Text:

Exodus 2, 16-17

Der Priester in Midian aber hatte sieben Töchter; die kamen, Wasser zu schöpfen, und füllten die Rinnen, um die Schafe ihres Vaters zu tränken.  Da kamen Hirten und vertrieben sie. Mose aber stand auf und half ihnen und tränkte ihre Schafe.

Reflexion

Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 200 km/h werden 500 Liter Wasser pro Sekunde 140 Meter hoch in den Himmel von Genf emporgespritzt: Der Jet D’eau kann zweifellos als eines der Wunder Genfs bezeichnet werden. Die Fontäne ist nicht nur ein Symbol der Stärke, des Ehrgeizes und der Vitalität der „Genevois“ und der Schweizer im Allgemeinen, sondern unterstreicht auch den Wasserreichtum in der Schweiz. Bei einem kurzen Spaziergang durch beinahe jedes Viertel oder jede Gemeinde in Genf wird man überall keine Brunnen sehen, die entweder mit „eau potable“ (Trinkwasser) oder „eau non-potable“ (kein Trinkwasser) beschriftet sind, Überbleibsel aus der Zeit, in der es noch nicht selbstverständlich war, dass jeder Haushalt einen Wasseranschluss zur Verfügung hat.

Angesichts der Tatsache, dass Wasser in der Schweiz so reichlich und jederzeit zugänglich zur Verfügung steht, könnte man davon ausgehen, dass all unsere Nachbarn gleichermaßen gesegnet sind. Doch mindestens 30 % der europäischen Bevölkerung sind jährlich von einem Mangel an sauberem Trinkwasser betroffen, und es wird erwartet, dass sich dieser Anteil in den kommenden Jahren noch erhöht (EEA 2021). Es ist schwer zu akzeptieren, dass es noch im Jahr 2017 Gemeinden in Bosnien und Herzegowina gab, die nur eingeschränkten Zugang zu einer regelmäßigen Versorgung mit Trinkwasser hatten. Dort vertrockneten die Brunnen und Quellen im Sommer oft. Das verschärfte das Problem nicht nur, sondern bedeutete auch, dass Frauen und Mädchen (die Hauptwasserträger) immer weiter auf die Felder hinausgehen mussten, um dieses kostbarste Gut zu erreichen.

Die Wasserbeschaffung ist nicht immer ohne Schwierigkeiten. Die Töchter von Jitro und damit sein Einkommenspotential und seine Produktivität waren durch Hirten gefährdet, die ihre Verwundbarkeit ausnutzten. Auch heute noch stellt dies eine Herausforderung dar; die UNESCO berichtet über Langzeitfolgen wie zum Beispiel „… vermeidbare Krankheiten, Stress, Skelett-Traumata, sexuelle Gewalt und Ausfallzeiten.“ (UNESCO 2021). Wasserknappheit beeinflusst auch die Monatshygiene und die Leistungsfähigkeit, was zu einer verringerten Teilnahme am Schul- und Arbeitsleben für Mädchen und Frauen führt; und dies wiederum beeinflusst die Arbeitsfähigkeit negativ und verschlimmert die wirtschaftliche Ungerechtigkeit im Allgemeinen.

Das Eingreifen von Moses reduzierte die Zeit zur Wasserbeschaffung in erheblichem Maße, so viel, dass Jitro sich dazu äußerte. Moses´ Antwort ist anerkennenswert, könnte jedoch unter anderen kulturellen Normen überflüssig gewesen sein. Wäre die Kultur damals (und auch heute noch) eine andere gewesen, hätte Jitro Menschen einstellen können, die für das Wohlergehen seiner Töchter sorgen könnten, oder er hätte die Aufgabe seiner Töchter Männern übertragen. Es ist ungerecht, den Frauen die Verantwortung für die Wasserbeschaffung für die Nachhaltigkeit ihrer Gemeinschaft zu übertragen; insbesondere, wenn sie dadurch einem Risiko ausgesetzt sind. Dies muss sofort aufhören.

