Grundsatzerklärung Angenommen vom Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen und den Mitgliedskirchen und ökumenischen Partnern zur Prüfung und Beschlussfassung empfohlen (September 1997).

Der folgende Text ist das Ergebnis eines mehr als achtjährigen Studien- und Konsultationsprozesses zu einem "Gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Vision des Ökumenischen Rates der Kirchen", der vom Zentralausschuß des ÖRK auf seiner Tagung 1989 in Auftrag gegeben wurde. Seit der Siebten Vollversammlung des ÖRK im Jahre 1991 stand dieses Thema kontinuierlich auf der Tagesordnung des Zentralausschusses; außerdem ist es in Tagungen von Kommissionen, beratenden Gremien und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingehend erörtert worden. Einsichten wurden von vielen Seiten erbeten und beigetragen: von ÖRK-Mitgliedskirchen, anderen Kirchen und einer breiten Palette von ökumenischen Partnern sowie zahlreichen Einzelpersonen, die an der ökumenischen Bewegung beteiligt sind oder sich mit ihr befassen.

Der Exekutivausschuß des ÖRK kam im Februar 1995 überein, daß das Ziel dieses Konsultationsprozesses die Ausarbeitung eines Dokuments für die Achte Vollversammlung anläßlich des fünfzigjährigen Bestehens des ÖRK sein sollte; dieses Dokument könnte als eine "ökumenische Charta" für das 21. Jahrhundert dienen. Im September 1995 billigte der Zentralausschuß ein Verfahren für die Ausarbeitung eines solchen Textes. Ein erster Entwurf entstand bei einer Konsultation im Dezember 1995, die etwa 35 Personen aus allen Regionen und kirchlichen Traditionen zusammenbrachte. Dieser Entwurf wurde verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen vorgelegt, dann im Juni 1996 überarbeitet und dem Zentralausschuß zur Diskussion im September 1996 übergeben. Seine Reaktionen wurden in einen "Arbeitsentwurf" eingearbeitet, der den ÖRK-Mitgliedskirchen und den ökumenischen Partnern vorgelegt wurde, mit der Bitte, bis Ende Juni 1997 dazu Stellung zu nehmen. Auf der Grundlage von 153 schriftlichen Antworten, die von Mitgliedskirchen und ökumenischen Gremien eingingen, sowie von persönlichen Gesprächen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit zahlreichen Kirchen und Partnern führten, wurde ein neuer Entwurf ausgearbeitet, der den Zentralausschußmitgliedern zur Diskussion auf der Tagung im September 1997 vorgelegt wurde. Im folgenden Text sind die bei dieser Tagung vorgeschlagenen Veränderungen aufgenommen.

Der Text soll die wichtigsten Themen behandeln, die im Laufe dieser Diskussion angesprochen wurden. Kapitel 1 beschreibt den Kontext des CUV-Prozesses und stellt einige der Veränderungen dar, die sich in dem halben Jahrhundert seit der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen ereignet haben; außerdem wird aufgezeigt, daß dieses Dokument in einer Reihe von kontinuierlichen Bemühungen mit dem Ziel steht, den Charakter und den Zweck der ökumenischen Gemeinschaft im ÖRK zu definieren. In Kapitel 2 wird die Bedeutung der ökumenischen Bewegung untersucht, aus der der ÖRK als eine von zahlreichen organisatorischen Ausdrucksformen entstanden ist. In Kapitel 3 wird das "Selbstverständnis" des Ökumenischen Rates der Kirchen erörtert anhand der Basis seiner Verfassung, der zufolge der ÖRK eine "Gemeinschaft von Kirchen" ist, die "gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind". Anschließend werden einige Konsequenzen daraus für das Leben und die Arbeit des ÖRK als Organisation beschrieben. In Kapitel 4 geht es um die Beziehungen zwischen dem ÖRK und seinen ganz unterschiedlichen Partnern, mit denen er seine ökumenische Berufung teilt.

Die fruchtbaren, umfangreichen und enthusiastischen Diskussionen, die in diesen Text eingeflossen sind, zeugen von einem tiefen Engagement für die Ökumene und den ÖRK auf seiten der Mitgliedskirchen und Partner. Aber es ist auch deutlich geworden, daß es innerhalb dieses "Gemeinsamen Verständnisses und der gemeinsamen Vision" einige konkrete Punkte hinsichtlich des Ziels der ökumenischen Bewegung und des Wesens der bereits heute erlebbaren Gemeinschaft gibt, über die sich die Kirchen noch nicht einig sind. Mit der Annahme des vorliegenden Textes als Grundsatzerklärung, die die gegenwärtige Phase dieses Studien- und Konsultationsprozesses zu einem Abschluß bringt, erhebt der Zentralausschuß keinen Anspruch darauf, über die Kompetenz zur Lösung dieser Fragen zu verfügen oder das letzte Wort zum ÖRK oder zur ökumenischen Bewegung zu sprechen.

Zum Wesen der Gemeinschaft der Kirchen innerhalb der ökumenischen Bewegung gehört es, daß sie weiterhin mit diesen Schwierigkeiten in einem Geist des gegenseitigen Verstehens, des Einsatzes und der Verantwortung ringen. Der vorliegende Text wird daher den Kirchen anempfohlen als Ansporn und Hilfe zur Überprüfung ihres eigenen ökumenischen Engagements und ihrer ökumenischen Praxis - in ihren eigenen lokalen Kontexten, in ihren Beziehungen zu Partnern in ihrem Land, ihrer Region und auf der ganzen Welt und insbesondere in ihrer Beziehung zum Ökumenischen Rat der Kirchen.

Im Zuge der Umsetzung dieser Grundsatzerklärung hat der Zentralausschuß noch weitere Schritte unternommen. Er hat die Satzung für seine eigene Arbeit abgeändert, um den Rat in die Lage zu versetzen, wirksamer auf die Bedürfnisse seiner Mitgliedskirchen einzugehen; er hat der Achten Vollversammlung eine veränderte Erklärung über die Ziele und Funktionen des ÖRK vorgeschlagen, die in etwa dem Absatz 3.12 des CUV-Dokuments (6.2) entsprechen; er hat den Entwurf einer neuen Programm- und Leitungsstruktur für den ÖRK gebilligt; und er hat eine weitere Überprüfung seiner internen Arbeitsweisen und der Chancen für eine breitere ökumenische Partnerschaft in Auftrag gegeben.  

1.1Der fünfzigste Jahrestag der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen gibt den Mitgliedskirchen die Gelegenheit, ihre ökumenische Berufung erneut zu bekräftigen und ihr gemeinsames Verständnis des Ökumenischen Rates der Kirchen klarer zu formulieren.

Veränderte Verhältnisse - bleibende Verpflichtungen

1.2Die Kirchen haben im Ökumenischen Rat der Kirchen zusammen gearbeitet, zusammen nachgedacht und zusammen Gottesdienst gefeiert. In ihrem unablässigen Bestreben, zusammenzuwachsen gemäßdem Gebet Jesu Christi, daßalle eins seien, damit die Welt glaube (Joh 17,21), wußten sie sich getragen von dem Vertrauen auf den Heilsplan Gottes, in Christus alles zusammenzufassen, was im Himmel und auf Erden ist (Eph 1,10). Zwar wurde ihr gemeinsames Leben im vergangenen halben Jahrhundert manch harter Prüfung unterzogen, doch haben die Kirchen durch Gottes Gnade an dem auf der Gründungsversammlung in Amsterdam 1948 gefaßten Entschluß"Wir haben den festen Willen, beieinander zu bleiben!" bis heute festgehalten.

1.3Zu einem Zeitpunkt, da die Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen gemeinsam die Verheißungen und Herausforderungen eines neuen Jahrhunderts und eines neuen Jahrtausends zu erkennen suchen, befinden sich der ÖRK und die ökumenische Bewegung in einer Phase der Ungewißheit. Es gibt Anzeichen für ein Nachlassen der ökumenischen Begeisterung, für eine wachsende Distanz zwischen dem ÖRK und seinen Mitgliedskirchen sowie für eine in der jungen Generation weitverbreitete Ansicht, daßdie ökumenische Bewegung ihre Lebendigkeit verloren und für die drängenden Probleme der heutigen Zeit keine relevanten Antworten anzubieten habe. Interne Faktoren hindern viele Kirchen daran, die Höhe ihrer finanziellen Unterstützung beizubehalten, was den ÖRK dazu zwingt, seine Tätigkeit einzuschränken; und für einige Mitgliedskirchen bedeutet ihre Mitwirkung in der ökumenischen Gemeinschaft innere Konflikte und sogar drohende Spaltung. Aus allen diesen Gründen wird eine Klärung des gemeinsamen Verständnisses des ÖRK und seiner Rolle innerhalb der ökumenischen Bewegung um so dringender.

