in den CWME-Vorbereitungsprozess eingespeist werden.

d) Veröffentlichungen

Das vorliegende Dokument ist Teil einer Reihe von Vorbereitungspapieren für die Weltmissionskonferenz 2005, die im Internet und als Druckversion veröffentlicht werden. Darüber hinaus werden stärker wissenschaftlich ausgerichtete Artikel in der International Review of Mission, Geschichten, Fallstudien und persönliche Erfahrungen auch im Ökumenischen Brief über Evangelisation und in Contact veröffentlicht, die beide online zur Verfügung stehen.

Zentrale Themen und Schwerpunkte im Blick auf Versöhnung und Heilung in der Mission

Auf unserer Reise, die uns zur Weltmissionskonferenz 2005 führen wird, wollen wir erforschen, was Versöhnung und Heilung für Missionstheorie und -praxis in unserer heutigen Zeit bedeuten. Das wird der Beitrag sein, den CWME zur Dekade zur Überwindung von Gewalt leisten wird (5). In den folgenden Abschnitten geben wir einen sehr kurzen Überblick über die missionstheologische Diskussion heute, gefolgt von Einführungen in die vier "Wegweiser", also die Themen und Schwerpunkte, denen wir in der Reflexion über die Mission, in der der Geist uns führt, zentrale Bedeutung beimessen. Es ist offensichtlich, dass diese Wegweiser sich überschneiden und daher nicht als separate Punkte behandelt werden dürfen (6).

Kurzer Überblick über den missionstheologischen Kontext heute

Nach dem Kalten Krieg hat die Weltordnung sich in Richtung auf einen einheitlichen Weltmarkt hin entwickelt, der von bestimmten gesellschaftlichen und kulturellen Phänomenen begleitet ist und allgemein mit dem Begriff Globalisierung charakterisiert wird. Die bipolare politische und wirtschaftliche Ideologie ist von einer monopolaren neoliberalen Ideologie abgelöst worden, in der der Markt weltweit zum Hauptbezugspunkt und Maßstab geworden ist, an dem alles gemessen wird - Werte, soziale Errungenschaften und sogar Menschen und Gemeinschaften. Zum Teil als Reaktion auf die Gefahr einer kulturellen Gleichschaltung durch die führenden Marktkräfte und Medien sind neue zwischen- und innerstaatliche Konfliktgebiete entstanden, die häufig einen kulturellen, ethnischen oder religiösen Hintergrund haben. Diese Entwicklungen verändern lokale und regionale politische Allianzen und führen tendenziell dazu, dass die Machtzentren westlicher Gesellschaften ihre Kontrolle über die Welt verstärken.

In diesem Kontext muss die Missionstheologie sich heute ganz bewusst an Christus orientieren, der für das Leben eingetreten ist, und Christi Dienst als Alternative und Motivation zum Widerstand gegen politische, wirtschaftliche und religiöse Tendenzen und Kräfte verstehen, die zu Unterdrückung, Entfremdung und Tod führen. Das christliche Zeugnis von der Fülle des Lebens in Christus bringt es mit sich, dass Christen und Kirchen die ganze Schöpfung als Missionsfeld ansehen. Grundlage und Rahmen der christlichen Mission müssen konsequent trinitarisch sein; christliche Mission muss von Anbeginn der Schöpfung bis zum Ende der Zeit auf dem Wirken Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, aufbauen und damit verbunden sein. Von besonderer Dringlichkeit ist es, die Rolle des Heiligen Geistes in Kirche und Welt besser zu verstehen und herauszuarbeiten, welche Auswirkungen dies auf die missionarische Praxis hat.

Versöhnung erscheint als Schlüsselbegriff, der Gottes Vergebung in Christus, den Heilsplan von Gottes eigenem Wirken und Tun in der Welt und die Vision vom eigentlichen Ziel der Mission Gottes (missio dei) beschreibt. Echte Versöhnung hat ihren Preis und kann kaum verwirklicht werden, wenn sie nicht mit Gerechtigkeit, ehrlichem Schuldeingeständnis, Feindesliebe und Vergebung einhergeht. Sie hat persönliche, gemeinschaftsbezogene, gesellschaftliche und ökologische Dimensionen. Sie setzt Heilung von vergangenen und neuen Wunden, von Ungerechtigkeit und Schuld auf persönlicher, Gemeinschafts- und gesellschaftlicher Ebene voraus.

