Pfarrer Dr. Samuel Kobia

28. August 2003

Eure Heiligkeit, Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, leitende Amtsträger und Amtsträgerinnen des Rates, verehrte Mitglieder des Zentralausschusses, liebe Gäste, liebe Kollegen und Kolleginnen im ÖRK und alle anderen Kollegen und Kolleginnen im Ökumenischen Zentrum -
Ich möchte Ihnen sagen, dass ich dieser Wahl mit großer Demut begegne. Ich empfinde tiefe Demut angesichts der großen Ehre, zum Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen gewählt worden zu sein. Meine Frau Ruth und unsere Tochter Nkatha sind hier anwesend. Zusammen mit meiner übrigen Familie schließen sie sich mir an, wenn ich Ihnen, Herr Vorsitzender, und dem Zentralausschuss dafür danke, dass Sie mir das Vertrauen geschenkt haben, mich zum nächsten Generalsekretär des Ökumenischen Rates zu wählen.

Trond Bakkevig und ich sind Freunde, schon seit langer Zeit. Er gehörte der Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung an, als ich Direktor der entsprechenden Einheit III war. Trond und ich haben viel Zeit zusammen verbracht, auch in Norwegen. Sein Engagement für die ökumenische Bewegung ist, wie Ihr, Eure Heiligkeit, gesagt haben, unübersehbar. Wir haben uns in Tirana, wo die Interviews durchgeführt wurden, gegenseitig versprochen, an unserer Freundschaft festzuhalten, wie immer dieser Prozess auch ausgeht, und so soll es auch bleiben.

Ich komme aus einer Kultur, in der ein solches Ereignis nicht als Sieg des Einzelnen angesehen wird. Es ist unser Sieg, der uns allen gehört, denn ich glaube, es ist Gottes Wille, dass ich gebeten wurde, dieses Amt in meiner ökumenischen Berufung zu übernehmen. In diesem Sinne nehme ich die Wahl an, denn gemeinsam können wir nicht scheitern.

Unsere Vielfalt ist unsere Stärke. Deshalb müssen wir den multilateralen Begegnungsraum erhalten, den der ÖRK den Kirchen aus aller Welt bietet. Es ist ein einzigartiger Raum, in dem Menschen aus Kirchen verschiedener Traditionen und unterschiedlicher geschichtlicher Entwicklungen einander in einer Weise begegnen können, die ihnen keine andere Organisation in der Welt bieten kann. Deshalb werde ich in tiefer Dankbarkeit gegenüber Gott und dieser Bewegung der Kirchen in diesem Amt dienen, mit Hingabe und all meiner Kraft und mit Gottes Hilfe.

Die Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK ist ein Modell dafür, wie Probleme in neue Möglichkeiten umgewandelt werden können. Wir können die Erstfrüchte dieses Prozesses schon schmecken. Wir wissen bereits, dass es akzeptiert worden ist, die Entscheidungsfindung im Konsensverfahren letztlich in unsere Verfassung aufzunehmen und zur Regel bei künftigen ökumenischen Versammlungen zu machen. Herr Vorsitzender, ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dieser Zentralausschuss beschlossen hat, die Empfehlungen anzunehmen, die die Sonderkommission formuliert hatte. Ich möchte Ihnen und diesem hohen Gremium versichern, dass wir alle Empfehlungen der Sonderkommission getreu erfüllen werden.

Wir leben heute in einer Welt, die wir als eine gebrochene Welt erfahren, als eine Welt, in der die Menschen nach einem sinnvollen Leben und nach Sicherheit streben und in der doch viele ein sinnloses und unsicheres Leben führen. Die Antwort darauf finden wir weder in der Politik noch in der Wirtschaft. Wir finden sie auch nicht in militärischer Macht. Das Problem der heutigen Menschheit ist zutiefst geistlich und moralisch. Und daher ist es eine ungeheure Herausforderung für den ÖRK. Wir werden nicht aufhören, für die Heilung der Welt zu arbeiten und für die Wiederherstellung der Würde aller Glieder des Volkes Gottes.