1.4Dennoch sollten wir auch an einige der erstaunlichen Veränderungen erinnern, die in diesen ersten fünfzig Jahren im Rat und in der ökumenischen Bewegung stattgefunden haben:

  • 1.4.1die Zahl der Mitgliedskirchen hat sich seit der Vollversammlung in Amsterdam mehr als verdoppelt; heute sind im Rat Kirchen aus sehr verschiedenen Kulturen und christlichen Traditionen vertreten, einschließlich orthodoxer Kirchen und Kirchen aus fast allen protestantischen Traditionen;
  • 1.4.2während zwei Drittel der Gründerkirchen des ÖRK aus Europa und Nordamerika stammten, sind heute beinahe zwei Drittel der Mitgliedskirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie dem Pazifik beheimatet; der Rat ist dadurch eindeutiger zu einer weltumspannenden Einrichtung geworden;
  • 1.4.3die neuen Kirchenräte und anderen ökumenischen Gremien, die auf vielen örtlichen, nationalen und regionalen Ebenen entstanden sind, haben ein wirklich weltweites ökumenisches Netzwerk geschaffen, dem der ÖRK heute als fester Bestandteil angehört;
  • 1.4.4die römisch-katholische Kirche, die bei der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen bewußt in Distanz zur ökumenischen Bewegung blieb, ist inzwischen vollberechtigtes Mitglied in zahlreichen nationalen ökumenischen Gremien und mehreren regionalen ökumenischen Organisationen und unterhält regelmäßige Arbeitsbeziehungen mit dem ÖRK, speziell durch ihre offizielle Mitgliedschaft in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung;
  • 1.4.5heute arbeiten mehr Frauen im ÖRK mit, und den Stimmen von Frauen wird auf ökumenischen Zusammenkünften mehr Gehör geschenkt;
  • 1.4.6durch das Aufeinander-Zugehen der Kirchen im Rat bildet sich eine gemeinsame Tradition miteinander geteilter Überzeugungen in Fragen des Glaubens, des Lebens und des Zeugnisses heraus, die beginnt, die theologische Reflexion aus streng konfessioneller Sicht zu bereichern;

1.5Der ökumenische Prozeß, der zur Gründung des ÖRK führte, war nicht nur eine Antwort auf den Ruf des Evangeliums zur Einheit der Christen. Er war auch eine Bestätigung des Auftrags zur Mission und zum gemeinsamen Zeugnis und ein Ausdruck der gemeinsamen Verpflichtung zur Förderung von Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung in einer Welt, die im Chaos zu versinken drohte, sich bekämpfte und aufgrund von Rassen- und Klassenunterschieden sowie miteinander in Widerstreit stehenden nationalen Zugehörigkeiten geteilt war.

1.6Die vergangenen fünfzig Jahre haben dem festen Willen dieser Gemeinschaft, in einer geteilten Welt ein glaubwürdiges Zeugnis von der Universalität der Kirche Christi und von Gottes Heilsplan für die ganze Menschheit abzulegen, manch harte Prüfung auferlegt. Oft glichen die Kirchen zu sehr der Welt, haben an deren Zersplitterung teilgehabt und die jeweiligen Feindbilder übernommen und mitunter gar verstärkt. Zuweilen haben jedoch Mitgliedskirchen des ÖRK und mutige Frauen und Männer in diesen Kirchen, selbst in den dunkelsten Stunden des Kalten Krieges, Brücken über die ideologischen Gräben geschlagen.

1.7In diesen fünf Jahrzehnten haben tiefe Veränderungen sowohl in der Welt als auch in den Kirchen stattgefunden. Die größten Probleme haben sich verlagert, was aber nicht bedeutet, daßes sie nicht mehr gibt; und einige von ihnen sind in ihrer neuen Gestalt sogar noch dringlicher als zuvor. Obwohl es praktisch keinen Kolonialismus mehr gibt, finden sich viele der Staaten, die aus den ehemaligen Kolonien hervorgegangen sind, in neuen Abhängigkeiten wirtschaftlicher und politischer Natur wieder, die ihre Bevölkerung in immer größeres Elend stürzen. Obwohl der Kalte Krieg zu Ende ist und das nukleare Wettrüsten eingedämmt werden konnte, werden nach wie vor Kriege ausgetragen. Rassische und ethnische Spannungen haben gewaltsame Konflikte ausgelöst. Obgleich es immer häufiger zu interreligiösen Begegnungen und Gesprächen kommt, wird Religionstreue nach wie vor dazu benutzt, Haßund Gewalt zu schüren. Trotz fast universaler rechtlicher und verfassungsmäßiger Garantien der Religionsfreiheit ist die Situation religiöser Minderheiten, darunter einige christliche Kirchen, heute vielerorts prekär geworden; andernorts werden die Grundsätze selbst, auf denen Religionsfreiheit aufbaut, in Frage gestellt oder haben neue Konflikte entstehen lassen. Dort, wo die brutaleren Formen des Militarismus verschwunden sind, sind sie häufig von verfeinerten, hochtechnologisierten Formen militärischer Vorherrschaft ersetzt worden. Die internationale Solidarität bröckelt, und Angst und Fremdenfeindlichkeit breiten sich aus angesichts der anschwellenden Zahl von Menschen, die auf der Flucht vor Unterdrückung und Bürgerkrieg, chronischer Armut und Arbeitslosigkeit ihre Heimatländer verlassen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer breiter, und es ist heute so weit, daßman über das Schicksal von immer mehr Millionen Menschen und sogar ganzer Nationen hinwegsieht. Überall nimmt die Gewalt zu, und Kinder und Frauen sind die ersten Opfer. Politische Institutionen auf allen Ebenen genießen immer weniger das Vertrauen der Bürger, die sie für korrupt und wirklichkeitsfremd halten; und sie ordnen ihre Entscheidungsgewalt mehr und mehr den Anforderungen des globalen Business unter, dessen einziger Maßstab der Profit ist, der erzielt werden kann. Dem wachsenden Bewußtsein der Gefahren für die Umwelt der ganzen Erde entspricht nicht der politische Wille, Lebensstil und Produktionsweisen radikal zu verändern. Die heutige globale Krise hat ethische und geistliche Dimensionen, die nicht weniger tief sind als die der Krise, der sich die Welt im Frühstadium der ökumenischen Bewegung gegenübersah. Inzwischen sind allerdings die ethisch-moralischen Grundlagen der menschlichen Gemeinschaft noch zerbrechlicher geworden.

1.8Der Prozeßder zunehmenden Globalisierung stellt neue Anforderungen an die Aufgabe, die sich aus der Zugehörigkeit zur universalen Kirche Christi ergibt. Jede Kirche mußdie Prüfung ihrer ökumenischen Beziehungen mit einer Selbstprüfung beginnen: Hat sie sich in diesem globalen Kontext in ihrem Leben und Zeugnis beständig von der gemeinsamen Berufung zu Einheit, Mission und Dienst leiten lassen? Hat sie aus der Gemeinschaft, die sie erfahren, aus der Tatsache, daßsich ihre gemeinsame Vision geweitet hat, aus den eingegangenen Verpflichtungen die Konsequenzen gezogen? In Wirklichkeit weist vieles darauf hin, daßzunehmender Konfessionalismus die Kirchen darin bestärkt, sich auf Kosten des ökumenischen Engagements auf ihre internen und institutionellen Belange zu konzentrieren. In ihrer Antwort auf den Auftrag zu Mission und Evangelisation übersehen die Kirchen zu oft ihre Verpflichtung zum gemeinsamen Zeugnis und bewirken oder fördern dadurch Spaltungen innerhalb der Christenheit. Während Christen und Kirchen für die Rechte und Menschenwürde der Marginalisierten und von der Gesellschaft Ausgegrenzten eintreten sollten, gibt es beschämende Beispiele der Komplizenschaft mit Strukturen sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeit. Und auch der Ökumenische Rat hat in seinem Engagement für Gerechtigkeit und Menschenrechte nicht vermocht, überall nach denselben Kriterien zu sprechen und zu handeln.

1.9Viele Kirchen und christliche Gemeinschaften, darunter solche, deren Zeugnis von vitaler Bedeutung ist und die sehr schnell wachsen, sind außerhalb der Gemeinschaft der formellen ökumenischen Gremien geblieben. Neue Gründe für Spaltungen sind in und unter den Kirchen entstanden. In einigen Kirchen haben sich Dinge, die ökumenisch gesagt oder getan wurden, als so umstritten erwiesen, daßdas ökumenische Engagement als solches als häretisch oder sogar antichristlich abgelehnt wird. Auf allen Ebenen, von der lokalen bis zur globalen, ist es vorgekommen, daßsich Kirchen und ökumenische Gremien in Konkurrenz zueinander befanden anstatt miteinander zusammenzuarbeiten.

Neuorientierung unseres Verständnisses

1.10Diese Einschränkungen, Rückschläge und Versäumnisse rufen die ökumenische Bewegung und die Gemeinschaft der Kirchen im Ökumenischen Rat der Kirchen auf der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend zur Buße und Umkehr, zur Erneuerung und Neuausrichtung auf. Wenn sich eine neue Generation die Verpflichtung von Amsterdam zu eigen machen soll, dann mußes zu einer Neuorientierung unseres Verständnisses von der Stellung und Rolle des ÖRK innerhalb der ökumenischen Bewegung kommen. Welches sind die besonderen Merkmale unserer ökumenischen Verpflichtung, die sie von den vielen Initiativen der Zusammenarbeit, die sich in der zivilen Gesellschaft beobachten lassen, unterscheidet, wenngleich sie in Bezug dazu steht? Welche besondere Rolle spielt der ÖRK als Organisation in den Beziehungen zu anderen Partnern in der ökumenischen Bewegung? Wie hat sich das Verständnis der Ziele und der "gemeinsamen Berufung" des ÖRK im Licht der Erfahrungen dieser fünf gemeinsam erlebten Jahrzehnte verändert? Was können wir aus den Anzeichen neuer ökumenischer Vitalität in den Bewegungen lernen, die von Laien, Frauen und jungen Menschen gebildet werden?

1.11Bei der Beantwortung dieser Fragen können wir uns auf die Erkenntnisse der zahlreichen Männer und Frauen stützen, die sich schon vor uns damit beschäftigt haben.

