Ökumenischer Rat der Kirchen
KOMMISSION FÜR GLAUBEN UND KIRCHENVERFASSUNG
Tagung des Plenums der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung
Kuala Lumpur, Malaysia
28. Juli - 6. August 2004

 

Zwar formulieren wir unseren Text als Gruppe von jungen Theologen/innen, fragen uns aber, welche Implikationen daraus entstehen, wenn unsere Stimmen auf eine einzige Kategorie reduziert werden. Wir repräsentieren eine vielfältige Gruppe aus verschiedenen christlichen Traditionen und verkörpern damit die Vielfalt der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung selbst. Deshalb wollen wir den Eindruck vermeiden, dass wir mit einer Stimme sprechen, da wir die Einheit, die wir fordern, nicht trivialisieren wollen. Wir haben mit einiger Sorge beobachtet, dass mitunter davon ausgegangen wird, dass wir das Wesen der angestrebten Einheit voll und ganz  begreifen. Wir würden es begrüßen, wenn der Begriff der Einheit, die wir so häufig ansprechen, weiter untersucht würde.

Gleichzeitig möchten wir uns von dem Etikett "jüngere Theologinnen und Theologen" distanzieren, denn wir haben in den vergangenen Tagen eine gewisse "Hermeneutik der Kontextualisierung" beobachtet, die uns beunruhigt. Wir fragen uns, ob das Wort "Kontext" nicht zu häufig und zu beiläufig benutzt wird, sodass die Botschaft, die es übermitteln soll, einen großen Teil ihrer Bedeutung verliert. Wenn wir z.B. "als Orthodoxe" oder als Lateinamerikaner/innen" oder sogar als "jüngere Theologen/innen" sprechen, so vermittelt das den Eindruck, als gehöre uns dieser Kontext, oder wir vielleicht ihm. Damit würden wir an einer Logik des Aneignens oder des Eigentums teilhaben, die auf Kosten der Bedeutung geht, die wir der Rezeptivität beimessen. In diesem Zusammenhang haben wir den Eindruck, dass die Diskussion leicht einen apologetischen Unterton annimmt, und wir würden eine konstruktivere Weise des Theologie-Betreibens begrüßen.

Wenn Theologie sinnvoll sein soll, dann darf sie die Perspektive der Ortsgemeinden - oder so genannten Graswurzeln - nicht vernachlässigen. Wir anerkennen die jüngeren Anstrengungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, in dieser Hinsicht inklusiver zu sein und sich mit Themen zu befassen, die früher als peripher zur theologischen Reflexion betrachtet wurden, wie Frieden, Gewalt,  und Macht; Ethnizität und nationale Identität; Genderfragen und Fragen der Sexualität; Behinderung usw. Wir freuen uns, dass die Studien zur ethnischen und nationalen Identität (ETHNAT) und zur theologischen Anthropologie neben die klassischen theologischen Studien zur Taufe und zur Ekklesiologie getreten sind. Dennoch haben wir den Eindruck, dass zwischen Theorie und Praxis jene Spannung bestehen bleibt, die generell in der Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung wie auch der größeren ökumenischen Bewegung auszumachen ist. Wir vermissen in den Dokumenten eine Verflechtung der theologischen Formulierungen und der ethischen Implikationen. Wir meinen, wenn diese Verbindung deutlicher sichtbar gemacht wird, dann wird auch die Theologie relevanter sein und in einem wirklichkeitsbezogeneren Dialog mit den Ortsgemeinden stehen. Wir befürchten, dass alle diese theologischen Formulierungen umsonst sind, wenn sie nicht in die Wirklichkeit unseres Lebens eingebettet werden.

Wir glauben, dass unser Thema "Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob" (Röm 15,7) uns beständig auffordert, Glauben und Leben miteinander in Einklang zu bringen. Wir haben jedoch auch eine Tendenz beobachtet, die Diskussion auf die Vorstellung zu begrenzen, dass es sich bei der gegenseitigen Annahme um einen schlichten Ausdruck der Gastfreundlichkeit handelt. Wir fragen uns, ob wir genügend Zeit auf die Reflexion darüber verwendet haben, was es für unsere Identität bedeuten könnte, als ein Geschenk zu existieren, als etwas, das empfangen und angenommen wird. Gleichzeitig denken wir, dass wir vielleicht mit Gottes Lob beginnen und den Vers rückwärts lesen sollten und dass dies eine hilfreiche und sehr notwendige Erinnerung daran sein würde, dass die Aufgabe, einander anzunehmen, nicht allein auf unseren Schultern lastet. Genauso wenig ist das Streben nach Einheit eine freie Wahlmöglichkeit, die uns gegeben ist; sie ist vielmehr ein Gebot für alle Christen und Christinnen.

Wir sind uns bewusst, dass es sich hier um eine schwierige Aufgabe handelt, doch würden wir die Dynamik von Christi Ruf zur Einheit unter den Christen verleugnen,  wenn wir uns dazu verleiten ließen, uns mit den Spannungen unter uns abzufinden. Vielleicht könnten wir über die Frage, wer Gastgeber und wer Gast ist, hinausgehen und die Aufforderung Jesu, einander zu lieben, wie er uns geliebt hat (cf. Joh 13, 34), ernst nehmen.

Wir beten darum, dass die Kommission niemals müde werden möge, uns Zeichen der Einheit unter uns aufzuzeigen. Wir sind stolz, dass wir als jüngere Theologen/innen an dieser Tradition teilhaben durften, und hoffen, dass sie weitergeführt wird, denn sie hat uns Möglichkeiten eröffnet, uns stärker an der ökumenischen Arbeit zu beteiligen. Danke, dass Sie uns willkommen geheißen und uns geholfen haben, einander anzunehmen zu Gottes Lob!

Wir sind zutiefst dankbar und erfreut, mitarbeiten zu können in dieser Gemeinschaft von kirchenleitenden Verantwortlichen und Theologen/innen, die sich um mögliche Ausdrucksformen der Einheit im Leib Christi und um Schritte auf dem Weg dahin bemüht. Wir möchten Ihnen daher aufrichtig danken, dass Sie uns zu dieser Tagung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Kuala Lumpur eingeladen haben. Zugegebenermaßen haben wir aufgrund unserer begrenzten Erfahrung manchmal mit Verwunderung auf die subtile Vielschichtigkeit der Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung reagiert. Wir sind jedoch hoch erfreut und ermutigt, dass wir hier Gelegenheit haben, uns an der schwierigen Aufgabe des ökumenischen Dialogs zu beteiligen. Wenn auch die sichtbare Einheit noch nicht in unmittelbarer Zukunft verwirklicht werden kann, so lassen wir uns doch nicht entmutigen und engagieren uns weiter auf dem Weg zur Einheit der Christen, so lang und unvorhersehbar dieser auch sein mag.