Rede Seiner Allheiligkeit, des Ökumenischen Patriarchs Bartholomäus

vor dem Ökumenische Rat der Kirchen

24. April 2017

 

Sehr geehrter Pastor Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen,

Eure Eminenzen und Exzellenzen,

verehrte Vertreterinnen und Vertreter internationaler Institutionen,

meine Damen und Herren,

 

Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! ” (Ps 133,1). Es sind genau die gleichen und besonderen Gefühle, wie sie der Psalmist beschreibt, mit denen wir erneut die Zentrale des Ökumenischen Rates der Kirchen besuchen. Jeder unserer Besuche hier seit unserer Wahl zum Ökumenischen Patriarchen vor 25 Jahren, aber auch schon zu früheren Zeiten, war ein besonderes Ereignis, an das wir uns gerne erinnern. Für uns persönlich, aber auch für die Kirche insgesamt, ist der Ökumenische Rat der Kirchen kein fremder, sonder ein sehr vertrauter Ort. In der Tat rief das Ökumenische Patriarchat vor fast einem Jahrhundert alle  christlichen Kirchen überall” zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen auf und wurde damit 1948 eines seiner Gründungsmitglieder. Seither ist unsere Kirche ein aktives Mitglied des Rates und seiner Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Seit 1955 unterhält das Ökumenische Patriarchat eine ständige Delegation als Zeichen der beständigen Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen und der ökumenischen Bewegung.  Die ständigen Vertreter des Ökumenischen Patriarchats waren bisher Bischof Iakovos von Melita (Malta) (später Erzbischof von Nord- und Südamerika) und Metropolit Emilianos Timiadis seligen Gedenkens sowie als Grand Protopresbyter des Ökumenischen Throns Georges Tsetsis, Archimandrit Benediktos Ioannou, Archon George Lemopoulos, früherer stellvertretender ÖRK-Generalsekretär, und zurzeit Erzbischof Hiob von Telmessos.

Auf einer persönlicheren Ebene haben wir seit unseren Anfangszeiten und besonders von unserem Vorgänger, dem Ökumenischen Patriarchen Arthenagoras seligen Gedenkens, gelernt, wie wichtig Begegnungen mit anderen christlichen Gläubigen sind. Er hat das oft in folgende Worte gefasst:  Kommt, lasst uns einander in die Augen schauen und dann sehen, was wir uns einander zu sagen haben.” Er ist derjenige, der uns die Augen für unsere grosse ökumenische Familie geöffnet hat. Durch ihn inspiriert, haben wir beschlossen, uns am Ökumenischen Institut in Bossey für  weiterführende Studien einzuschreiben. Das Institut hat im vergangenen Jahr sein 70. Jubiläum gefeiert, und wir konnten dort außergewöhnliche Erfahrungen sammeln, die für unseren Dienst sehr nützlich waren.  1975 waren wir als stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Glauben und Kirchverfassung tätig. Damals entstand der allseits bekannte theologische Konsenstext Taufe, Eucharistie und Amt, der bis heute ein wichtiges Referenzdokument ist. Einige Monate vor unserer Wahl auf den ökumenischen Thron 1991 wurden wir Mitglied des Zentralausschusses und des Exekutivausschusses des ÖRK. Dies geschah im Rahmen der 7. Vollversammlung in Canberra unter dem Thema „Komm, Heiliger Geist - erneuere die ganze Schöpfung”

 

1. Als sich Ihr Zentralausschuss im Juni in Trondheim getroffen hat, fand auch das Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche auf der Insel Kreta statt. Die Vorbereitungen für das Konzil nahmen mehr als ein halbes Jahrhundert in Anspruch, daran teilgenommen haben ohne Ausnahme alle orthodoxen Ortskirchen. Mit Gottes Segen haben wir das Konzil in einstimmiger Entscheidung aller Primasse der orthodoxen Ortskirchen einberufen, getroffen auf der Synaxis im Januar 2016 hier in Chambésy. Die Einberufung des Heiligen und Großen Konzils der Orthodoxen Kirche war aus mehreren Gründen erforderlich.