Die Herausforderung, vor der die Welt heute steht, ist die Frage, wie wir als Menschen und nicht nur als Verbraucher und Verkäufer, als Mächtige und Machtlose miteinander umgehen. Die Ungerechtigkeiten der vorhergehenden Jahrhunderte haben uns eingeholt und verfolgen uns im 21. Jahrhundert. Wenn keine Lösung für diese historischen Ungerechtigkeiten gefunden wird - und bis sie gefunden ist - , wird es für jede und jeden von uns schwierig sein, sich in dieser Welt sicher zu fühlen. Als Rat der Kirchen verpflichten wir uns, dafür einzutreten, dass Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung mit gewaltlosen Mitteln herbeigeführt werden.

Wenn der ÖRK stark genug sein soll, die Welt zu inspirieren, so benötigen wir innere Kraft. Unsere Stärke liegt auch in unserer Einheit. Wenn wir bekräftigen, dass der ÖRK zuallererst eine Gemeinschaft von Kirchen ist, deren Hauptziel darin besteht, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen und "auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube", müssen wir zusammenarbeiten und andere müssen sehen können, dass wir zusammenarbeiten. Das Grundsatzdokument "Gemeinsames Verständnis und gemeinsame Vision" (CUV) hat einen Rahmen geschaffen, der es den Mitgliedern des ÖRK erlaubt, ihre ökumenische Berufung neu zu bekräftigen.

Herr Vorsitzender, ich möchte dem ausscheidenden Generalsekretär, meinem Kollegen und lieben Freund Dr. Konrad Raiser, meine Hochachtung bezeigen. Konrad hat in sehr schwierigen Zeiten, in denen wir insbesondere mit finanziellen Problemen konfrontiert waren, Führungsstärke und Weisheit bewiesen. Dank seiner Zielstrebigkeit und Entschlossenheit verlässt er den Rat in einer Zeit, in der wir erste Anzeichen finanzieller Erholung spüren. Ich möchte dir versichern, lieber Konrad, dass ich das, was du in deinem Bericht an den Zentralausschuss gesagt hast - dass die ökumenische Berufung integraler Bestandteil deines Dienstes geworden ist und dass dein Engagement mit der Beendigung deiner gegenwärtigen Aufgabe nicht aufhören wird -, mit großer Freude zur Kenntnis genommen habe.

Liebe Freunde, Sie wissen alle, dass die Einnahmen des Rates in den letzten sieben Jahren kontinuierlich gesunken sind - von sfr 82,4 Millionen im Jahr 1996 auf sfr 44,1 Millionen im Jahr 2002. Wie ich bereits gesagt habe, geht aus dem Bericht des Finanzausschusses dieses Zentralausschusses hervor, dass unsere Einnahmen im Jahr 2003 stabil geblieben sind. Wir werden nichts unversucht lassen, um sicherzustellen, dass diese Tendenz anhält. Die missliche Finanzlage des Rates - dem werden der Generalsekretär und meine Kollegen und Kolleginnen zustimmen - hat bei uns allen zu großer Sorge und emotionalen Belastungen geführt. Ich selbst bin auch ÖRK-Stabsmitglied. Ich habe am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, unter solchen finanziellen Zwängen zu arbeiten. Ich glaube, dass eine unserer wichtigsten Aufgaben darin besteht zu versuchen, diese missliche Lage zu beenden. Wir können dies erreichen, wenn wir es gemeinsam angehen. Meine Vision für die kommenden Jahre ist es, dass wir auf finanzielle Stabilität hinarbeiten und dass wir sie erreichen. Was ich kurzfristig in der Zeit bis zur Vollversammlung 2006 zu tun beabsichtige, ist, unsere Zusammenarbeit mit kirchennahen Einrichtungen und Hilfswerken zu vertiefen, die bis zu 80% unserer Programmarbeit finanzieren. Wir können in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht unter denselben belastenden Bedingungen weiter arbeiten und gleichzeitig die Vollversammlung angemessen vorbereiten und durchführen, wenn wir unsere Einnahmen nicht stabilisieren können. Ich setze deshalb meine Hoffnung in unsere ökumenischen Partner und werde an sie appellieren, uns bei dieser Aufgabe zu helfen.