Wegweiser

1. Identitätsprobleme in vielschichtigen und sich verändernden Kontexten

Die Art und Weise, wie kulturelle und religiöse Identität entsteht und erlebt wird, ist schnellen Veränderungen unterworfen. Durch Migration und die neue Informationsgesellschaft kommt es zu einer Mischung und Überlappung von Identitäten; Identitäten werden mit neuen Inhalten gefüllt oder suchen Sicherheit in konservativen Elementen. Das ist nicht neu, aber das Tempo der Veränderungen scheint ungeheuer zuzunehmen, insbesondere in Kulturen, die durch Säkularisierung und postmoderne Tendenzen beeinflusst werden. Die Postmoderne, die sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance darstellt, versteht Kultur nicht länger als ein homogenes Set von Traditionen, gesellschaftlichen Formen und Weltanschauungen. Kultur wird häufig als komplexer Prozess verstanden, in dem Menschen und Gemeinschaften versuchen, ihre Identität im ständigen Kontakt mit anderen Einflüssen zu finden und zu bewahren. Die meisten Kontexte sind zunehmend multikulturell und multireligiös. Kirchen in der Mission müssen daher, wenn immer möglich, die Notwendigkeit multikultureller Missionsarbeit und wachsender Zusammenarbeit mit Menschen anderer Religionen betonen. Dies macht es erforderlich, ein neues Verständnis von der Rolle des Christentums gegenüber Religion im Allgemeinen zu formulieren, und setzt ein christliches Zeugnis voraus, in dem eine kreative Spannung zwischen der Treue zu Christus und der Offenheit gegenüber anderen und dem Geist besteht. Wo immer es zu gewalttätigen Identitätskonflikten kommt, ist der Dienst der Versöhnung von besonderer Dringlichkeit (7).

2. Heilende und versöhnende kirchliche Dienste in einer Welt voller Gewalt

Wir müssen uns intensiv mit den vielfältigen Aspekten einer modernen Vision vom heilenden und versöhnenden Dienst der Kirche auseinander setzen.

Besonders müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Kirche zu ihrer Berufung zurückfindet, eine heilende Gemeinschaft und ein Raum des Schutzes und der Annahme für verletzliche Menschen zu sein. Diese Berufung schließt den traditionellen heilenden Dienst der Kirche ein, der in zweifacher Weise ausgeübt wird:

  • durch seelsorgerliche Besuche, Gebet, Salbung, besondere Heilungsliturgien und -sakramente

  • durch medizinisches Personal und Krankenhäuser.

Diese beiden Formen scheinen manchmal in Konflikt miteinander zu stehen.

Es gibt einen Unterschied zwischen körperlicher Genesung und Heilung. Alle Menschen, auch diejenigen, die "Glaubensheilungen" anstreben, wollen körperlich gesund werden. Aber es ist möglich, geheilt zu werden, selbst wenn die körperliche Gesundheit nicht wieder hergestellt werden kann. Tödliche oder chronische Krankheiten, wie z.B. HIV/AIDS, werfen die Frage auf, was ein Leben in Fülle bedeutet.

Können Menschen, die krank sind und nicht mehr auf körperliche Genesung hoffen dürfen, die Fülle des Lebens haben? Kann jemand, der im Sterben liegt, geheilt werden? Wie kann die Kirche eine Präsenz für Menschen sein, die leiden? Und inwiefern stellt sie eine Herausforderung für das medizinische Personal dar?

Gleichzeitig müssen sich die traditionellen Kirchen der Herausforderung stellen, die die pfingstlichen und charismatischen Missionskirchen mit ihren Heilungspraktiken für sie darstellen. Diese erleben Charismen, die bereits in den frühesten Zeiten christlicher Mission bekannt waren.