1.12Im Jahre 1950 hat der Zentralausschußdes Ökumenischen Rates auf seiner Tagung in Toronto einen Text zum Thema "Die Kirche, die Kirchen und der Ökumenische Rat der Kirchen" verfaßt, der für unser gemeinsames Verständnis des Rates grundlegend geblieben ist. Diese "Toronto-Erklärung" besteht aus zwei Teilen. Im ersten stehen fünf Erklärungen, die festhalten, was der Ökumenische Rat der Kirchen nicht ist:

    • Der Ökumenische Rat der Kirchen ist keine "Über-Kirche" und darf niemals eine werden.
    • Der Ökumenische Rat der Kirchen wurde nicht geschaffen, um Unionsverhandlungen zwischen Kirchen in die Wege zu leiten (was eine Sache der Kirchen selbst ist).
    • Der Ökumenische Rat der Kirchen kann und darf sich nicht auf den Boden einer besonderen Auffassung von der Kirche stellen.
    • Wenn eine Kirche Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen ist, so bedeutet das nicht, daßsie ihre eigene Auffassung von der Kirche relativiert.
    • Wenn eine Kirche Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen ist, so bedeutet das nicht, daßsie damit eine bestimmte Lehre über das Wesen der kirchlichen Einheit annimmt.

Der zweite Teil führt acht positive Aussagen auf, die dem Leben des Rates zugrunde liegen. Die Mitgliedskirchen

    • glauben, daßdas gemeinsame Gespräch, die Zusammenarbeit und das gemeinsame Zeugnis der Kirchen auf der gemeinsamen Anerkennung dessen beruhen müssen, daßChristus das göttliche Haupt des Leibes ist;
    • glauben, aufgrund des Neuen Testaments, daßdie Kirche Christi eine ist;
    • erkennen an, daßdie Mitgliedschaft in der Kirche Christi umfassender ist als die Mitgliedschaft in ihrer eigenen Kirche;
    • sind der Meinung, daßdie Frage nach dem Verhältnis anderer Kirchen zu der Heiligen Katholischen Kirche, die in den Glaubensbekenntnissen bekannt wird, eine Frage ist, über die ein gemeinsames Gespräch notwendig ist;
    • erkennen in anderen Kirchen Elemente der wahren Kirche an;
    • sind bereit, sich im Gespräch miteinander darum zu bemühen, von dem Herrn Jesus Christus zu lernen, wie sie Seinen Namen vor der Welt bezeugen sollen;
    • wissen sich miteinander solidarisch, stehen einander in der Not bei und enthalten sich solcher Handlungen, die zu ihren brüderlichen [und schwesterlichen] Beziehungen in Widerspruch stehen würden;
    • treten in ein geistliches Verhältnis miteinander ein, in dem sie sich darum bemühen, voneinander zu lernen und einander zu helfen, damit der Leib Christi auferbaut und das Leben der Kirchen erneuert werde.

1.13Die verschiedenen Vollversammlungen des ÖRK haben wichtige Erläuterungen zur Basis sowie zum Wesen und zur Zielsetzung des Ökumenischen Rates der Kirchen formuliert. Die Vollversammlung in Neu-Delhi (1961) hat nicht nur die christologische Basis aus einer trinitarischen Sicht erweitert, sondern auch die "gemeinsame Berufung" der Kirchen anerkannt, die sichtbar durch den Zusammenschlußdes Internationalen Missionsrates mit dem ÖRK zum Ausdruck kam. Dieselbe Vollversammlung erlebte auch den Beitritt mehrerer großer orthodoxer Kirchen zur Gemeinschaft des ÖRK und nahm die erste formelle Erklärung zur "Einheit der Kirche" an: "Wir glauben, daßdie Einheit, die zugleich Gottes Wille und seine Gabe an seine Kirche ist, sichtbar gemacht wird, indem alle an jedem Ort, die in Jesus Christus getauft sind und ihn als Herrn und Heiland bekennen, durch den Heiligen Geist in eine völlig verpflichtete Gemeinschaft geführt werden..."

1.14Die Vollversammlungen in Uppsala (1968), Nairobi (1975), Vancouver (1983) und Canberra (1991) vertieften dieses gemeinsame Verständnis weiter, indem sie das Streben nach Einheit in seiner universalen Dimension entfalteten und dabei sowohl die menschliche Gemeinschaft als auch die Kirche in den Blick nahmen. Sie untersuchten Konzepte wie Konziliarität und konziliare Gemeinschaft (Uppsala und Nairobi), eine eucharistische Vision (Vancouver) und "Die Einheit der Kirche als Koinonia: Gabe und Berufung" (Canberra).

1.15Es könnten noch viele weitere bedeutende Erklärungen erwähnt werden, die sowohl im ÖRK als auch in anderen ökumenischen Kontexten entstanden sind. Doch haben viele Menschen den ÖRK als eine lebendige Gemeinschaft viel unmittelbarer und konkreter durch solche Initiativen verstehen gelernt, die die Kirchen zur Reflexion und zum Handeln auf lokaler Ebene angeregt haben: u.a. das Programm zur Bekämpfung des Rassismus, die Konvergenztexte über Taufe, Eucharistie und Amt, der konziliare Prozeßfür Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die Ökumenische Dekade "Solidarität der Kirchen mit den Frauen", die Studie über Evangelium und Kultur und das Programm zur Überwindung von Gewalt. Obwohl einige dieser Initiativen unter den und in den Mitgliedskirchen durchaus umstritten waren und sind, gehören sie doch als wichtige Merkmale zum Profil des ÖRK und müssen bei jedem Versuch, ein gemeinsames Verständnis des ÖRK zu formulieren, berücksichtigt werden.

2.1Es ist unmöglich, vom Ökumenischen Rat der Kirchen zu sprechen, ohne gleichzeitig die ökumenische Bewegung zu erwähnen, aus der er hervorgegangen ist und zu der er als weithin sichtbarer Teil gehört. Zwar ist die ökumenische Bewegung umfassender als ihre organisatorische Ausdrucksform, und der Rat ist im wesentlichen die Gemeinschaft seiner Mitgliedskirchen, doch dient er der ökumenischen Bewegung gleichzeitig als ein herausragendes Instrument und als Ausdrucksform. In dieser Eigenschaft setzt er sich nachdrücklich für den Erneuerungsimpuls ein, der die Bewegung seit ihren Anfängen charakterisiert hat.

Die Bedeutung des Begriffs "ökumenisch"

2.2Unter den Kirchen und ökumenischen Organisationen herrscht Unsicherheit, Unklarheit und sogar Verwirrung darüber, was mit der "ökumenischen Bewegung" eigentlich gemeint ist. Es besteht Übereinstimmung darin, daßder Begriff "ökumenisch" das Streben nach christlicher Einheit, gemeinsamem Zeugnis bei der Erfüllung der weltweiten Missions- und Evangelisationsaufgaben, sowie die Verpflichtung zur diakonia und zur Förderung von Gerechtigkeit und Frieden einschließt. Es gibt allerdings keine verbindliche Definition dieses Begriffs, der vielmehr zur Beschreibung eines breiten Spektrums von Aktivitäten, Ideen und organisatorischen Absprachen benutzt wird.

2.3Die vielleicht bekannteste Definition ist die vom Zentralausschußdes ÖRK 1951 auf seiner Tagung in Rolle ausgearbeitete Fassung.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daßdas Wort [ökumenisch], das aus dem griechischen Wort für die ganze bewohnte Erde [oikumene] abgeleitet ist, dann richtig gebraucht wird, wenn es all das bezeichnet, was mit der ganzen Aufgabe der ganzen Kirche zu tun hat, nämlich: das Evangelium der ganzen Welt zu verkündigen.

Dieser Satz war der Versuch, die früheren Definitionen zu erweitern im Sinn der Verknüpfung der Suche nach der Einheit der Kirche mit der Zusammenarbeit in Mission und Evangelisation.

2.4Neuere Beschreibungen des Ziels der ökumenischen Bewegung haben sich bemüht, der Überzeugung gerecht zu werden, daßsich der Versöhnungswille Gottes nicht nur auf die Kirche, sondern auf die ganze Menschheit, ja, die ganze Schöpfung bezieht. Die Vollversammlung des ÖRK in Vancouver (1983) sprach daher von einer "eucharistischen Vision", die

unsere beiden tiefsten ökumenischen Anliegen verbindet: Einheit und Erneuerung der Kirche sowie das Heilen und die Bestimmung der menschlichen Gemeinschaft. Die Einheit der Kirche ist von fundamentaler Bedeutung für das Wohlergehen der Kirche und für die Zukunft der menschlichen Familie... Christus - das Leben der Welt - eint Himmel und Erde, Gott und Welt, Geistliches und Weltliches. Sein Leib und Blut, die uns in den Elementen Brot und Wein gegeben werden, vereinigen Liturgie und Diakonie, Verkündigung und heilendes Amt... So schließt unsere eucharistische Vision die ganze Wirklichkeit des christlichen Gottesdienstes, Lebens und Zeugnisses ein.

Die Vollversammlung in Canberra (1991) sprach ergänzend davon, daß"wir dringend ein anspornendes Bild von einem sichtbar versöhnten Leben (brauchen), in dem ein absolutes Engagement für die Einheit und Erneuerung der Kirche und ein uneingeschränktes Engagement für die Versöhnung von Gottes Welt zusammengehalten werden... Wir müssen für die Vision einer bewohnten Erde (oikumene) eintreten, die auf Wertvorstellungen beruht, welche das Leben aller achten." Die Erklärungen beider Vollversammlungen gehen allerdings nicht wesentlich über die Aussage hinaus, daßdie verschiedenen Dimensionen zusammengehalten werden müssen.

2.5Innerhalb der ökumenischen Bewegung hat sich der ÖRK bemüht, die Vision in Johannes 17,21 ("daßsie alle eins seien ..., damit die Welt glaube") mit jener in Epheser 1,9-10 (Gottes "Ratschluß... wenn die Zeit erfüllt wäre, daßalles zusammengefaßt würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist") zu verbinden. Das Bemühen, die beiden biblischen Visionen miteinander zu verbinden, sieht sich jedoch in Frage gestellt durch ein kontinuierliches Spannungsverhältnis und bisweilen sogar Unvereinbarkeit zwischen denen, die sich für die soziale Dimension der Ökumene stark machen, und denen, die die geistliche und kirchliche Dimension der Ökumene in den Vordergrund stellen.

