Der folgende Bericht wurde der Vollversammlung vorgelegt und von ihr entgegengenommen. Die darin enthaltenen Beschlussfassungen wurden vom Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten vorgeschlagen und von der Vollversammlung im Konsens gebilligt. Abweichende Meinungen von Vollversammlungsdelegierten erscheinen als Endnoten.

1. "Die Gewalt des Terrorismus - in allen seinen vielfältigen Formen - ist verabscheuungswürdig für alle, die glauben, dass menschliches Leben eine Gabe Gottes und aus diesem Grunde unendlich wertvoll ist. Jeder Versuch, andere Menschen einzuschüchtern durch willkürliche Handlungen, die zu Tod und Verletzungen führen, ist immer und überall zu verurteilen. Die Antwort auf den Terrorismus darf jedoch nicht eine Antwort mit den gleichen Waffen sein, denn dies kann zu mehr Gewalt und mehr Terror führen. Vielmehr ist ein gemeinsames Engagement aller Nationen nötig, um jegliche Möglichkeit zur Rechtfertigung solcher Handlungen zu beseitigen."

2. Diese Botschaft aus dem Brief des ÖRK-Generalsekretärs an den Generalsekretär der Vereinten Nationen vom 1. Oktober 2001 wird von der Neunten Vollversammlung des ÖRK bekräftigt.

3. In letzter Zeit haben Terrorakte und einige Aspekte des sogenannten "Kriegs gegen den Terror" eine neue Dimension von Gewalt geschaffen. Überdies sind grundlegende völkerrechtliche Gesetze und Normen, einschließlich seit langer Zeit bestehender Menschenrechtsstandards bedroht.

4. Terroristen berufen sich bei ihrem Handeln auf absolute Forderungen. Manchmal wird Religion als Vorwand für die Anwendung von Gewalt benutzt, die als von Gott gebilligt verstanden wird. Wir sind hier versammelt als Vertreter und Vertreterinnen von Kirchen aus allen Teilen der Welt und erklären unmissverständlich, dass Terror in Form von willkürlichen Gewaltakten gegen unbewaffnete Zivilpersonen zu politischen oder religiösen Zwecken nie gesetzlich, theologisch oder ethisch gerechtfertigt werden kann.

5. Die Neunte Vollversammlung des ÖRK unterstützt das erklärte Ziel der Dekade zur Überwindung von Gewalt "auf jede theologische Rechtfertigung von Gewalt zu verzichten und erneut die Spiritualität von Versöhnung und aktiver Gewaltlosigkeit zu bekräftigen".

6. Terrorakte sind Verbrechen und sollten unter Anwendung der Instrumente der Rechsstaatlichkeit geahndet werden, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Diese Instrumente sollten gestärkt werden. Die international anerkannten Menschenrechts- und Völkerrechtsnormen und -Standards sind das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen und sie wurden spezifisch dafür geschaffen, mit Krisensituationen und Bedrohungen für einzelne Menschen und Gesellschaften umzugehen. Es besteht die Gefahr, dass diese Instrumente durch die Reaktion auf den Terror ausgehöhlt werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, sich dieser Aushöhlung von Rechten und Freiheiten entgegenzustellen. Der "Krieg gegen den Terror" hat Krieg neu definiert und das Völkerrecht und die Menschenrechtsnormen und -Standards relativiert. Eine militärische Reaktion auf den Terror kann zu willkürlicher Zerstörung führen und die betroffene Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Damit könnte im Umgang mit Fällen von Terror ein gewaltsamer Ansatz anstatt eines strafrechtlichen Ansatzes legitimiert werden. Die internationale Gemeinschaft sollte beim Umgang mit dem Terror zusammenarbeiten, insbesondere durch die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes, damit dieser auf Terrorakte reagieren kann. Terrorismus kann nur von der internationalen Gemeinschaft überwunden werden, wenn sie die Menschenwürde und die Rechtsstaatlichkeit achtet.

7. Die Kirchen und alle anderen Glaubensgemeinschaften müssen auf die Wirklichkeit einer Welt, in der die Menschen durch Angst terrorisiert werden, reagieren. Zu einem solchen Zeitpunkt ist es angemessen, auf die reichhaltigen Ressourcen der Religion hinzuweisen, die uns hin zu Frieden und Versöhnung führen können. Diese Ressourcen sollten genutzt werden, wenn Religionsgemeinschaften und religiöse Führungspersönlichkeiten zusammenkommen, um ihre Stimme zu erheben gegen alle Terrorakte und gegen jeglichen Versuch, Terror zu legitimieren. Gehandelt werden sollte auch gegen jeglichen Versuch, auf Terror mit militärischen Mitteln zu reagieren und Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu missachten. Die religiösen Gemeinschaften und ihre Führungspersönlichkeiten sollten sich an vorderster Front für eine Gesellschaft einsetzen, die von Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenwürde geprägt ist. Die Kirchen haben eine entscheidende Rolle zu spielen, indem sie diese Themen in eine Kultur des Dialogs einbetten.

Beschlussfassung:

Die vom 14. - 23. Februar 2006 in Porto Alegre (Brasilien) tagende Neunte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen

a) nimmt die Erklärung über Terrorismus, Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte an;

b) bekräftigt die Rolle der Kirchen, Frieden anzustreben und zu fördern. Gewalt gegen unbewaffnete und unschuldige Zivilpersonen zu politischen oder religiösen Zwecken durch Staaten und nichtstaatliche Akteure kann nie gesetzlich, theologisch oder ethisch gerechtfertigt werden;

c) fordert die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen eindringlich auf, sich auf eine klare Definition des Begriffs Terrorismus zu einigen;

d) fordert dringend dazu auf, Terrorakte und terroristische Bedrohungen sowie organisatorische Unterstützung von Terror als strafrechtliche Vergehen anzusehen. Die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung müssen entmilitarisiert werden und das Konzept des "Kriegs gegen den Terror" muss von den Kirchen klar und entschlossen in Frage gestellt werden;

e) würdigt die theologische Arbeit der Kirchen zum Konzept der Sicherheit und ruft zu einer Weiterentwicklung dieser Arbeit auf;

f) unterstreicht die Notwendigkeit, die Kirchen zu begleiten, wenn sie prophetisch und kreativ in einer pastoralen und prophetischen Mission reagieren, um all denjenigen zu helfen, die in ihrer Angst gefangen sind.

g) ermutigt interreligiöse Initiativen zur Mobilisierung alternativer Reaktionen auf Terrorismus, die sich nicht auf Gewalt gründen. Sie sollten alle Versuche ablehnen, Terrorakte als Antwort auf politische und soziale Probleme zu rechtfertigen und eine aktive Rolle bei der Konfliktprävention einnehmen, indem sie als ein Frühwarnsystem agieren und eine Kultur des Friedens für das Leben schaffen;

h) bekräftigt, dass alle Maßnahmen von Staaten zur Terrorismusbekämpfung im Rahmen der internationalen Rechtsstaatlichkeit stehen und die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht respektieren müssen. Die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung sollte nicht zur Demütigung und zur Verletzung der Menschenrechte und der Menschenwürde führen. Die Staaten und die Völkergemeinschaft müssen über die Zusammenarbeit im Bereich der Polizei und des Militärs hinausgehen und eine Zusammenarbeit zur Bekämpfung der tatsächlichen Ursachen des Terrorismus anstreben.