Liebe Brüder und Schwestern in Christus:

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2. Kor 13,13).

Herzlich grüße ich die anlässlich der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe versammelten Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Gemeinschaften. Ich kann Ihnen mein pastorales Interesse an der Arbeit der Vollversammlung zusichern und wünsche Ihnen ein bedeutsames und fruchtbares Treffen, das die Gemeinschaftsbande zwischen den Kirchen und den anwesenden ökumenischen Organisationen vertieft und stärkt. Seit der dritten Vollversammlung 1901 in Neu-Delhi entsendet die katholische Kirche „delegierte Beobachter“ zu den Vollversammlungen. Ich freue mich, dass auch in diesem Jahr eine Delegation anwesend ist. Es ist ein Zeichen für die im Laufe der Jahre gefestigten starken Beziehung zwischen der Römisch-katholischen Kirche und dem Ökumenischen Rat der Kirchen.

Diese Vollversammlung tritt unter dem Thema „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ zusammen. Unsere Welt wird weiterhin von Zwietracht, Konflikten und Spaltungen geplagt. Kriege, Diskriminierung, verschiedene Formen von Ungerechtigkeit und Spaltung dauern fort, auch unter Menschen christlichen Glaubens selbst. Die globalisierte Welt, in der wir leben, verlangt von uns ein gemeinsames Zeugnis des Evangeliums als Antwort auf die dringlichen Anforderungen unserer Zeit. Das Thema der Vollversammlung ist eine zeitgemäße Einladung an die Weltgemeinschaft der Christinnen und Christen, gemeinsam für mehr Nähe und Einheit zwischen Kirchen, Religionen, Kulturen, Völkern, Nationen und der gesamten Menschheitsfamilie zu arbeiten und die Versöhnung auf der ganzen Welt zu fördern.

Während wir uns dazu verpflichten, größere Anstrengungen zu unternehmen, um für die Bedürftigsten zu sorgen, für Gerechtigkeit und Frieden zu arbeiten und die menschliche Entwicklung zu fördern, lasst uns dies bewegt vom Evangelium tun. Die Suche nach Versöhnung und Einheit hat vor allem eine vertikale Dimension, da sie sich an Ihn richtet, der als Erlöser der Welt und Herr der Geschichte unsere Versöhnung ist. Tatsächlich hat „Gott uns mit sich selber versöhnt durch Christus“ (vgl. 2 Kor 5,18).

Es ist unsere Mission als Christinnen und Christen, die Erfüllung dieser Versöhnung in die Welt zu tragen, wobei die Kirche das Instrument und das sichtbare Zeichen der Einheit ist, zu der Gott alle Menschen ruft. Nur Christinnen und Christen, die sich voll und ganz dem Dienst an der Menschheitsfamilie verschrieben haben und eifrig bemüht sind, in allen Ländern Jünger zu schaffen – indem sie sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen und sie lehren, alles zu halten, was der Herr befohlen hat (vgl. Mt 28,19) – können Menschen gewinnen. Angesichts der ständigen Versuchung, die evangelikale Botschaft weltlichen Denkweisen anzupassen, müssen wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir nur dann überzeugen können, wenn wir dem Herrn treu sind, der von sich selbst gesagt hat: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6). Die christliche Gemeinschaft wächst nicht durch Bekehrung, sondern nur durch Anziehungskraft.

Doch wie können wir das Evangelium der Versöhnung glaubwürdig verkünden, ohne uns als Menschen christlichen Glaubens auch untereinander für die Versöhnung einzusetzen? Ich bitte Gott, dass diese Vollversammlung das Engagement aller für eine intensivere Zusammenarbeit auf der Suche nach einer umfassenderen und sichtbareren Gemeinschaft stärkt. Die Versöhnung unter den Christinnen und Christen ist die Grundvoraussetzung für den glaubwürdigen Auftrag der Kirche. Ökumene und Mission gehören zusammen und sind miteinander verbunden.

Diese Versammlung ist bereits ein Symbol für ihre versöhnte Vielfalt. Möge sie die Gemeinschaft aller stärken und vertiefen, damit die Einheit der Christinnen und Christen ein noch strahlenderes Zeichen der Hoffnung und des Trostes für die Menschheit sei. Im Bewusstsein, dass die Seele der Ökumene authentische Bekehrung, Heiligkeit und Gebet bleibt (vgl. Unitatis Redintegratio, 8), bete ich, dass die Vollversammlung mit der Kraft und dem Licht des Heiligen Geistes die Welt der Versöhnung und Einheit näher bringen möge.

Rom, St. Johannes im Lateran, 15. August 2022