2.6In jüngerer Zeit wurde eine wachsende Zahl von Stimmen vor allem in den Kirchen in Asien, aber auch in Lateinamerika laut, die von der Notwendigkeit einer "erweiterten Ökumene" oder "Makro-Ökumene" sprechen - ein Verständnis, bei dem sich die ökumenische Bewegung anderen religiösen und kulturellen Traditionen über die christliche Gemeinschaft hinaus öffnen würde.

2.7Durch diese Unklarheiten im Verständnis dessen, was "ökumenisch" ist, besteht die Gefahr, daßman sich um die wahre Bedeutung streitet und es zu Spaltungen in der ökumenischen Bewegung kommt. Was ist Sinn und Zweck dieser Bewegung? Wer sind ihre Adressaten? Welches sind ihre Ziele und ihre Handlungsweisen oder Arbeitsstile? Aus welcher Quelle fließt die Dynamik, die uns befugt, von der "ökumenischen Bewegung" über ihre institutionellen Ausdrucksformen im ÖRK und anderswo hinaus zu sprechen?

Grundlegende Unterscheidungen und Erkennungsmerkmale

2.8Die Unklarheit über die Bedeutung des Begriffs "ökumenisch" wird sich in der gegenwärtigen Situation der Ungewißheit und des Übergangs nicht durch eine deskriptive - und noch weniger eine normative - Definition beseitigen lassen, die ein bestimmtes Modell, eine Strategie oder organisatorische Vereinigung zum Kriterium dafür erhebt, was "ökumenisch" ist. Ein gemeinsames Verständnis mußzahlreiche Perspektiven und eine Vielfalt von Themen einschließen. Dennoch können einige grundlegende Unterscheidungen dazu beitragen, den Gebrauch des Begriffs in diesem Dokument zu klären:

  • 2.8.1Die Dynamik der ökumenischen Bewegung hat ihre Wurzeln in dem Spannungsverhältnis zwischen den Kirchen, wie sie sind, und der wahren koinonia mit dem dreieinigen Gott und miteinander, die ihre Berufung und Gottes Gabe ist.
  • 2.8.2Die ökumenische Vision umfaßt die Erneuerung der Kirche und der Welt im Licht des Evangeliums vom Reich Gottes. Angesichts aller Bedrohungen für das Leben bekräftigt sie die christliche Hoffnung auf Leben für alle.
  • 2.8.3Die ökumenische Bewegung hat ihre Wurzeln im Leben der christlichen Kirchen, auch wenn sie sich an anderen Bemühungen um internationale, interkulturelle und interreligiöse Zusammenarbeit und Gespräche beteiligt. Sie ist jedoch nicht auf das Bemühen um zwischenkirchliche Beziehungen beschränkt und ist größer als die verschiedenen Organisationen, in denen sie Ausdruck gefunden hat.
  • 2.8.4Die ökumenische Bewegung versucht, Zusammenarbeit und Teilen, gemeinsames Zeugnis und gemeinsames Handeln unter den Kirchen und ihren Mitgliedern zu fördern. Spezifischer ausgedrückt ist sie jedoch eine Erneuerungsbewegung in und durch die Kirchen, die ihren Ausdruck in verschiedenen Initiativen und Kontaktnetzen unter Laien, besonders Frauen und jungen Menschen, gefunden hat. Sie verpflichtet sich zum Streben nach der sichtbaren Einheit nicht als Selbstzweck, sondern um glaubwürdiges Zeugnis abzulegen, "damit die Welt glaube" und um der Heilung der menschlichen Gemeinschaft und der Integrität von Gottes ganzer Schöpfung zu dienen.
  • 2.8.5Die ökumenische Bewegung ist zwar ihrem Umfang nach weltweit - im Einklang mit dem ursprünglichen Gebrauch des Wortes oikoumene, "die ganze bewohnte Erde"- , doch weist sie im eigentlicheren Sinne auf die Katholizität der Kirche, das heißt, auf die wesenmäßige Verbundenheit von Kirchen und christlichen Gemeinschaften auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene. An jedem Ort und an allen Orten geht es der ökumenischen Bewegung um das wahre Leben und Sein der Kirche als einer inklusiven Gemeinschaft.

2.9Die in den letzten Jahrzehnten entstandenen transnationalen und zunehmend auch weltweiten Strukturen in Kommunikation, Finanz und Wirtschaft haben eine besondere Art von globaler Einheit geschaffen. Es hat sich gezeigt, daßder Preis dafür die zunehmende Zersplitterung von Gesellschaften ist und die Ausgrenzung immer weiterer Teil der menschlichen Familie. In ihren eigenen internationalen Beziehungen geraten die Kirchen unter Druck, sich diesem System anzupassen und dessen Werte zu übernehmen, die in den meisten Fällen die geistliche Dimension des menschlichen Lebens außer acht lassen, wenn nicht sogar verleugnen. Diese Entwicklung ist daher eine ernsthafte Gefahr für die Integrität der ökumenischen Bewegung, deren Organisationsformen ein deutlich anderes Beziehungsmodell darstellen, das auf Solidarität und Miteinanderteilen, gegenseitige Rechenschaft und Hilfe zur Selbstbestimmung aufbaut. Auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert müssen alle bestehenden ökumenischen Strukturen eine Selbstüberprüfung vornehmen und damit auf die Herausforderung reagieren, eine Form und Qualität globaler Gemeinschaft sichtbar zu machen, die von Inklusivität und Versöhnung geprägt ist.

2.10Eine wichtige Aussage in der Frühphase der Zusammenarbeit der römisch-katholischen Kirche mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen war, daßbeide an "ein und derselben ökumenischen Bewegung" teilhaben. Diese Einheit der ökumenischen Bewegung impliziert nicht, daßdie vielen verschiedenen Ausdrucksformen der Bewegung nur eine einzige Struktur oder ein einziges Zentrum hätten. Auch soll damit nicht ein normatives Verständnis eingeführt werden, das exklusiv werden und damit der eigentlichen Bedeutung von ökumenisch im Sinne von "Ganzheit" widersprechen würde. Die Einheit der ökumenischen Bewegung bezieht sich grundsätzlich auf ihre Ausrichtung auf eine "gemeinsame Berufung". Dies wird letztlich durch die Kraft des Heiligen Geistes bewirkt, der in und durch die vielfältigen Manifestationen der Bewegung am Werk ist.

2.11Der Ökumenische Rat der Kirchen teilt mit vielen anderen Partnern, ob es sich um Institutionen handelt oder nicht, das Vermächtnis dieser einen ökumenischen Bewegung sowie die Verantwortung, sie lebendig zu erhalten. Als die umfassendste und repräsentativste Körperschaft unter den vielen verfaßten Ausdrucksformen der ökumenischen Bewegung hat der Ökumenische Rat die besondere Aufgabe, sich der weltweiten ökumenischen Anliegen anzunehmen und als Sachwalter des inneren Zusammenhangs der Bewegung zu dienen.

3.1Jede Diskussion über das Selbstverständnis des ÖRK mußbei der in der Verfassung enthaltenen Basis des ÖRK ansetzen, auf der der Rat gründet und mit der sich alle Mitgliedskirchen einverstanden erklären.

Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäßder Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Zwei Aspekte dieser Erklärung sind für die Formulierung eines erneuerten Verständnisses vom ÖRK von zentraler Bedeutung: (1) die Bezeichnung des Rates als "Gemeinschaft von Kirchen" und (2) die Betonung der "gemeinsamen Berufung", die die Kirchen im und durch den Rat zu erfüllen suchen.

Eine Gemeinschaft von Kirchen

3.2Die Beschreibung des ÖRK als eine "Gemeinschaft von Kirchen" macht deutlich, daßder Rat als solcher keine Kirche ist und niemals eine "Über-Kirche" werden darf - wie es in der Toronto-Erklärung kategorisch heißt. Hinzu kommt, daßdie Kirchen innerhalb dieser Gemeinschaft aufgrund ihres unterschiedlichen Kirchenverständnisses auch die Bedeutung dieser Gemeinschaft unterschiedlich verstehen. Diese Vielfalt war auf der Ersten Vollversammlung des ÖRK 1948 in Amsterdam wie auch auf der Tagung in Toronto 1950 sichtbar, auf der die vollständigste Erklärung zum Selbstverständnis des Rates verfaßt wurde. Sie besteht auch nach fünfzig Jahren, und infolge des Zusammenlebens sind weitere Auffassungen hinzugekommen. Dennoch kann gesagt werden, daßder Gebrauch des Begriffs "Gemeinschaft" in der Basis des ÖRK nahelegt, daßder Rat mehr ist als ein rein funktioneller Zusammenschlußvon Kirchen mit dem Ziel, Aktivitäten in Bereichen von gemeinsamem Interesse zu organisieren.

3.3"Gemeinschaft" wird zwar machmal benutzt, um das griechische Wort koinonia zu übersetzen, das ein Schlüsselwort in den neueren ökumenischen Diskussionen über die Kirche und ihre Einheit ist; doch sind die Beziehungen unter den Kirchen im ÖRK noch nicht eine koinonia im vollen Sinne (wie sie z.B. in der Erklärung der Vollversammlung von Canberra über "Die Einheit der Kirche als Koinonia: Gabe und Berufung" beschrieben wird). In der Verfassung des ÖRK (Artikel 3) wird der Rat aber dargestellt als eine Gemeinschaft von Kirchen auf dem Weg zu "dem Ziel der sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, und [bestrebt ist] auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube". In dem Maße, wie die Mitgliedskirchen die eine Taufe und das Bekenntnis zu Jesus Christus als Herrn und Heiland gemeinsam haben, kann man sogar (mit den Worten des Zweiten Vatikanum, Dekret über den Ökumenismus) sagen, daßzwischen ihnen schon jetzt eine "gewisse, wenn auch nicht vollkommene Gemeinschaft" besteht.