Längerfristig möchte ich den Zentralausschuss zur Ernennung einer kleinen Gruppe aufrufen, die gemeinsam mit dem Generalsekretär Ideen zusammentragen soll - Ideen, die uns helfen werden, Mittel zu beschaffen, damit wir die Kernarbeit des ÖRK finanzieren können. Dies ist eine große Aufgabe, aber ich glaube, wir müssen und werden sie bewältigen, so Gott will.

Als Generalsekretär werde ich mich als Kapitän des Teams betrachten. Jedes Mitglied des Teams ist wertvoll, weil wir nur mit Beteiligung aller Erfolg haben können. Das Wohl unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat daher für mich eine hohe Priorität. Die Arbeit des Generalsekretärs besteht nicht nur aus der Leitung der Programmarbeit und Finanzmanagement. Entscheidender noch ist, dass sie geistliche Führung ist. Wir müssen nach Möglichkeiten suchen, das geistliche Leben in der Gemeinschaft des Ökumenischen Zentrums selbst zu vertiefen. Weil dies nicht leicht sein wird, möchten wir den Zentralausschuss dazu aufrufen, uns in dem Bestreben zu begleiten, unsere Spiritualität in unserem Leben hier in dieser Gemeinschaft zu vertiefen.

Als Generalsekretär möchte ich gerne glauben, dass der Zentralausschuss mich nicht gewählt hat, um mich dann alleine zu lassen. Ich möchte Sie dazu aufrufen und darum bitten, mich zu begleiten. Das ist gar nicht so schwer, und ich weiß dies, weil ich zuvor als Generalsekretär des Nationalen Kirchenrats von Kenia tätig war. Ich weiß, dass es um so kälter wird, je höher man gelangt. Als Generalsekretär wird man häufig von Menschen aufgesucht, die erwarten, dass man sie in jeder denkbaren Weise unterstützt, auch emotional und geistlich. Doch zu wem kann der Generalsekretär gehen? Daher schlage ich vor, dass wir einen Mechanismus finden, eine Möglichkeit, mit jedem und jeder von Ihnen in Kontakt zu sein, angefangen mit Ihnen, Herr Vorsitzender, und den leitenden Amtsträgern und Amtsträgerinnen - damit wir gemeinsam unterwegs sind, da es eine Reise ist, die wir gemeinsam machen müssen.

Ich glaube, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert sein wird, in dem Spiritualität eine zentrale Rolle in unserem Leben spielen wird. Geistliche Begleitung sollte zu dem werden, was soziale Solidarität im 20.Jahrhundert war. Ich möchte Möglichkeiten finden, wie man die geistliche Begleitung unter den ÖRK-Mitgliedskirchen und anderen Kirchen vertiefen und erweitern kann. Das könnte einfach so aussehen, dass Menschen in Kirchen im Pazifik oder an anderen Orten sich zum Gebet niederknien und anderen Kirchen in den USA oder Europa oder anderswo mit ihrem Gebet unterstützen, wenn diese ihren Beistand brauchen. Und wir werden uns bemühen, lebendige Briefe zu schicken, die von Mensch zu Mensch sprechen können - von Herz zu Herz und nicht nur von Institution zu Institution.

Herr Vorsitzender, ich möchte meine Bemerkungen anlässlich meiner Wahl mit einem afrikanischen Sprichwort beenden: "Wenn du schnell gehen willst, gehe alleine. Doch wenn du weit gehen willst, gehe mit anderen." Ich bete darum, dass wir in dieser ökumenischen Bewegung noch sehr weit gehen werden, gemeinsam, einander stärkend, um so das Gebet unseres Herrn zu erfüllen, dass alle eins sein mögen, zur Ehre des dreieinigen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist.