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"(Sie) heilen den Schaden meines Volkes nur obenhin, indem sie sagen: ‚Friede! Friede!‘, und ist doch nicht Friede." Jeremia 6, 14

"Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, (…)." 1. Korinther 12, 26

"Schreib auf, was du geschaut hast, (…)." Habakuk 2,2

An die Kirchen und christlichen Brüder und Schwestern in aller Welt:

Gnade und Frieden aus Jerusalem!

Der Ökumenische Rat der Kirchen hat vom 12.-19. März zu einer Internationalen Aktionswoche der Kirchen für Frieden in Palästina und Israel aufgerufen, an der sich Kirchen und internationale christliche Organisationen beteiligen. Diese Initiative geht auf die Partner des Ökumenischen Begleitprogramms für Palästina und Israel (EAPPI) sowie auf Pax Christi International zurück. Das EAPPI besteht seit drei Jahren und seine Einrichtung geht auf eine Bitte der Kirchen in Jerusalem zurück. Heute, ein Jahr vor dem 40. Jahrestag der rechtswidrigen Besetzung Palästinas durch Israel, erneuern wir unseren Aufruf und fordern Sie auf, aktiv an der weltweiten Woche christlichen Einsatzes für einen gerechten Frieden teilzunehmen.

Während der letzten 39 Jahre haben Kirchen, Kirchenoberhäupter sowie Christen und Christinnen unermüdlich und geduldig gearbeitet, um den Frieden in Palästina und Israel voranzubringen. Jetzt, da sich die Lage weiter verschlechtert und Friedenschancen in weite Ferne gerückt scheinen, ist es unerlässlich, dass die Christen ihre Stimme in der Öffentlichkeit mit Nachdruck zu Gehör bringen. Neben den hoch geschätzten Aktionen von Gebet und christlicher Solidarität brauchen die Kirchen in Jerusalem und im Heiligen Land Ihre Stimme. Sie müssen mit der moralischen Autorität der Kirche vom ethischen Standpunkt des christlichen Glaubens aus sprechen. Gesetzgeber und Politiker in Ihrem Land müssen wissen, dass die Kirchen sehr wohl informiert sind über das andauernde Leid, das durch die Besetzung verursacht wird, und über die daraus folgende Unsicherheit, und dass sie sich noch aktiver in der Suche nach einem gerechten Frieden einsetzen wollen. Alle nationalen Regierungen haben eine Verantwortung dafür, internationales Recht aufrecht zu erhalten, und Christen haben die Aufgabe, ihre Regierungen zur Verantwortung zu ziehen.

Wir bitten alle Christen und Christinnen, die prophetische Rolle der Kirche und die Macht und große Bedeutung öffentlichen Zeugnisses zu bedenken, so dass die Leiden, Ungerechtigkeiten und die Unsicherheit der Besetzung, die Israelis und Palästinenser betrifft - gleichgültig, ob sie Christen, Muslime oder Juden sind - ein dringendes und vorrangiges Anliegen für alle nationalen Regierungen werden.

Die positive Aufmerksamkeit, die dem einseitigen Abzug aus dem Gaza-Streifen gewidmet wurde, hat die Aufmerksamkeit der Welt von der Wirklichkeit im Westjordanland und in Ost-Jerusalem abgelenkt. Es gibt eine ständige Ausdehnung der israelischen Militärkontrolle. Siedlerblöcke wachsen weiter und Land wird illegal weggenommen, um eine Mauer zu bauen, die international verurteilt wurde. Städte im Westjordanland werden wirtschaftlich erstickt und die Menschen leben in ständiger Angst vor Überfällen des Militärs. Die Sicherheitslage in den palästinensischen Territorien ist in einer Krise und die palästinensische Autonomiebehörde muss in ihren Anstrengungen unterstützt werden, gesetzliche Regelungen durchzusetzen. Gleichzeitig muss sie an ihre Verantwortung für die Erfüllung ihrer Pflichten erinnert werden.

Der Preis der Besetzung ist auch für die, die in Israel leben, unerträglich hoch. Das Land ist dominiert von Unsicherheit, Angst und Armut; gleichzeitig steigen die sozialen Ungleichheiten ins Unermessliche.