Erstens weil für uns als Orthodoxe die Synodalität gleichbedeutend ist mit dem Ausdruck und der Demonstration des Mysteriums der Kirche selbst. „Sich an einem Ort versammeln” beinhaltet das, was Kirche ausmacht. Nur unüberwindbare historische Umstände können die Untätigkeit der synodalen Institution auf allen Ebenen einschließlich der globalen Ebene rechtfertigen. Die Orthodoxe Kirche hat solche Umstände in den vergangenen Jahren ständig erlebt und deshalb die Einberufung eines panorthodoxen Konzils über eine lange Zeit hinausgezögert. In diesem Sinne war die Durchführung des Heiligen und Großen Konzils ein Erfolg in sich selbst.

Zweitens war seine Einberufung auch durch die Erfordernis vorgegeben, interne Angelegenheiten der Orthodoxen Kirche zu regeln. Diese Angelegenheiten waren in erster Linie das Ergebnis des Systems kanonischer Strukturen innerhalb unserer Kirche, die aus zahlreichen autokephalen Kirchen besteht. Diese wiederum regeln ihre eigenen Angelegenheiten durch ihre eigenen Entscheidungen. Dies wiederum erschwert manchmal das Zeugnis der Kirche „mit einem Mund und einem Herzen” in der modernen Welt und führt zu Verwirrung und Konflikten, die das Bild der Kircheneinheit beschädigen. Das System der Autokephalie hat seine Wurzeln in der Frühkirche in Form der fünf alten Patriarchate, nämlich Rom, Antiochia, Alexandria, Jerusalem und Konstantinopel, auch bekannt als Pentarchie. Deren Ranggleichheit war der Inbegriff der Einheit der Kirche, die in den Konzilien zum Ausdruck kam. Während diese Struktur in unseren Augen kanonisch und ekklesiologisch korrekt ist, bleibt in unseren Augen doch die Gefahr ihrer Umwandlung in eine Art „Föderation der Kirchen,” – wie sie oft von außen wahrgenommen wird. In einem solchen Fall setzt sich jede der Kirchen für ihre eigenen Interessen und Ambitionen ein, die nicht immer rein ekklesiastischer Natur sind, und dies macht die Anwendung der Synodalität erforderlich. Die Verkümmerung der synodalen Institution auf panorthodoxer Ebene trägt zur Entstehung eines Gefühls der Autarkie innerhalb der einzelnen Kirchen bei und führt wiederum zu introspektiven und selbstsüchtigen Tendenzen. Ist das synodale System im Leben der Kirche schon generell zwingend erforderlich, so wird es durch das System der Autokephalie noch obligatorischer, um ihre Einheit zu schützen und darzustellen.

Ein dritter Grund für die Einberufung des Heiligen und Großen Konzils ist in den neuen Herausforderungen zu sehen, die sich seit einigen Jahren abzeichnen und die die Vorgabe einer gemeinsamen Richtung und eines gemeinsamen Standpunktes der einzelnen orthodoxen Kirchen erforderlich gemacht haben. So hat zum Beispiel die Emigration aus orthodoxen Regionen in westliche Länder zum Entstehen einer so genannten orthodoxen „Diaspora” geführt, die besonderer seelsorgerischer Initiativen bedarf. Dies hat zu der bekannten und nicht strikt kanonischen Situation geführt, dass mehr als ein Bischof in ein und derselben Stadt oder Region existiert; für viele Menschen innerhalb und außerhalb der orthodoxen Kirche ist das ein Skandal. Dieses Problem hätte sich ohne eine panorthodoxe Konzilsentscheidung nicht lösen lassen.

Schließlich musste die Beteiligung der Orthodoxen Kirchen an den Initiativen zur Aussöhnung und Einheit aller Christinnen und Christen durch die so genannte „ökumenische Bewegung”, die bisher aufgrund der Entscheidungen entweder einzelner autokephaler Kirchen oder panorthodoxer Konferenzen erfolgten, im Rahmen eines Konzils bestätigt werden als authentische Art und Weise, einen einheitlichen Standpunkt der Orthodoxen Kirche zu formulieren.