3.4Die Existenz des Ökumenischen Rates der Kirchen als eine Gemeinschaft von Kirchen stellt die Mitgliedskirchen daher vor eine "ekklesiologische Herausforderung" (wie das Ökumenische Patriarchat es formuliert hat): nämlich die Bedeutung und die Tragweite der Gemeinschaft, die sie im Rat erfahren, wie auch die ekklesiologische Bedeutung der koinonia zu klären, die Ziel und Zweck des ÖRK, aber noch nicht Wirklichkeit ist.

3.5Die folgenden Aussagen könnten zu einer solchen Klärung beitragen:

  • 3.5.1Die gegenseitige Verpflichtung, die die Kirchen im ÖRK füreinander eingehen, gründet auf der Erkenntnis, daßsie dank Gottes Handeln in Jesus Christus, das jeder ihrer Entscheidungen vorausgeht, miteinander verbunden sind. Darum hießes in der Botschaft der Amsterdamer Vollversammlung: "Christus hat uns zu seinem Eigentum gemacht, und in ihm ist keine Zertrennung."
  • 3.5.2Das Wesen des Rates besteht in den wechselseitigen Beziehungen der Kirchen untereinander. Der Rat ist die Gemeinschaft von Kirchen, die auf dem Weg zur vollen koinonia sind. Er hat eine Struktur und Organisationsform, damit er den Kirchen, die auf eine koinonia im Glauben, Leben und Zeugnis hinarbeiten, als Instrument dienen kann; der ÖRK darf aber nicht mit dieser Struktur identifiziert werden, und ebensowenig vermag er den Kirchen wirkungsvoll zu dienen, wenn diese nicht immer wieder selbst ihre eigene ökumenische Vision und Verpflichtung erneuern.
  • 3.5.3Diese Gemeinschaft im Rat ist nicht abstrakt oder statisch, noch beschränkt sie sich auf offizielle Kontakte zwischen institutionalisierten kirchlichen Einrichtungen und deren Verantwortlichen oder Repräsentanten. Sie ist vielmehr eine dynamische, durch wechselseitige Beziehungen geprägte Wirklichkeit, die sich auf das ganze Leben der Kirchen als Verkörperungen des Gottesvolkes erstreckt. Sie ist kein Selbstzweck, sondern existiert, um als Zeichen und Werkzeug von Gottes Mission und Handeln in der Welt zu dienen. Der ÖRK kann daher als eine missionarische, diakonische und ethische Gemeinschaft von Kirchen beschrieben werden.
  • 3.5.4Die Mitgliedschaft im Rat zwingt die Kirchen zwar nicht zu einem bestimmten Verständnis der Formulierung "Gemeinschaft von Kirchen", verpflichtet sie aber zum Gespräch darüber. Der ÖRK bietet einen Raum, in dem die Kirchen erforschen können, was es heißt, in Gemeinschaft miteinander auf dem Weg zu größerer Einheit in Christus zu sein. Darüber hinaus hat der ÖRK die Aufgabe, die Kirchen aufzurufen, über sich hinaus zu gehen und so die Einheit umfassendender sichtbar zu machen.
  • 3.5.5Die Kirchen in der Gemeinschaft des ÖRK erkennen an, daßdie anderen Mitglieder Christus angehören, daßdie Mitgliedschaft in der Kirche Christi umfassender ist als die Mitgliedschaft in ihrer eigenen Kirche und daßdie anderen Kirchen zumindest "Elemente der wahren Kirche" besitzen (Toronto). So wird jede Mitgliedskirche als gleichwertig Teilhabende am Leben des ÖRK angesehen, denn was jede Mitgliedskirche in die Gemeinschaft einbringt, hat nichts mit ihrer Größe und ihren Ressourcen zu tun, sondern ergibt sich daraus, daßsie in Christus ist.
  • 3.5.6Durch ihr Engagement füreinander im Rat sind die Kirchen bereit, sich voneinander zu einer tieferen, teureren ökumenischen Verpflichtung auffordern zu lassen. Diese Bereitschaft zur gegenseitigen Rechenschaft nimmt viele Formen an: sie wissen sich miteinander solidarisch, stehen einander in der Not bei, enthalten sich solcher Handlungen, die zu ihren brüderlichen und schwesterlichen Beziehungen im Widerspruch stehen würden, treten in ein geistliches Verhältnis miteinander ein, um voneinander zu lernen, und bemühen sich im Gespräch miteinander darum, "von dem Herrn Jesus Christus zu lernen, wie sie Seinen Namen vor der Welt bezeugen sollen" (Toronto).

3.6Zwar ist die Mitgliedschaft im ÖRK keineswegs die einzige Möglichkeit, die sich den Kirchen bietet, ökumenisch auf internationaler Ebene zusammenzuarbeiten, sie bedeutet aber, daßeine Kirche sich damit bereit erklärt, sich in einer sichtbaren, dauerhaften und organisierten Weise mit den Zielen der ökumenischen Bewegung und dem Streben nach tieferer Gemeinschaft zu identifizieren. Daher erschöpft sich die Mitgliedschaft nicht in einem einmaligen Beitritt, der es den Kirchen sodann erlaubt, problemlos mit der fortbestehenden Geteiltheit zu leben.

3.7Ebenso, wie sich das Verständnis der Gemeinschaft im Rat durch das Zusammenleben der Kirchen erweitert hat, hat sich auch das Verständnis dessen vergrößert, was eine Mitgliedschaft in diesem Gremium bedeutet.  

  • 3.7.1Mitglied zu sein bedeutet, daßdie Fähigkeit gefördert wird, gemeinsam mit Kirchen unterschiedlicher Herkunft und Tradition in Gemeinschaft zu beten, zu leben, zu handeln und zu wachsen - zuweilen durch Ringen und Konflikt. Es setzt die Bereitschaft und Fähigkeit voraus, Meinungsverschiedenheiten auf dem Weg des theologischen Gesprächs, des Gebets und des Dialogs beizulegen und umstrittene Fragen als eine Sache der gemeinsamen theologischen Beurteilung und nicht des politischen Sieges anzusehen.
  • 3.7.2Mitglied zu sein bedeutet, einander zu helfen, dem Evangelium treu zu sein, und einander in Frage zu stellen, wenn ein Mitglied sich offensichtlich von den Glaubensgrundlagen oder der Evangeliumstreue entfernt. Die Integrität der Gemeinschaft wird dadurch bewahrt, daßdie Kirchen sich im Geist des gemeinsamen Glaubens an das Evangelium füreinander verantwortlich fühlen und nicht, indem sie einander richten und ausschließen.
  • 3.7.3Mitglied zu sein bedeutet, an Aufgaben mitzuwirken, die über die Grenzen und Möglichkeiten einer einzelnen Kirche hinausgehen, und bereit zu sein, den eigenen spezifischen lokalen Kontext mit der globalen Wirklichkeit zu verbinden und es dieser globalen Wirklichkeit zu gestatten, Einflußauf die lokale Situation zu nehmen.
  • 3.7.4Mitglied zu sein bedeutet, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die ihre eigene Stimme hat. Zwar steht es den Kirchen frei, sich mit dem, was der ÖRK sagt, zu identifizieren oder nicht zu identifizieren. Sie sind aber verpflichtet, sich ernsthaft mit dem auseinanderzusetzen, was der Rat im Namen der Gemeinschaft als ganzer sagt oder tut.
  • 3.7.5Mitglied zu sein bedeutet, eine Verpflichtung einzugehen, die Vereinbarungen, die durch die gemeinsame theologische Studienarbeit und Reflexion der ganzen Gemeinschaft erzielt werden, im Leben und Zeugnis der eigenen Kirche zu verwirklichen.
  • 3.7.6Mitglied zu sein bedeutet, an einer Gemeinschaft des Teilens und der Solidarität teilzuhaben, anderen Mitgliedern in ihren Nöten und Konflikten beizustehen und mit ihnen ihre Freude und Hoffnung zu feiern.
  • 3.7.7Mitglied zu sein bedeutet, die Sendung der Kirche als eine gemeinsame Verantwortung zu verstehen, die mit anderen geteilt wird, und nicht, isoliert voneinander missionarisch oder evangelistisch tätig zu werden, und noch weniger, in Konkurrenz zu anderen christlichen Gläubigen zu treten oder Proselytismus unter ihnen zu betreiben.
  • 3.7.8Mitglied zu sein bedeutet, mit anderen Kirchen in eine Gemeinschaft des Gottesdienstes und Gebets einzutreten und konkrete Gelegenheiten zu gemeinsamem Gottesdienst und Gebet zu suchen, wobei die den einzelnen Traditionen gesetzten Grenzen respektiert werden.
  • 3.7.9Mitglied zu sein bedeutet, sich uneingeschränkt am Leben und an der Arbeit des Rates zu beteiligen und dabei auch für den Rat und alle seine Mitgliedskirchen zu beten, auf Vollversammlungen vertreten zu sein, die Arbeit des Rates entsprechend der eigenen Möglichkeiten durch regelmäßige Finanzbeiträge zu unterstützen und die Anliegen des ÖRK den Ortskirchen, Gemeinden und Gottesdienstgemeinschaften zu vermitteln.