Palästinensische Christen stehen denselben Problemen gegenüber und leiden unter derselben verzweifelten Lage wie alle anderen Palästinenser, aber wir sind auch konfrontiert mit einer alarmierend hohen Zahl von Abwanderungen aus Palästina. Die christliche Präsenz in Palästina ist wichtig für die ganze Gesellschaft und wir machen uns Sorgen um die Zukunft unserer Gemeinschaft und um die Einrichtungen, die allen Palästinensern zugute kommen.

Ein und dieselbe Lösung ist erforderlich, um das Elend sowohl in Israel als auch in Palästina zu beenden: ein gerechter Friede, der durch Verhandlungen und in Anwendung internationaler Rechtsbestimmungen erreicht wird. Die Beendigung der rechtswidrigen Besetzung ist der erste Schritt zu wirklichem Frieden und Sicherheit sowohl für Israel als auch für Palästina. Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit für Palästina bringt Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit für Israel.

Wir beten weiter für den Frieden Jerusalems und wir beharren weiter darauf, dass ein gemeinsames und offenes Jerusalem, das die Rechte und die Souveränität der drei Religionen und der zwei Völker respektiert, unerlässlich für einen gerechten Frieden im Nahen Osten ist.

Aus unserem christlichen Verständnis von Gesetz und Gerechtigkeit heraus plädieren wir für eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage des Völkerrechts, welche einen lebensfähigen, zusammenhängenden, unabhängigen, souveränen Nachbarstaat vorsieht.

Wir bekräftigen unsere Vision von Frieden in Gerechtigkeit auf der Grundlage von Versöhnung. Als Christen glauben wir an die Macht und Gegenwart Gottes. Unser Glaube ist eine Quelle von Hoffnung und Ausdauer. Diese Hoffnung ist es, die uns überzeugt sein lässt, dass die gegenwärtige Situation geändert werden kann und geändert werden muss. Wir fordern auf zu überzeugenden, gewaltfreien Anstrengungen, den Frieden herbeizuführen, und wir verurteilen auf das schärfste alle, die Gewalt und terroristische Akte ausüben.

Die Lage ist jedoch sehr ernst. Mit jedem Monat, der vergeht, rückt die Möglichkeit einer friedlich ausverhandelten Lösung in weitere Ferne. Je mehr Siedlungen gebaut werden und je weiter die Mauer die Grenze auf konfisziertes Land setzt, umso weiter werden die Gemeinschaften im Westjordanland voneinander getrennt. Muslimen und Christen werden weitere Hindernisse für ihren Zugang zu den heiligen Stätten besonders in Jerusalem in den Weg gelegt, die Leute können nicht reisen und Familien werden getrennt. Palästinensische Kinder werden gegen jedes Gesetz eingesperrt und immer mehr palästinensische Christen verlassen das Heilige Land aufgrund von Arbeitslosigkeit und Mangel an Sicherheit und Zukunftshoffnung. Als Folge davon wird ein lebensfähiger eigener palästinensischer Staat immer unwahrscheinlicher. Jeder Tag schiebt eine baldige Lösung in weitere Ferne.

Wir hoffen und beten, dass Christen und Christinnen in aller Welt gemeinsam in der Woche vom 12. bis zum 19. März öffentlich Zeugnis für den Frieden ablegen. Wir beten dafür, dass Sie mutig Ihre Regierungen ansprechen und sie auffordern, gezielte Friedensaktivitäten zu unternehmen, um das Leiden der Menschen zu lindern.

In Jerusalem, Bethlehem und Ramallah werden sich Christen am 12. März zu gemeinsamen Gottesdiensten versammeln, um die Internationale Ökumenische Aktion für Frieden in Palästina und Israel ins Leben zu rufen und die christliche Stimme für einen Gerechten Frieden zu erheben. Schließen Sie sich in Ihrem eigenen Land uns an und sprechen Sie Ihre Regierung an.

Es ist Ihre Solidarität, die uns mit Gottes Gnade helfen wird, Advokaten des Friedens und Vollbringer der Versöhnung in diesem vom Krieg zerrissenen Land zu sein. Gott hat uns die Vision von Frieden in Gerechtigkeit gegeben: Machen Sie mit uns die Vision deutlich.

Patriarchen und Kirchenoberhäupter in Jerusalem 6.2.2006