Theologisch gesprochen, müssen wir auch einen Dialog über unser jeweiliges Verständnis von der heilenden Gegenwart des Geistes sowie über die Beziehung zwischen Heilung und Erlösung führen; wir müssen den interkulturellen Dialog über die Bedeutung von "Gesundheit" wiederaufnehmen und uns intensiv mit der biblischen Bedeutung von Versöhnung auseinander setzen.

Der versöhnende Dienst der Kirche in einer Welt voller Gewalt

Besondere Aufmerksamkeit muss der Rolle der Kirchen in Konfliktsituationen geschenkt werden. Dabei geht es um Fragen wie Buße, Vergebung, Wiedergutmachung und Heilung der Erinnerungen. Eine kritische Auswertung der Herausforderungen, vor denen die Mission durch die Rolle von Christen und Kirchen in ethnischen Konflikten der jüngeren Zeit gestellt worden ist, steht noch aus (8).

3. Suche nach alternativen Gemeinschaften in einer globalisierten Welt

Das Engagement für alternative Gemeinschaften ist Ausdruck der christlichen Hoffnung, dass eine andere Welt möglich ist. Es ist eine Widerstandsbewegung gegen die Vermarktung aller Aspekte des Lebens (einschließlich Schöpfung, Kultur und Religion), ein Kampf um die Schaffung und Ausweitung oder zumindest um die Bewahrung von Räumen, in denen gerechte und bestandfähige menschliche Beziehungen möglich sind.

Der Begriff "alternativ" ist von wesentlicher Bedeutung und bezieht sich auf alternative Werte, Beziehungen und Identitäten. Nach den Regeln des Marktes sind die Besseren, die Stärkeren, die Kreativeren die Gewinner. Das Evangelium hingegen empfängt seine Prioritäten aus der Gnade Gottes und wendet sich den vermeintlichen "Verlierern", den Kleinen, den Gedemütigten, den Ausgegrenzten, den Armen zu. Das Wort "alternativ" bringt zum Ausdruck, dass mit der Welt etwas nicht stimmt, dass ein Urteil über sie gesprochen wird. Wenn wir von "alternativen" Gemeinschaften sprechen, dann meinen wir integrative Gemeinschaften. Das Evangelium der Versöhnung bedeutet in seinem Kern, dass Gemeinschaften niemanden - weder aus rassistischen noch aus wirtschaftlichen, spirituellen oder anderen Gründen - ausschließen.

Es gibt mehrere Traditionen, die hinter der Verbreitung des Begriffes "alternativ" stehen: christliche Basisgemeinschaften, Ordens- oder ordensähnliche Gemeinschaften (wie z.B. Iona), viele Ortsgemeinden, die Netzwerke von "Evangelium und Kulturen", missionarische Gemeinden der römisch-katholischen Kirche, die Netzwerke des "Kirchlichen Dienstes in städtischen und ländlichen Gebieten" und u. a. auch partnerschaftlich arbeitende Einrichtungen, die gemeinsame Missionsstrukturen aufgebaut haben.

Wenn wir von Versöhnung und Heilung sprechen, so impliziert das, dass wir permanent nach neuen Wegen suchen, wie wir verstärkt Solidarität mit alternativen Gemeinschaften, insbesondere unter den Armen und den Opfern des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, üben können. Auf diese Art und Weise können wir Zeugnis von unserer Hoffnung und unserer Vision von einer anderen Welt geben (9).

4. Eine missionarische und evangelisierende Kirche sein

Die Botschaft von der Versöhnung in Christus muss darüber hinaus auch überall verkündet werden (2 Kor 5, 18-20). CWME sollte in der Lage sein, klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass es wichtig ist, das Evangelium in geeigneter Weise mit allen Menschen zu teilen, insbesondere denjenigen, die es noch nicht gehört haben. Wenn die Kirchen allerdings nicht miteinander versöhnt sind, dann können sie ihrer Berufung nicht treu sein (Joh 17, 20-23) und ihr Zeugnis verliert seine Glaubwürdigkeit. Die Sehnsucht und die Suche nach Einheit stehen im Mittelpunkt der ökumenischen Vision von der Mission. Als erste Schritte auf dem Weg zur Versöhnung müssen Anstrengungen zum gemeinsamen Zeugnis unternommen werden. Wir müssen gegen Tendenzen der Konfessionalisierung und des aggressiven Wettbewerbs in der Missionsarbeit (Proselytismus) ankämpfen und den Vorrang der lokalen Kirche anerkennen.