Wir Orthodoxen glauben fest daran, dass das Ziel und die 'raison d’être' der ökumenischen Bewegung und des Ökumenischen Rates der Kirchen darin besteht, das letzte Gebet Jesu am Kreuz zu erfüllen, dass „sie alle eins seien” (Joh 17,21), so wie wir es hier im ÖRK auf dem großen Gobelin in der Halle sehen. Aus diesem Grund hat das Heilige und Große Konzil darauf hingewiesen, dass „die Mitwirkung der Orthodoxen in der Bewegung für die Wiederherstellung der Einheit mit anderen Christen in der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche in keiner Weise der Natur und Geschichte der Orthodoxen Kirche fremd ist; es ist dies der Ausdruck des apostolischen Glaubens und der Überlieferung in neuen historischen Umständen.” (Beziehungen der Orthodoxen Kirche zur übrigen christlichen Welt, 4). Das Heilige und Große Konzil hat ebenfalls anerkannt, dass „eines der wichtigsten Organe in der Geschichte der ökumenischen Bewegung der Weltkirchenrat ist.” (Beziehungen, 16). Im Hinblick auf die unterschiedlichen Aktivitäten des ÖRK hat das Heilige und Große Konzil bestätigt, dass „die Orthodoxe Kirche die Arbeit der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung zu unterstützen wünscht und mit besonderem Interesse ihren theologischen Beitrag bis zum heutigen Tage verfolgt. Aufs Ganze gesehen bewertet sie die Dokumente theologischen Charakters positiv, die von der Kommission unter Mitwirkung einer ganzen Reihe orthodoxer Theologen erarbeitet worden sind als eine wichtige Etappe im Prozess der Annäherung der Christen” (Beziehungen, 21). Wir erachten diese konziliare Bewertung des Beitrags des ÖRK zu der Suche nach christlicher Einheit als äußerst positiv, sie sollte die Weiterführung der Arbeit des ÖRK, der seit fast 70 Jahren besteht, weiter inspirieren.

Darüber hinaus hat die Orthodoxe Kirche mit der synodalen Stimme ihres Heiligen und Großen Konzils wiederholt, dass sie „immer großen Wert auf den Dialog und besonders auf den Dialog mit nicht-orthodoxen Christen gelegt hat” (Enzyklika, 20), und dass aus diesem Grund „ jeglicher Versuch, die Einheit der Kirche zu zerstören, der von einzelnen Personen oder Gruppen unter dem Vorwand einer irgendwie gearteten Bewahrung oder Verteidigung der wahren Orthodoxie unternommen wird, zu verurteilen ist” (Beziehungen, 22).

 

2. Die Dialogbereitschaft, die die Orthodoxe Kirche zeigt, beschränkt sich nicht nur auf die ökumenische Bewegung, sondern ist auch innerhalb der modernen Gesellschaft und Wissenschaft erforderlich. Das Heilige und Große Konzil weist in seiner Enzyklika darauf hin, dass, „sich unser Leben durch die heutige Entwicklung von Wissenschaft und Technologie radikal verändert … Die Gefahren sind die Manipulation der menschlichen Freiheit, die Reduzierung des Menschen als Mittel zum Zweck, der schleichende Verlust wertvoller Traditionen und die Bedrohung oder sogar Zerstörung unserer Umwelt” (Enzyklika, 11).

Das Ökumenische Patriarchat hat immer Pionierarbeit geleistet, wenn es um den Dialog mit der modernen Wissenschaft über Umweltthemen ging. 1989 hat unser Vorgänger, der Ökumenische Patriarch Dimitrios, die erste Enzyklika zu diesem Thema gesandt und den ersten Tag im September zum Gebetstag für die Bewahrung der Schöpfung festgelegt. Wir freuen uns, dass der ÖRK mit uns diesen Weg geht und nicht nur diesen Gebetstag eingeführt hat, sondern auch die Selbstverpflichtung der Kirchen ernst nimmt, etwas gegen die Umweltkrise zu unternehmen. Wir Orthodoxen wurden auf unserem Heiligen und Großen Konzil daran erinnert, dass „die Wurzeln der ökologischen Krise spiritueller und ethischer Natur sind und jedem Menschen innewohnen” (Enzyklika, 14).