Eine gemeinsame Berufung

3.8Durch den Ökumenischen Rat der Kirchen trachten die Kirchen danach, "gemeinsam zu erfüllen, wozu sie berufen sind". Dieser Satz, der der Basis auf Beschlußder Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 hinzugefügt wurde, verdeutlichte das dynamische Verständnis des Rates als einer Gemeinschaft von Pilgern, die sich gemeinsam auf dasselbe Ziel zubewegen - ein Verständnis, das bereits in der ursprünglichen Verfassung (1938) ausgedrückt wurde, in der es hieß: "Der Ökumenische Rat soll die Möglichkeit gegenseitiger Beratung und Gelegenheit für ein gemeinsames Vorgehen in Fragen gemeinsamer Interessen schaffen" (Artikel IV).

3.9Unter vielfältigen geschichtlichen Umständen und auf viele verschiedene Weisen haben die Mitgliedskirchen versucht, diese "gemeinsame Berufung" in den vergangenen fünfzig Jahren zu verwirklichen. Ihr Zeugnis ist weder vollkommen noch konsequent gewesen. Sie haben nicht immer gemeinsam gehandelt, wenn sie dies hätten tun können. Und doch haben sie durch Gottes Gnade die Kraft aufgebracht, Zeichen des Gehorsams und der Evangeliumstreue zu setzen, indem sie

  • 3.9.1zerbrechliche Kommunikationslinks aufgebaut und aufrechterhalten haben, wenn sie sich auf entgegengesetzten Seiten der durch - kalte und heiße - Kriege entstandenen Grenzen befanden;
  • 3.9.2im Namen Christi Millionen von Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, ihre Dienste angeboten und dazu beigetragen haben, gewaltsam zerschlagene Gesellschaften wieder aufzubauen; und sie haben dadurch neue Formen des Miteinanderteilens kennengelernt;
  • 3.9.3einander dazu herausgefordert haben, historische Fesseln der Abhängigkeit und Bevormundung abzustreifen, und neue Formen der Partnerschaft aufgebaut haben;
  • 3.9.4dort gemeinsam Zeugnis von Jesus Christus abgelegt haben, wo eine einzelne Stimme nicht gehört oder nicht ernst genommen worden wäre;
  • 3.9.5anderen Gehör geschenkt haben und bereit gewesen sind, aus deren Einsichten in zentralen Fragen der Lehr- und Lebensauffassung, über die sie uneins sind, zu lernen, und dabei unbeirrt an der Hoffnung festgehalten haben, daßdereinst die Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft sichtbar werden wird;
  • 3.9.6an vielen Orten, an denen die Menschenwürde mit Füßen getreten wird, seelsorgerliche Hilfe angeboten und zusammen mit anderen auf internationalen Foren die Rechte der Unterdrückten und an den Rand Gedrängten verteidigt haben;
  • 3.9.7im Gebet und durch Ermutigung Solidarität mit Kirchen zum Ausdruck gebracht haben, die Verfolgung erleiden und die sich in Krisensituationen bemühen, Gottes Willen zu erkennen;
  • 3.9.8sich nicht haben abbringen lassen von ihrem Urteil, daßjede Form von Rassismus, auch in ihrem eigenen Leben, unvereinbar ist mit dem Wort und Willen Gottes;
  • 3.9.9sich solidarisch mit den Frauen gezeigt und Strukturen in Frage gestellt haben, die Sexismus fördern, und indem sie für Gerechtigkeit für Frauen und für deren uneingeschränkte Mitwirkung in Kirche und Welt eingetreten sind;
  • 3.9.10versucht haben, ihre eigenen Gemeinden und die Organe ihrer Gemeinschaft inklusiver zu machen für Frauen, junge Menschen, Behinderte und alle anderen Personengruppen, die von Ausgrenzung bedroht sind;
  • 3.9.11gemeinsam Fürbitte geleistet und Gott gelobt haben und dabei die Worte und Musik der anderen geteilt haben, und indem sie begonnen haben, die Schrift mit den Augen der anderen zu lesen.

3.10Die Elemente dieser gemeinsamen Berufung sind in der Beschreibung der "Funktionen und Ziele" zusammengefaßt worden, die jetzt in Artikel 3 der ÖRK-Verfassung enthalten sind. Die gegenwärtige Formulierung ist von der Vollversammlung 1975 in Nairobi angenommen worden:

    • die Kirchen aufzurufen zu dem Ziel der sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube;
    • das gemeinsame Zeugnis der Kirchen an jedem Ort und überall zu erleichtern;
    • die Kirchen in ihrer weltweiten missionarischen und evangelistischen Aufgabe zu unterstützen;
    • der gemeinsamen Aufgabe der Kirchen im Dienst am Menschen in Not Ausdruck zu verleihen, die die Menschen trennenden Schranken niederzureißen und das Zusammenleben aller Menschen in Gerechtigkeit und Frieden zu fördern;
    • zur Erneuerung der Kirche in Einheit, Gottesdienst, Mission und Dienst zu ermutigen.
    • Beziehungen zu nationalen Kirchenkonferenzen, konfessionellen Weltbünden und anderen ökumenischen Organisationen aufzunehmen und aufrechtzuerhalten;
    • die Arbeit der internationalen Bewegungen für Glauben und Kirchenverfassung und für Praktisches Christentum sowie des Internationalen Missionsrates und des Weltrates für Christliche Erziehung weiterzuführen.

3.11Eine solche Aufzählung kann die zentralen Aufgaben lediglich allgemein beschreiben. Erst durch die dauerhafte Gemeinschaft der Kirchen im ÖRK nehmen diese "Funktionen und Ziele" in spezifischen Aktivitäten Gestalt an. Im Laufe dieses Prozesses haben neue Herausforderungen an Leben und Sendung der Kirche neue Dimensionen der ökumenischen Berufung hervortreten lassen. Es ist daher wichtig, daßdie Mitgliedskirchen von Zeit zu Zeit die Elemente ihrer gemeinsamen Berufung neu benennen, indem sie über die dynamische Natur der Gemeinschaft im ÖRK nachdenken und diese Reflexion zum Anlaßzu nehmen, sich dem Ökumene-Gedanken von neuem zu verpflichten. Der 50. Jahrestag der Gründung des ÖRK sowie der Anbruch eines neuen Jahrhunderts und eines neuen Jahrtausends lassen die Achte Vollversammlung als einen hierfür besonders geeigneten Augenblick erscheinen.

3.12Eine Formulierung der Ziele und Funktionen des Rates anläßlich seines 50jährigen Bestehens mußsowohl Kontinuität mit der Vergangenheit wahren als auch die neuen Herausforderungen der heutigen Zeit ansprechen. Eine solche Formulierung sollte:

  • 3.12.1die wesensmäßige Identität des ÖRK als eine Gemeinschaft von Kirchen anerkennen, die einander aufrufen zu dem Ziel der sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben findet, sowie durch Zeugnis und Dienst an der Welt;
  • 3.12.2die wichtigsten Aufgabenbereiche aufzählen, in denen die Kirchen durch den Rat dieses oberste Ziel verwirklichen;
  • 3.12.3deutlich machen, daßder Rat als eine Gemeinschaft von Kirchen eine Organisation ist, deren Mitglieder in ihr zusammenarbeiten, und nicht ein Gremium, das unabhängig von den Kirchen tätig wird;
  • 3.12.4Aspekte der ökumenischen Berufung anerkennen, die in jüngster Zeit stärker in den Vordergrund gerückt sind, darunter Anliegen im Zusammenhang mit der Bewahrung der Schöpfung, Beziehungen zu Menschen anderen Glaubens sowie die Förderung von Bildungs- und Lernprozessen, die Christen anregen, ökumenisch zu denken und zu handeln;
  • 3.12.5hervorheben, daßder Rat die Aufgabe hat, die ökumenische Bewegung zu stärken, nicht nur durch offizielle Beziehungen auf institutioneller Ebene, sondern auch durch die Unterstützung anderer ökumenischer Initiativen, die Schaffung von Netzwerken unter ökumenischen Organisationen und Gruppen, die Herstellung von Kontakten zu allen Kirchen, die die ökumenische Vision teilen sowie durch sein Wirken für den Zusammenhalt der vielen verschiedenen Ausdrucksformen der ökumenischen Bewegung.

Der Rat als eine Organisation

3.13Als eine Gemeinschaft von Kirchen und als Instrument zur Stärkung der ökumenischen Bewegung hat der Ökumenische Rat der Kirchen ein institutionelles Profil. Dieses Profil setzt sich aus vielen Komponenten zusammen; dazu gehören die Arbeit des Rates, die Veranstaltungen, die er organisiert, die Erklärungen, die er abgibt, die verschiedenen Images, die er von sich vermittelt. Allerdings darf der ÖRK als Institution nicht durch Institutionalismus gelähmt werden, denn seine Berufung zum Dienst an den Kirchen und der ökumenischen Bewegung erfordert einen lebendigen Organismus, der auf neue Herausforderungen, wie sie die sich ändernden Zeiten mit sich bringen, sowie auf neue ökumenische Partner eingehen und sich dem wachsenden Verständnis der ökumenischen Berufung anpassen kann.

3.14Strukturen sind das Mittel, mit dem der Rat versucht, zu einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben seiner Wirklichkeit als Gemeinschaft von Kirchen wirkungsvoll Ausdruck zu verleihen. Sie bilden die grundlegende Gestalt des Rates, den Rahmen für bestimmte Arbeitsaufteilungen. Veränderungen innerhalb dieses Rahmens bedeuten nicht, daßdie Erkenntnisse der Vergangenheit ersetzt werden oder deren Wert verleugnet wird, sie spiegeln vielmehr einen kontinuierlichen Dialog über Verständnisse und Vorstellungen wider.