Es ist dringend notwendig, dass wir die ökumenische Position zum Stellenwert und zur Rolle der Evangelisation in einer ganzheitlichen Missionstheologie klar herausarbeiten. Dies setzt eine positive Wertung der großen Vielfalt von Evangelisationstheologien und -praktiken voraus. Viele historische Kirchen haben die Fähigkeit verloren, das Evangelium so voller Leidenschaft zu verkünden, dass es die Gesellschaft, in der sie leben, und insbesondere die Menschen in postmodernen Kontexten direkt anspricht und sinnstiftend wirkt. Kirchen, die aktive Evangelisationsarbeit leisten sollten, beschränken sich darauf zu reagieren, wenn sie sich von aggressiven Evangelisten bedroht fühlen. Sie fühlen sich von Pfingst- und evangelikalen Kirchen, die zu den dynamischsten Kräften in der Mission gehören, eher in Frage gestellt, statt sie als Antriebskräfte für spirituelle Erneuerung zu verstehen. Spirituelle Erneuerung ist jedoch wesentlich, da sich die Menschen vielerorts nach Spiritualität sehnen. Vielleicht könnte die von Raymond Fung vorgeschlagene "ökumenische Strategie für eine von der Gemeinde ausgehende Evangelisation" mit ihren drei Pfeilern - Partnerschaft, Gottesdienst und Nachfolge - Fortschritte auf diesem Gebiet ermöglichen. Christen und kirchliche Gemeinschaften auf lokaler Ebene sind aufgerufen, sich mit Nachbargemeinschaften für ein Leben in Würde und Gerechtigkeit einzusetzen, ihr Engagement durch regelmäßiges Gottesdienstleben zu stärken und, wenn immer dies angebracht scheint, Menschen ganz persönlich zur Nachfolge Christi einzuladen. Eine solche Strategie versucht, die Trennung zwischen dem Engagement für soziale Gerechtigkeit und Evangelisationsarbeit zu überwinden und das Zeugnis vom Evangelium in Leben und Praxis einer heilenden und versöhnenden Gemeinschaft zu verankern (10).

Anmerkungen

1

Die erwähnte Uneindeutigkeit gilt im vorliegenden Text auch für das Wort "wir". Je nach Quelle, die die Stabsmitglieder für die verschiedenen Absätze herangezogen haben, kann "wir" sich auf die Mitglieder der CWME-Kommission oder des Planungsausschusses für die Konferenz beziehen. Mit "wir" können jedoch auch alle Christen gemeint sein, die diese Formulierungen, Verpflichtungen und Hoffnungen akzeptieren und teilen. Wir - die wir diesen Text vorbereitet haben - ermutigen Sie - die ihn lesen -, sich angesprochen zu fühlen, wenn Sie dies möchten.

Wir verwenden die Begriffe Mission und Evangelisation so, wie sie in dem unlängst von der CWME-Kommission angenommenen Studiendokument "Mission und Evangelisation in Einheit heute" definiert worden sind. Dieses Studiendokument ist auch als Vorbereitungspapier Nr. 1 für die CWME-Konferenz 2005 veröffentlicht worden.

"Mission" hat eine ganzheitliche Bedeutung: die Verkündigung und das

Miteinanderteilen der Frohen Botschaft des Evangeliums durch Wort (kerygma), Tat

(diakonia), Gebet und Gottesdienst (leiturgia) und das alltägliche Zeugnis des christlichen

Lebens (martyria); Lehre als Aufbau und Stärkung der Menschen in ihrer Beziehung zu

Gott und zueinander und Heilung als Ganzheit und Versöhnung zu koinonia —

Gemeinschaft mit Gott, Gemein­schaft mit Menschen und Gemeinschaft mit der

Schöpfung als Ganzer.