Zu mehreren Anlässen haben wir darauf hingewiesen, dass eine Sünde gegen die Schöpfung eine Sünde gegen Gott ist. Wie für jede Sünde, müssen wir auch für Sünden gegen die Schöpfung Buße tun. Das Heilige und Große Konzil hat nachdrücklich darauf hingewiesen, dass „der Ansatz zur Lösung des ökologischen Problems auf der Basis der Prinzipien der christlichen Tradition nicht nur Buße für die Sünde der Ausbeutung natürlicher Ressourcen des Planeten in Form einer radikalen Veränderung unserer Mentalität und unseres Verhaltens bedeutet, sondern ebenfalls Askese als Gegenentwurf zu Konsumerismus, Bedürfnisvergötterung und Habgier” (Enzyklika, 14). Wahre Buße beinhaltet einen Gesinnungswandel, eine radikale Änderung unserer Einstellung. Die Umweltkrise erfordert konkrete Maßnahmen von jedem Einzelnen von uns.

Zu mehreren Anlässen haben wir darauf hingewiesen, dass es der Kirche nicht nur allein um die Rettung der Seele gehen kann, sondern dass sie auch in tiefer Sorge um die Transformation Gottes gesamter Schöpfung ist. Aus diesem Grund müssen unsere Kirchen ständig wachsam sein, sich informieren und sich weiterbilden, um den Zusammenhang zwischen der heutigen ökologischen Krise und menschlichen Lastern wie Gier, Materialismus, Selbstbezogenheit und Raffsucht als Wegbereiter und Ursache der aktuellen Krise zu erkennen, mit der wir konfrontiert sind. Was deshalb eine Bedrohung der Natur ist, ist ebenfalls eine Bedrohung der Menschheit; was der Rettung des Planeten dient, dient auch de Rettung der ganzen Welt. Aus diesem Grund fordern wir jeden Einzelnen auf, alle seine Ressourcen für den Kampf zum Schutz unserer Umwelt zu mobilisieren und für ihren Erhalt zu beten.

Unter der Vielzahl der Umweltthemen muss der Wasserversorgung ein hoher Stellenwert zuerkannt werden, denn Wasser spendet Leben und ist heilig als das Blut, das durch unseren Körper fließt.  Wasser ist ein Gemeinschaftsgut. Es gehört nicht einem einzelnen Menschen oder einem Industrieunternehmen, sondern ist das unverletzliche und nicht verhandelbare Recht jedes Menschen. Deshalb können wir die wirtschaftliche Nutzung von Wasser durch Unternehmen, die Wasser an Menschen verkaufen, die das Geld dafür haben, nicht als ethisches Verhalten bezeichnen. Abgesehen von diesem grundsätzlichen ethischen Problem verschmutzt die Wasserwirtschaft oft die Umwelt mit den Plastikflaschen, in denen sie Wasser verkauft. Umweltstudien weisen bereits heute auf die alarmierende Tatsache hin, dass die Ozeane bis zum Jahre 2050 mehr Plastik als Fisch enthalten werden. Die Verschmutzung durch Kunststoffe wird zu einem Thema der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit. Aus diesem Grund sollten wir Kunststoffe vermeiden und in unserem Alltagsleben auf andere Alternativen ausweichen.

Leider wird zugängliches Trinkwasser auf unserer Erde immer knapper. Das ist nicht nur in armen Ländern in Afrika oder in Indien ein Problem, sondern wird aufgrund der Wasserverschmutzung auch in wasserreichen Ländern zu einem Thema. Wasser zu einem Bestandteil der Marktwirtschaft zu machen und es wie Öl und Gas zu verkaufen, ist keine Lösung der Krise. Der fehlende Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung ist der größte Verstoß gegen die Menschenrechte in heutiger Zeit. Wir wissen, dass gegenwärtig fast 1 Milliarde Menschen auf der Erde keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, und dass 2,5 Milliarden Menschen keine sanitäre Versorgung haben. Wenn wir nicht erkennen, dass es eine Gefahr und vielleicht sogar eine Sünde ist, die natürlichen Ressourcen des Planeten nicht mit allen Menschen zu teilen, werden wir unausweichlich ernsthafte Probleme und Konflikte heraufbeschwören. Bei der Nachhaltigkeit geht es nicht nur um vernünftige Technologie und gutes Wirtschaften. Nachhaltigkeit ist eine Möglichkeit für ein friedliches Zusammenleben.