3.15Die Strukturen zur Leitung des Rates sind in der Verfassung festgelegt. Sie bilden die institutionelle Grundgestalt des Rates. Diese Leitungsstrukturen sind Mechanismen, die sicherstellen sollen, daßsich die Aktivitäten, die im Rahmen der internen Organisationsstruktur des Rates unternommen werden, im Einklang mit den Vorstellungen, Bedürfnissen und Anliegen seiner Mitgliedskirchen und der ökumenischen Partner befinden. So, wie sie aufgebaut sind und funktionieren, sollen sie:

  • 3.15.1maximale Repräsentation, Partizipation und Transparenz bei der Bestimmung der programmatischen Ausrichtung und bei der Entscheidungsfindung sicherstellen und verhindern, daßsich Macht und Verantwortung in einer kleinen Gruppe konzentriert;
  • 3.15.2der Reflexion und Beratung über die zentralen Anliegen, denen sich die Kirchen heute gegenübersehen, Priorität einräumen vor organisatorischen und programmatischen Entscheidungen;
  • 3.15.3für Ablauf und Verfahrensweisen sorgen, bei denen die Stimmen aller gehört werden können und die nicht diejenigen privilegieren, denen es aufgrund ihrer kulturellen Herkunft, Sprache, Ausbildung oder Erfahrung leichter fällt, das Wort zu ergreifen;
  • 3.15.4stets um Kohärenz und Koordinierung der Aktivitäten des ÖRK und deren theologischer Grundlage bemüht sein anstatt als Forum für die Vertretung bestimmter Interessen und Anliegen zu dienen, die nicht miteinander verbunden sind (und dadurch dazu beizutragen, daß"Fragen der Einheit der Kirche" und "Fragen der Gerechtigkeit", "Ekklesiologie" und "Ethik", "pastorale Aufgaben" und "prophetische Aufgaben", "Mission" und "Dialog", "Beziehungen" und "Programme" weiterhin als Gegensatzpaare angesehen werden);
  • 3.15.5die Entscheidungs- und Leitungsinstanzen in den Mitgliedskirchen anregen und veranlassen, die Anliegen der Gemeinschaft von Kirchen aufzugreifen und in ihren lokalen Kontexten ökumenisch zu handeln, anstatt weiter den Eindruck zu vermitteln, als seien der ÖRK und die ökumenische Bewegung losgelöst von und außerhalb der Kirchen;
  • 3.15.6die Herstellung und Vertiefung von Beziehungen mit Kirchen ermöglichen, die für die ökumenische Gemeinschaft offen sind, eine Mitgliedschaft im Rat jedoch gegenwärtig als ekklesiologisch nicht möglich oder zuträglich erachten;
  • 3.15.7daher einen Vorgeschmack der vollen koinonia sichtbar machen, die die Kirchen durch die ökumenische Bewegung anstreben.

3.16Die interne Organisationsstruktur des ÖRK, die in seiner Satzung, in den Statuten und in den Satzungen der Programmeinheiten und Spezialeinheiten sowie durch die Beschlüsse der Leitungsgremien festgelegt wird, dient der effizienten Organisation der täglichen Arbeit des Mitarbeiterstabes, durch die die Beschlüsse und Programmrichtlinien der Leitungsorgane ausgeführt werden. Die Organisationsstruktur sollte:

  • 3.16.1die Identität des ÖRK als eine Gemeinschaft von Kirchen zum Ausdruck bringen, die auf einer trinitarischen theologischen Grundlage in dieser Körperschaft zusammengefunden haben. Dies bedeutet, daßsich die Arbeit des Rates einerseits integriert auf die Gesamtbreite der gemeinsamen Berufung zur Einheit bezieht und daßandererseits deutlich wird, wie alle seine Tätigkeiten auf der Hoffnung gründen, daßGottes Plan, wie er in Jesus Christus offenbart und durch die Kraft des Heiligen Geistes in der Welt vergegenwärtigt wird, nicht scheitern wird;
  • 3.16.2darauf ausgerichtet sein, die Gemeinschaft unter den Mitgliedskirchen zu fördern, und nicht auf den Aufbau oder die Erhaltung einer Organisation zu deren Selbstzweck;
  • 3.16.3der Vielfalt der in seinen Mitgliedskirchen vertretenen Kulturen und theologischen und geistlichen Traditionen gerecht werden und die Verpflichtung des ÖRK zu einer wahrhaft inklusiven Gemeinschaft sichtbar machen;
  • 3.16.4der Tatsache Rechnung tragen, daßdie einzigartige Identität und Erfahrung des Rates als einer Gemeinschaft, die gleichzeitig weltweit und Kirchen aller christlichen Traditionen gegenüber offen ist, ihn in die Lage versetzt, ganz bestimmte Elemente der ökumenischen Berufung wahrzunehmen; er kann
    • im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Kohärenz der einen ökumenischen Bewegung als Impulsgeber und Koordinator dienen;
    • als Vermittler zwischen Konfliktparteien oder als Fürsprecher für Gruppen dienen, die nicht für sich selber sprechen können;
    • aus der ganzen Breite der Erfahrungen seiner Mitgliedskirchen schöpfen und ein Nährboden für Ideen sowie eine Informationsquelle für Untersuchungen sein und den Kirchen somit helfen, gemeinsam ihr ökumenisches Bewußtsein zu erweitern und zu neuen Auffassungen von der Wirklichkeit zu gelangen;
    • die enge Verknüpfung von Lokalem und Globalem sichtbar machen, indem er anerkennt, daßlokale Fragen oft globale Konsequenzen haben und daßglobale Probleme häufig auf lokaler Ebene verschärft zum Ausdruck kommen;
    • aus seiner globalen Perspektive heraus ein prophetisches Wort zu den brennenden Problemen unserer Zeit sprechen;
  • 3.16.5in Partnerschaft mit Gruppen von Mitgliedskirchen und anderen ökumenischen Organisationen sicherstellen, daßdie Verantwortung für ökumenische Aktivitäten so nah wie möglich an den Ort der Ausführung gelegt wird.
  • 3.16.6den Rat befähigen, seine Arbeit und seinen Arbeitsstil ständig anzupassen, um den sich rasch ändernden Verhältnissen in der Welt und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kirchen in gezielter, wirkungsvoller und ökonomisch tragbarer Weise gerecht zu werden;
  • 3.16.7für die regelmäßige Planung, Überprüfung und Auswertung aller Aktivitäten sorgen.

4.1Wann immer Menschen im Namen Jesu Christi zusammengeführt werden, ist dies das Werk des Heiligen Geistes. Das bedeutet, daßalle Anstrengungen, die die Einheit der Kirche zum Ziel haben, und alle Initiativen, durch die Christen versuchen, an Gottes Heilshandeln in der Schöpfung teilzuhaben, grundsätzlich und in ihrem Innersten miteinander verbunden sind.

Kirchenräte und Kirchenkonferenzen

4.2Die Beziehungen zwischen dem ÖRK und regionalen, nationalen und örtlichen Kirchenräten (-konferenzen) oder Christenräten (Konferenzen) sind von zentraler Bedeutung für die Lebendigkeit und den Zusammenhalt der ökumenischen Bewegung. Letztere unterscheiden sich voneinander in ihrer verfassungsmäßigen Grundlage und ihrer Zusammensetzung. Während sich die meisten von ihnen, wie der ÖRK, aus Kirchen als Mitgliedern zusammensetzen, schließen einige von ihnen auch andere christliche Organisationen ein (z.B. Bibelgesellschaften, CVJM und CVJF). Mehreren der regionalen ökumenischen Organisationen (REOs) gehören nationale Kirchenräte und nationale Christenräte (NCCs) als Vollmitglieder an. Trotz aller dieser Unterschiede verfolgen jedoch alle dasselbe grundlegende Ziel.

4.3Alle Räte sind unabhängige Einrichtungen, welche strukturellen Links auch immer zwischen ihnen bestehen. Die Verfassung und Satzung des ÖRK erkennen an, daßsolche Einrichtungen auf regionaler und nationaler Ebene wesentliche Partner in den ökumenischen Bemühungen sind. Für Nationale Räte gibt es die Möglichkeit, vom ÖRK als angeschlossene Mitglieder anerkannt zu werden. Daneben haben die Mitgliederorganisationen der Konferenz für Weltmission und Evangelisation durch diese Konferenz strukturelle Beziehungen zum ÖRK. Die Weiterentwicklung und die Wechselbeziehung der ökumenischen Tagesordnung erfordern die Herstellung strukturierterer Beziehungen und eine bessere Koordinierung der Aktivitäten unter den Räten auf allen Ebenen.

4.4Da lokale, nationale, regionale und weltweite Kirchenräte alle Ausdrucksformen der einen ökumenischen Bewegung sind, sollten ihre Beziehungen von einem konziliaren Geist der Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit geprägt sein und nicht von Konkurrenz und dem Abstecken von Einflußbereichen. Die weltweite ökumenische Bewegung und ihre organisatorischen Ausdrucksformen bilden ein Netzwerk mit vielen Aktionszentren und stellen nicht eine hierarchisch aufgebaute Struktur mit einander übergeordneten Autoritätsebenen dar. Als ein Teil dieses Netzwerk kommt dem ÖRK eine wesentliche und ganz besondere Rolle zu als "der eine und einzigartige Ort, an dem die Kirchen auf weltweiter Ebene ökumenisch zusammenkommen, um miteinander zu sprechen und gemeinsam zu handeln. Der Rat macht die weltweite Interaktion von Christen deutlich sichtbar und ermöglicht es der ganzen Kirche, Christen in Krisensituationen zur Seite zu stehen" (Zentralausschuß1989). In einer Zeit der fortschreitenden Zersplitterung kommt der Aufgabe des ÖRK, weltweit Zeugnis abzulegen und Initiativen zu koordinieren, möglicherweise noch größere Bedeutung zu. Das heißt aber nicht, daßer eine "übergeordnete" Rolle spielt. Alle Räte - sofern sie dem ökumenischen Ziel der Ganzheit und des Heilens dien sind Gaben des einen Geistes und Ausdrucksformen der einen Gemeinschaft in Christus.