"Evangelisation" schließt diese verschiedenen Dimensionen der Mission nicht aus, doch

der Schwerpunkt liegt hier auf der ausdrücklichen und absichtsvollen Bezeugung des

Evangeli­ums, darunter die Einladung zur persönlichen Umkehr zu einem neuen Leben in

Christus und zur Nachfolge.

2

Einen zusammenfassender Überblick über die bisherigen Weltmissionskonferenzen, die zuerst vom Internationalen Missionsrat und später vom Ökumenischen Rat der Kirchen abgehalten worden sind, finden Sie auf der ÖRK-Website (unter "Mission und Evangelisation" oder "Weltmissionskonferenz").

3

Die "der CWME angegliederten Einrichtungen" sind Missions- oder Kirchenräte, die der CWME-Konferenz gemäß ihrer Satzung angegliedert sind. Gegenwärtig gibt es mehr als 50 solcher Einrichtungen, die in vielen Ländern und Kontinenten des Nordens und des Südens angesiedelt sind. Viele von ihnen waren ursprünglich Mitglieder des Internationalen Missionsrats, bis dieser sich 1961 mit dem ÖRK zusammenschloss. Die CWME-Kommission billigt regelmäßig die Angliederung neuer Einrichtungen.

4

Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), 25. Juni-2. Juli 2003, Trondheim, Norwegen: Jesus Christus heilt und versöhnt - unser Zeugnis in Europa.

Lutherischer Weltbund (LWB), 21.-31. Juli 2003, Winnipeg, Kanada: Zur Heilung der Welt.

Reformierter Weltbund (RWB), 30. Juli-14. August 2004, Accra, Ghana: Auf dass alle das Leben in Fülle haben.

5

Die "Dekade zur Überwindung von Gewalt - Kirchen für Versöhnung und Frieden" wurde auf der Vollversammlung des ÖRK 1998 in Harare beschlossen und 2001 offiziell in Berlin eröffnet. Vier Themenbereiche sind als Arbeitsschwerpunkte benannt worden: Geist und Logik der Gewalt, Gebrauch, Missbrauch und falscher Gebrauch von Macht; die Frage der Gerechtigkeit; religiöse Identität und Pluralität. Vgl. Webseite der Dekade: www.wcc-coe.org/dov

An dieser Stelle wollen wir nur auf folgende Hintergrundmaterialien hinweisen:

*Warum Gewalt? Warum nicht Frieden? Eine Arbeitshilfe, die Einzelnen und Gruppen in den Kirchen helfen soll, über die Dekade zur Überwindung von Gewalt nachzudenken und Initiativen zu ergreifen. ÖRK, Genf 2002.

*Margot Käßmann: Gewalt überwinden. Ein Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen, Lutherisches Verlagshaus, Hannover 2001.

6

Wie bereits erwähnt, wird dies nicht dazu führen, dass auf der Konferenz selbst in vier thematischen Sektionen gearbeitet werden wird. Die "Wegweiser" sollen Reflexion und Erfahrungsaustausch über das Thema der Konferenz ermöglichen.

7

Jedem Absatz wird eine kurze Liste ausgewählter Materialien beigefügt, die der ÖRK veröffentlicht hat. Umfassendere bibliographische Angaben finden Sie auf der Webseite der Konferenz. Siehe ÖRK-Website: www.wcc-coe.org

Allgemeine Einführung: "Toward the Fullness of Life", Sonderausgabe der International Review of Mission (IRM), Oktober 2002. Enthält Beiträge zu den Themen Identität und Pluralität, Heilung und HIV/AIDS und interkontinentale Partnerschaften.

Evangelium und Kulturen:

*Zu einer Hoffnung berufen. Das Evangelium in verschiedenen Kulturen. Berichtsband zur 11. Konferenz für Weltmission und Evangelisation in Salvador da Bahía. Hrsg. i.A. des Ev. Missionswerks von Klaus Schäfer, Verlag O. Lembeck, Frankfurt/Main, 1999.