Aus diesem Grund beglückwünschen wir den ÖRK zu seiner Mitgliedschaft in der Blue Community, einem Projekt der Organisation Council of Canadians.  Das Blue Community Project ruft die Gemeinschaften auf, Wasser als Gemeinschaftsgut und Menschenrecht anzusehen, den Verkauf von Flaschenwasser in öffentlichen Einrichtungen und auf öffentlichen Veranstaltungen zu verbieten und eine öffentlich finanzierte, betriebene und kontrollierte Wasser- und Abwasserwirtschaft zu fördern. Durch die Mitgliedschaft in der Blue Community sensibilisiert der ÖRK nicht nur seine Mitgliedskirchen, sondern die Gesellschaft insgesamt für die Forderung, dass Wassergerechtigkeit nur durch einen ethischen Umgang mit Wasser als Geschenk Gottes hergestellt werden kann, das auch allen zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen muss.

Die Wasserverschmutzung durch Plastik, die Luftverschmutzung und der Klimawandel sind eng miteinander verbundene globale Notfälle. Sie sind die Folge unserer Ignoranz gegenüber der Heiligkeit der Schöpfung. Sie sind ebenfalls die verheerenden Ergebnisse der Industrialisierung und der menschlichen Gier. Die Umweltkrise kann nicht ohne ein gründliches Umsteuern des menschlichen Handelns gelöst werden. In diesem Sinn ist die Ökologie untrennbar mit der Ökonomie verbunden. Eine Gesellschaft, die sich nicht um das Wohlergehen aller Menschen kümmert, ist eine Gesellschaft, die Gottes Schöpfung misshandelt. Das ist Blasphemie. Aus diesem Grund besteht die ökologische Herausforderung unserer Kirchen darin, die Welt wachzurütteln und auf die unumkehrbare Zerstörung der Schöpfung Gottes infolge menschlichen  sündhaften Handelns hinzuweisen. Die Aufgabe einer ökologischen Erziehung und Bildung ist nicht nur ein Problem unserer Staaten, sondern sollte auch ein Problem unserer Kirchen sein.

Seit der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls im Jahre 1997, das die globale Erwärmung bekämpfen sollte, konnte dieses Problem jedoch immer noch nicht gelöst werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse, unterstützt durch Statistiken und Klimamodelle sowie konkrete Beobachtungen von Landwirten indigenen Völkern und Küstenanrainern haben bestätigt, dass der Klimawandel menschengemacht ist und dass dieser Wandel katastrophale Folgen für das Leben auf diesem Planeten haben wird. Trotzdem sind wir nach wie vor nicht in der Lage, die unvermeidbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die sich abzeichnenden und bereits spürbaren furchtbaren Entwicklungen zu stoppen.

Das Ökumenische Patriarchat ist für die Thematik des Klimawandels besonders sensibilisiert. Aus diesem Grund haben wir den nachdrücklichen Aufruf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris (COP21) im Jahre 2015 unterstützt. In unserer Botschaft an den 22. Weltklimagipfel, der im November des vergangenen Jahres in Marrakesch stattgefunden hat, haben wir darauf hingewiesen, dass sich die Staats- und Regierungschefs und die Wissenschaft weltweit seit dem Erdgipfel 1992 in Rio grundsätzlich der Probleme des weltweiten Klimawandels bewusst sind und endlose Konsultationen und hochrangige Gespräche darüber geführt haben, obwohl hier praktische Maßnahmen und konkrete Aktionen erforderlich wären.   Und wir wissen sehr genau, wie diese Maßnahmen und Aktionen aussehen sollten. Welchen Preis für den Profit wollen wir zahlen? Oder wie viele Leben sind wir bereit, für den materiellen und finanziellen Gewinn zu opfern? Und welche Kosten hätten wir zu tragen, wenn wir das Überleben der Schöpfung Gottes verhindern oder verwirken? Wir bitten mit unserem demütigen, aber auch mutigen Gebet, dass alle weltweit führenden Institutionen und die Politik erkennen, was beim Klimawandel auf dem Spiel steht, und entsprechend handeln. Eine Möglichkeit wäre, das COP21-Abkommen von  Paris ohne weitere Verzögerung umzusetzen.