4.51992 nahm der ÖRK-Zentralaussschuß"Leitlinien für Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen regionalen ökumenischen Organisationen und dem Ökumenischen Rat der Kirchen" an. Darin werden die Beziehungen als "partnerschaftlich und auf ihrem gemeinsamen Glauben und ihrer gemeinsamen Verpflichtung [beruhend]" beschrieben. Sie zeichnen sich durch Komplementarität,wechselseitiges Vertrauen und Gegenseitigkeit aus. Während erhebliche Fortschritte beim Informationsaustausch sowie in der gegenseitigen Konsultation und der programmatischen Zusammenarbeit gemacht wurden, legen die Größenordnung der gemeinsamen Aufgaben und Herausforderungen und die dafür verfügbaren stark begrenzten Mittel die Einrichtung gezielterer struktureller Beziehungen nahe, um gemeinsame Planung und Entscheidungsfindung wie auch eine effizientere Arbeitsteilung zu ermöglichen. ÖRK und REOs erkennen beide die NCCs als wesentliche Partner in ihrer Arbeit an, welche Beziehungen zu den Mitgliedskirchen in einem gegebenen Land vermitteln und koordinieren; und dies sollte erkennbar werden bei allen Versuchen, einen umfassenden Rahmen zu entwickeln, der die verschiedenen Kirchenräte und Kirchenkonferenzen in der einen ökumenischen Bewegung miteinander verbindet.

4.6Die ökumenische Bewegung ist gleichzeitig universal und lokal. Das Einssein der weltweiten ökumenischen Bewegung sollte in jedem örtlichen, nationalen oder regionalen Kirchenrat sichtbar sein, wie auch der ÖRK Mittel und Wege finden muß, um in engem Kontakt mit der Wirklichkeit der örtlichen Gemeinschaften zu bleiben, in denen die Christen zum Gottesdienst und Dienen zusammenkommen.

Andere ökumenische Organisationen

4.7Neben seinen Beziehungen zu Kirchenräten von unterschiedlicher geographischer Reichweite steht der ÖRK auch in Beziehung zu einer Vielfalt anderer ökumenischer Organisationen.

4.8Eine wichtige Beziehung ist die zwischen dem ÖRK und den verschiedenen Einrichtungen, die unter der Bezeichnung weltweite christliche Gemeinschaften bekannt sind. Auch diese Beziehungen sollten von wechselseitiger Rechenschaft und Gegenseitigkeit geprägt sein, und der Rat sollte nach Mitteln und Wegen suchen, wie Aufgaben und Ressourcen mit diesen Partnern in der ökumenischen Bewegung geteilt werden können. Solches Miteinanderteilen ist besonders für diejenigen Einrichtungen wichtig, die sich als eine weltweite Gemeinschaft von Kirchen verstehen und deren Mitglieder mehrheitlich, wenn nicht gar vollzählig, gleichzeitig Mitgliedskirchen des ÖRK sind. Es sollten Wege gesucht werden, um solche Einrichtungen direkter in das organisierte Leben des ÖRK einzubinden. Eine starke Beziehung zwischen dem ÖRK und diesen Einrichtungen kann für beide bereichernd sein; es kann bei letzteren das Gefühl verstärken, daßsie Teil der weltweiten Gemeinschaft von Christen sind , und die Kirchen im Ökumenischen Rat daran erinnern, daßdie ökumenische Verpflichtung aus der Verwurzelung solcher Einrichtungen in einer kirchlichen Tradition Kraft beziehen kann.

4.9Der ÖRK ist als ein Rat von Kirchen verfaßt. Dies ist eine zentrale Aussage über seine Identität. Die Verfassungsurkunden des ÖRK erkennen allerdings an, daßder Rat Arbeitsbeziehungen mit einer breiten Vielfalt von internationalen ökumenischen Organisationen unterhalten muß, von denen einige älter sind als der ÖRK selbst. Dazu gehören Organisationen, die bestimmte Gruppierungen repräsentieren - z.B. junge Menschen, Studenten, Frauen, Laien - sowie Gremien und Einrichtungen mit speziellen Aufgaben oder Dienstfunktionen in Bereichen wie Bildung, Kommunikation, Ressourcenaustausch und Entwicklung. Als Organisationen mit internationaler Reichweite und internationalem Mandat verstehen sich die meisten als Einrichtungen, die in Antwort auf dieselbe ökumenische Berufung, der auch die Mitgliedskirchen des ÖRK folgen, einen besonderen Auftrag erfüllen. Eine stärkere Partnerschaft mit diesen Organisationen wird für das Bemühen des Rates, die eine ökumenische Bewegung zusammenzuhalten, von zentraler Bedeutung sein.

4.10Die Dynamik der ökumenischen Bewegung im letzten Jahrzehnt hat verschiedene christliche Gemeinschaften und Bewegungen entstehen lassen. Die meisten von ihnen haben eine flexible Organisationsstruktur und sind Teil eines größeren Netzwerkes von sozialen oder Basisbewegungen. Sie sind indessen wichtige Partner des ÖRK in seinem Dienst geworden, insbesondere in der Arbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Viele dieser Bewegungen haben innerhalb der Kirchen und über die Kirchen hinaus eine prophetische Rolle gespielt und neue Wege für das christliche Zeugnis in der größeren Gemeinschaft eröffnet. Der ÖRK sollte sich auch weiterhin als Forum anbieten, auf dem solche Gemeinschaften oder Bewegungen, deren Zielsetzung und Tätigkeit im Einklang mit der Basis und den Zielen und Funktionen des ÖRK stehen, zusammentreffen und zusammenarbeiten können.

Kirchen, die nicht Mitglieder des ÖRK sind

4.11Die römisch-katholische Kirche nimmt seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil aktiv an der ökumenischen Bewegung teil und arbeitet auf viele verschiedene Weisen als geschätzte Partnerin mit dem ÖRK zusammen (besonders in der Gemeinsamen Arbeitsgruppe und in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung). Die Mitgliedskirchen des ÖRK und die römisch-katholische Kirche sind erfüllt von derselben Sicht von Gottes Heilsplan, alles in Christus zusammenzufassen. Es erscheint uns undenkbar, daßder ÖRK oder die römisch-katholische Kirche ihre ökumenische Berufung weiter verfolgen könnte, ohne mit der anderen Institution zusammenzuarbeiten; und wir hoffen ganz fest, daßbeide danach streben werden, ihre Beziehungen zueinander in den nächsten Jahren zu vertiefen und zu erweitern, um so mehr als die römisch-katholische Kirche in den letzten Jahren Mitglied von immer mehr örtlichen, nationalen und regionalen ökumenischen Gremien geworden ist, denen auch Mitgliedskirchen des ÖRK angehören. Die Mitgliedschaft im ÖRK ist zwar nicht die einzige Art, wie Kirchen auf weltweiter Ebene zusammenarbeiten können, doch sind manche Mitgliedskirchen des ÖRK, die bilaterale Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche pflegen, überzeugt, daßdie Gemeinschaft des ÖRK ärmer ist dadurch, daßdie römisch-katholische Kirche diesem Kreis von Kirchen nicht angehört.

4.12Die Gemeinschaft im ÖRK ist eingeschränkt durch die Abwesenheit anderer Kirchen, die - aus verschiedenen Gründen - die Mitgliedschaft nicht gesucht haben. Beispielsweise bestehen nicht zu rechtfertigende Barrieren zwischen dem ÖRK und einigen evangelikalen Gemeinschaften und Pfingstkirchen, weil auf beiden Seiten Tendenzen bestehen, einander zu karikieren oder mit Gleichgültigkeit zu behandeln. Einige dieser Barrieren werden allmählich durch die Entwicklung kontinuierlicher Kontakte zwischen dem ÖRK und anderen Einrichtungen, wie z.B. der Internationalen Evangelischen Allianz, abgebaut. Diese Bemühungen sollten unterstützt werden durch die Entwicklung neuer Formen von Beziehungen - auf allen Ebenen - zwischen ÖRK-Mitgliedskirchen, anderen Kirchen und ökumenischen Organisationen.

Andere Organisationen und Gruppen

4.13Die untrennbare Verbindung des Wirkens für die Einheit der Kirche und des Wirkens für die Heilung und Ganzheit der ganzen Schöpfung wird den Rat oft zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit Menschen, Gruppen und Organisationen führen, die sich nicht durch ein bestimmtes christliches Ziel oder Engagement auszeichnen. Dazu gehören insbesondere repräsentative Organisationen anderer Glaubensgemeinschaften oder interreligiöse Einrichtungen. Wenn auch in diesen Fällen eine strukturelle Beziehung nicht möglich oder angemessen sein würde, so handelt es sich doch um unverzichtbare Partner für den ÖRK bei seinen Bemühungen, den Dialog und die Zusammenarbeit mit Menschen anderer Religionen zu fördern, um tragfähige menschliche Gemeinschaften aufzubauen.

4.14Erwähnt werden mußauch die große Zahl von internationalen nichtstaatlichen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen auf nationaler und internationaler Ebene sowie staatliche und zwischenstaatliche Institutionen, insbesondere die Vereinten Nationen und deren verschiedene Sonderorganisationen (bei denen der Rat schon seit langem beratenden Status hat). Die Herausforderungen der Globalisierung und die Bemühungen um eine auf Gerechtigkeit und Frieden aufgebaute Weltordnung machen enge Kontakte zwischen dem ÖRK und solchen Gruppen zu einer Notwendigkeit.