Die Schweiz hält ihre Verpflichtung zu sauberem Trinkwasser weiterhin ein, und sie wird als eines der Länder genannt, die die Bereitstellung eines Wasseranschlusses in jedem Haushalt in Bosnien und Herzegowina unterstützt haben. Man könnte argumentieren, dass sie die Rolle des Moses gespielt hat, indem sie sicherstellte, dass ihre Nachbarn Zugang zu ausreichend Trinkwasser erhalten, wodurch die Möglichkeiten für Selbstversorgung, Bildung und verbesserte Hygiene geschaffen wurden. Es ist an der Zeit, sauberes Wasser für alle zu garantieren und die Normen zur Wasserbeschaffung zu ändern. Dies war auch der Schwerpunkt der ECI (Europäische Bürgerinitiative)-Kampagne, unterstützt vom Ökumenischen Wassernetzwerk des Ökumenischen Rates der Kirchen. Während ein Wasseranschluss in Haushalten nun fast in ganz Europa vorhanden ist, bleibt sicheres Trinkwasser für viele ein Problem; und es ist auch global die zentrale Herausforderung. Wenn wir am morgigen Tag die Gleichstellung der Frau in allen Bereichen herausstellen, möge unsere Arbeit und unser Zeugnis diesen Internationalen Frauentag bekräftigen:

Sicheres Wasser ist nicht nur ein nachhaltiges Ziel – es muss ein Menschenrecht für ALLE sein.

Fragen zu Diskussion

  1. Welche Herausforderungen siehst Du bei dem Zugang zu Trinkwasser in Deiner Region? Wie werden diese angegangen?
  2. Wer ist in Deinem Kontext mit Moses vergleichbar, wer erhebt seine Stimme gegen Geschlechterungerechtigkeit und Wasserstress, und handelt es sich bei ihnen um Männer oder Frauen?

Handlungen

  • Unterstütze Organisationen, die sich für die Wasserversorgung für gefährdete Gemeinschaften in Ländern mit geringer Wirtschaftskraft einsetzen und spende oder biete Deine Hilfe an
  • Unterzeichne/Starte eine Petition zur Verabschiedung von Gesetzen und Infrastruktur für sicheres Wasser; oder äußere Deine Meinung dort, wo sie gehört wird – UN, regionale Organisationen, bei lokalen Politikern (z. B. die ECI-Kampagne „Wasser ist Menschenrecht“, die 2 Millionen Unterschriften generiert hat: https://right2water.eu/)
  • Nutze die ÖRK-Kampagne Donnerstags in Schwarz (#ThursdaysinBlack) oder andere Kampagnen, um Dich für eine Änderung der systemischen Ungerechtigkeit einzusetzen, wo immer Du auf der Welt bist.

Quellen

Water Stress is a Major and Growing Concern in Europe, (Wasserstress ist ein wichtiges und an Bedeutung gewinnendes Anliegen in Europa) Europäische Umweltagentur Oktober 2021 https://www.eea.europa.eu/highlights/water-stress-is-a-major#:~:text=About%2030%20%25%20of%20Europe's%20population,magnitude%2C%20and%20impact%20of%20droughts

Water and sanitation are still a luxury for millions of Europeans (Wasser und sanitäre Anlagen sind noch immer ein Luxus für Millionen Europäer), Bericht von WHO Europa  https://www.euro.who.int/en/health-topics/environment-and-health/water-and-sanitation/water-and-sanitation

When opening the tap is a first-time experience (Wenn man zum ersten Mal in seinem Leben den Wasserhahn aufdreht) 22. Juni 2018 Https://www.eurasia.undp.org/content/rbec/en/home/stories/when-opening-the-tap-is-a-first-time-experience.html

Schnittpunkt von Gender und Wasser

Accelerating Gender Equality in the Water Domain: A Call for Action Positionspapier der UNESCO WWAP-Arbeitsgruppe Wasser und Gender 2021 https://en.unesco.org/sites/default/files/accelerating_gender_equality_in_the_water_domain_a_call_for_action_position_paper_final.pdf

Gleichberechtigter Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen

‘WHO and UNICEF Find Inequitable Access to Water and Sanitation in Europe’ (WHO und UNICEF sehen ungerechten Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen in Europa) – IISD SDG Knowledge Hub Dezember 2019 https://sdg.iisd.org/news/who-and-unicef-find-inequitable-access-to-water-and-sanitation-in-europe/

* Pastorin Nicole Ashwood (Nicqi) ist eine ordinierte Pastorin der Vereinigten Kirche in Jamaika und den Kaimaninseln. Derzeit bekleidet sie das Amt der Programmreferentin für Gerechte Gemeinschaften für Frauen und Männer im Ökumenischen Rat der Kirchen. Sie steht ein für die Belange von Frauen und Jugendlichen.

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Nicole Ashwood