 

3. Solange wir uns nicht alle in unseren Einstellungen und Handlungen, unseren Beratungen und Entscheidungen der Tatsache bewusst sind, dass es um unsere eigenen Kinder und um heutige und zukünftige Generationen geht, werden wir fortfahren, die Entwicklung von  Lösungen hinauszuzögern und zu verschieben und die Durchführung konkreter Maßnahmen zu verhindern oder einzuschränken. In unserer patriarchalischen Weihnachtsbotschaft 2016 haben wir uns mit den heutigen Bedrohungen für unsere Kinder befasst und 2017 zum „Jahr des Schutzes der Heiligkeit der Kindheit” ausgerufen. In dieser Botschaft haben wir alle Menschen guten Willens aufgefordert, „das Wesen und die Heiligkeit der Kindheit zur respektieren,” besonders „angesichts der weltweiten Flüchtlingskrise, die vor allem die Rechte der Kinder verletzt, angesichts der nicht hinzunehmenden Kindersterblichkeit, des Hungers, der Kinderarbeit, der körperlichen Misshandlungen und der seelischen Gewalt, aber auch wegen der Gefährdung der kindlichen Seele durch den Einfluss elektronischer Kommunikationsmedien und den Konsumterror.

Wir möchten an dieser Stelle den ÖRK zu seinem diesjährigen neuen Sonderprogramm Verpflichtung der Kirchen gegenüber Kindern beglückwünschen, das sich den Schutz der Kinder durch kirchliche Gemeinschaften, der Förderung einer sinnvollen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am Kirchenleben sowie der kindergerechten Vermittlung kritischer Themen wie der Umweltproblematik verschrieben hat. In dieser Hinsicht erinnert uns das Heilige und Große Konzil daran, dass „die Kirche jungen Menschen nicht nur einfach 'Hilfe', sondern auch 'Wahrheit' bietet, die Wahrheit des neuen göttlich-menschlichen Lebens in Christus,” und weist darauf hin, dass „junge Menschen nicht nur einfach die 'Zukunft' der Kirche sind, sondern auch der aktive Ausdruck ihres Gott und den Menschen liebenden Lebens in der Gegenwart” (Enzyklika, 9).

Wir sind des festen Glaubens, dass die Kirchen nicht die Augen vor dem Leid und dem Missbrauch von Kindern schließen können, die es in der Welt gibt und von denen besonders schutzbedürftige Kinder und Flüchtlinge betroffen sind. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in unserer modernen Gesellschaft zu beenden. Fördern wie eine bessere Teilnahme unserer Kinder und Jugendlichen an den Gottesdiensten und am Leben unserer Kirchen und ihre umfassende Integration. Vermitteln wir unseren Kindern und Jugendlichen die Verantwortung, die sie als Christinnen und Christen für die Umwelt haben, und leiten wir sie an, damit sie zu adäquaten Verhaltensweisen angesichts der Wasserproblematik und des Klimawandels finden und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Leider erfahren Kinder und Jugendliche emotionale, sexuelle oder körperliche Gewalt öfter, als wir meinen. Dies hat Auswirkungen auf ihre Gesundheit, ihr Wohlergehen und ihre Zukunft. Diese Gewalt schadet Kindern, zerstört Familien und hat negative Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche hat festgestellt, dass „die heutige Krise der Ehe und der Familie eine Folge der Krise der Freiheit ist, die nicht mehr als Verantwortung gesehen wird, sondern die zu einer selbstsüchtigen Selbstverwirklichung verkommen ist und die identifiziert wird mit ichbezogener Selbstbelohnung, Selbstbestimmung und Autonomie, einhergehend mit dem Verlust des sakramentalen Charakters der Verbindung zwischen Mann und Frau, resultierend aus der Vergessenheit des Opferethos der Liebe ” (Enzyklika, 7).