*Veröffentlichungsreihe "Gospel and Cultures pamphlets" im Vorfeld der Konferenz in Salvador da Bahía.

*"Mission in secular and postmodern contexts" I und II, IRM, Januar und April 2003.

Multikultureller Dienst:

*Seongja Yoo-Crowe und Colville Crowe (Hrsg.): Reports from the First and the Second International Network Forum on Multicultural Ministry. Sydney, Unionskirche und INFORM, 2000 und 2002.

*"Open Space: African Christian Diaspora in Europe and the Quest for Human Community", IRM-Sonderausgabe, Juli 2000.

Religiöse Pluralität und interreligiöse Beziehungen

*Ökumenische Erwägungen zum Dialog und zu den Beziehungen mit Menschen anderer Religionen. 30 Jahre Dialog und überarbeitete Leitlinien. ÖRK, Genf 2003.

8

Ausgewählte vom ÖRK veröffentlichte Materialien:

Heilung

*Health, Faith and Healing". Doppelausgabe der International Review of Mission (IRM), Jan./April 2001.

*AIDS und die Kirchen. Eine Studie des Ökumenischen Rates der Kirchen, Verlag O. Lembeck, Frankfurt/Main, 1997.

*Karin Granberg-Michaelson, Healing Community, ÖRK 1991.

*Healing and Wholeness. The churches' role in health. Bericht über eine Studie der Christlichen Gesundheitskommission, ÖRK, Genf 1990.

Zahlreiche weitere Dokumente sind verfügbar, speziell zum Thema AIDS. Bitte schauen Sie auf der ÖRK-Website nach oder erkundigen Sie sich beim ÖRK-Gesundheitsprogramm oder im Koordinierungsbüro der Ökumenischen HIV/AIDS-Initiative in Afrika.

Versöhnung

*Vorbereitungspapier für die CWME-Konferenz Nr. 2: Arbeitsbogen zur gesellschaftlichen Versöhnung

*Geneviève Jacques, Beyond Impunity. An Ecumenical Approach to Truth, Justice and Reconciliation, ÖRK, Genf 2000

*Philip Lee (Hrsg.), Communication & Reconciliation. Challenges facing the 21st century, ÖRK, Genf 1991

9

Ausgewählte vom ÖRK veröffentlichte Materialien:

*Kirche aller. Eine vorläufige Erklärung, vorbereitet vom Netzwerk der ökumenischen Anwaltschaft für behinderte Menschen (EDAN) in Zusammenarbeit mit Glauben und Kirchenverfassung und entgegengenommen vom ÖRK-Zentralausschuss, ÖRK 2003

*Ian M. Fraser, Many Cells, One Body. Stories from small Christian Communities, ÖRK, Genf 2003

*Jim Forest, The Resurrection of the Church in Albania. Voices of Orthodox Christian, ÖRK 2002

*Lothar Bauerochse, Miteinander leben lernen. Zwischenkirchliche Partnerschaften als ökumenische Lerngemeinschaften, Verlag der Ev.-Luth. Mission Erlangen, 1996.

*Hugh Lewin, A Community of Clowns. Testimonies of people in Urban Rural Mission, ÖRK 1987

10

Ausgewählte vom ÖRK veröffentlichte Materialien:

*Raymond Fung, The Isaiah Vision. An Ecumenical Strategy for Congregational Evangelism, ÖRK 1992, Neuauflage 2002

*Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Zeugnis. Ein Aufruf zu verantwortlichen Beziehungen in der Mission und zu einer Absage an den Proselytismus. Dokument des Zentralausschusses 1997 zur Weiterleitung an die Kirchen

*Raymond Fung und Georges Lemopoulos (Hrsg.), Not A Solitary Way. Evangelism stories from around the World, ÖRK 1992

*Raymond Fung (Hrsg.), Evangelistically Yours. Ecumenical Letters on Contemporary Evangelism, ÖRK 1992

Oktober 2003