In diesem Geist und angesichts der Vielfalt der Krisen unserer modernen Zeit hat das Ökumenische Patriarchat gemeinsam mit der Church of England ein Forum zum Thema moderne Sklaverei mit dem Titel Sins Before Our Eyes veranstaltet, das im Februar in Istanbul stattfand. Es war uns eine Freude, eine Delegation des ÖRK begrüßen zu dürfen, die an dem Forum teilnahm. Inspiriert wurde das Forum durch das Heilige und Große Konzil der Orthodoxen Kirche, die sich mutig zum Zentrum der Solidarität und philanthropischer Aktion im Leben und Zeugnis der Orthodoxie erklärte und sich auch an Menschen wandte, die „von Menschenhandel und modernen Formen der Sklaverei betroffen sind” (Die Mission der Orthodoxen Kirche in der modernen Welt F,1). Wir haben zu diesem Anlass festgehalten, dass es für unsere Kirchen nicht möglich ist, unsere Augen von dem Bösen abzuwenden und unsere Ohren vor dem Schrei der Notleidenden, Unterdrückten und Ausgebeuteten zu verschließen. Wahrer Glaube sollte immer eine Quelle des ständigen Kampfes gegen die Mächte der Unmenschlichkeit sein.

Wir als Kirchen müssen unsere Kräfte bündeln, um moderne Sklaverei in allen ihren Formen überall auf der Welt und für alle Zeiten mit Stumpf und Stiel auszurotten Etwa vor zwei Jahren haben wir die Erklärung  religiöser Führungspersönlichkeiten gegen die moderne Sklaverei (2. Dezember 2014) unterzeichnet, die Sklaverei als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Wir als Kirchen sollten uns verpflichten, innerhalb unserer Glaubensgemeinschaften und darüber hinaus alles in unserer Macht stehende zu unternehmen, um uns für die Freiheit all derjenigen einzusetzen, die Opfer von Sklaverei und Menschenhandel sind, damit sie wieder eine Zukunft bekommen. Auf dem Weg zur Verwirklichung dieses kategorischen Imperativs ist unser Gegner nicht nur einfach die moderne Sklaverei, sondern auch der Ungeist, der sie am Leben hält, die Vergötterung des Profits, der Konsumterror, Diskriminierungen, Rassismus, Sexismus und Egozentrik.

Gegen diesen Ungeist müssen wir alle zu Felde ziehen und dem eine Kultur der Solidarität, des Respekt vor anderen Menschen und des Dialogs entgegensetzen. Diese Sensibilisierung unseres Gewissens muss Hand in Hand mit der Teilnahme an konkreten Initiativen und Maßnahmen gehen. Wir brauchen auf der Handlungsebene eine stärkere Mobilisierung.

 

Meine Damen und Herren,

da der Ökumenische Rat der Kirchen seinen Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens fortsetzt und seine Mitgliedskirchen auffordert, „sich  zusammen auf eine gemeinsame Suche zu begeben, um die wahre Berufung der Kirche durch ein gemeinschaftliches Engagement für die äußerst wichtigen Anliegen der Gerechtigkeit und des Friedens zu erneuern und eine Welt voller Konflikte, Ungerechtigkeit und Schmerz zu heilen,” bekräftigen wir im Namen des Ökumenischen Patriarchats erneut unsere volle Unterstützung und Verpflichtung in der Überzeugung, dass wir nur im Rahmen dieser echten brüderlichen ökumenischen Zusammenarbeit unser gemeinsames Haus heilen und seine spirituellen, ethischen und ökologischen Probleme lösen und transformieren können. Denn nur so - im Dienst für unseren gemeinsamen Herrn und Erlöser Jesus Christus – werden unsere Kirchen sich einander nähern und feststellen, wie dringend und wie erforderlich es für alle ist, eins zu sein (vgl. Joh 17,21). Aus diesem Grund hat das Heilige und Große Konzil gebetet, „dass sich die Christen gemeinsam mühen, dass der Tag kommt, an dem der Herr die Hoffnung der Orthodoxen Kirchen erfüllt, dass „eine Herde und ein Hirte“ sei (Joh 10,16)" (Beziehungen, 24). So möge Gott, verherrlicht in der Dreieinigkeit, den Generalsekretär mit allen Mitstreitenden des ÖRK und Sie alle in Ihrer wichtigen und anhaltenden Mission segnen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!