Auf den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) stieß Dr. Katharina Kunter im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Kalten Krieg, das die Begegnung zwischen christlichen Einrichtungen im Osten und Westen vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Fall der Berliner Mauer untersucht. Bald erkannte sie, dass die Beziehungen zwischen Kirchen des „Nordens“ und dem globalen Süden den ÖRK und seine Mitgliedskirchen während dieser Jahrzehnte in ihrem Denken und Handeln genauso stark beeinflussten.

Kunter und andere Wissenschaftler/innen vom Karlsruher Institut für Technologie erforschen derzeit diesen Aspekt der „Globalisierung“ christlicher Kirchen. Fördermittel von Stiftungen und Beiträge kirchlicher Einrichtungen aus Deutschland haben das Forschungsprojekt ermöglicht, das sich mit der interregionalen Dynamik und deren Auswirkungen auf die Kirchen, insbesondere vom Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren bis zur Entwicklung des Programms zur Bekämpfung des Rassismus und anderen Programmen für soziale Gerechtigkeit in den 1970er Jahren, beschäftigt.

Das Projekt fand seinen Höhepunkt in einer internationalen Konferenz zu diesem Thema. In einem Seminar zu globalem Wandel und ökumenischer Erneuerung in den 1960er und 1970er Jahren wurden 15 Vorträge gehalten, die durch Podiumsdiskussionen und einen Film über die ÖRK-Vollversammlung 1968 in Uppsala ergänzt wurden. 35 Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil, die vom 4. bis 6. März im Ökumenischen Institut Bossey in der Schweiz stattfand.

Einer der Höhepunkt der Konferenz war eine Podiumsveranstaltung, auf der drei Persönlichkeiten der ökumenischen Bewegung ihre Perspektiven vorstellten: Mercy Amba Oduyoye aus Ghana, Julio de Santa Ana aus Uruguay und Dwain Epps aus den Vereinigten Staaten. Alle drei sind mittlerweile im Ruhestand und standen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts im Dienst des ÖRK.

Oduyoye beschrieb die späten sechziger und frühen siebziger Jahre im ÖRK als eine Zeit der zunehmenden „Einbeziehung von Personen und Anliegen vom Rand der Gesellschaft“, eine Zeit, in der die Stimmen aus dem globalen Süden deutlicher gehört wurden und nach und nach Gewicht in der Entscheidungsfindung bekamen.

Santa Ana mahnte, nicht alles dürfe in der Erinnerung als glückliche Zeit gesehen werden, denn die ökumenische Bewegung habe damals auch viele Konflikte durchlebt: der Traum von der vollen „organischen Einheit“ der Kirche sei untergegangen und es habe starke Spannungen zwischen den verschiedenen ökumenischen Strömungen innerhalb des ÖRK gegeben.

Epps räumte ein, einige hätten durchaus versucht, Barrieren auf dem Weg des Wandels zu errichten, doch dies habe die unterschiedlichen Parteien schließlich gezwungen, in einen offenen, ehrlichen Dialog miteinander zu treten und einen neuen Anlauf auf dem Weg zur christlichen Einheit zu nehmen.

An dem Seminar nahm auch Hans von Rütte, Schweizer Historiker und neu ernannter Archivar des ÖRK, teil. In der abschließenden Diskussion in Bossey bemerkte er: „Ich finde diesen Aspekt der „Globalisierung“ für die Entwicklung meines Verständnisses von dem, was ich heute im ÖRK sehe, sehr hilfreich.“

Die ökumenischen Dimensionen der Versöhnung zwischen Ost und West und der Begegnung zwischen Norden und Süden, erklärte er, „haben dazu beigetragen, die Welt globaler zu machen – mit anderen Worten multizentrischer, mit einem stärkeren Bewusstsein füreinander.“

Er fügte hinzu, die repräsentative Organisationsstruktur des Rates habe im Zusammenspiel mit der Präsenz von Kirchengemeinden selbst in kleinen Gemeinschaften direkte Verbindungen und direkte Kommunikation zwischen den lokalen und globalen Ausdrucksformen des Christentums ermöglicht.

Der ÖRK arbeitet weiter an den Herausforderungen, Spannungen und Chancen, die durch nebeneinander bestehende Kulturen und politische Systeme sowie durch die Begegnung von westlichem Protestantismus und östlicher Orthodoxie, von Gemeinsamkeiten und Dissonanzen in der „klassischen“ Theologie und regionalen kontextgebundenen Theologien entstehen.

Ein Bericht über das Forschungsprojekt ist in Planung, ebenso wie die Veröffentlichung der auf dem Seminar gehaltenen Vorträge.

Website des Ökumenischen Instituts Bossey

Informationen zu den ÖRK-Archiven (auf Englisch und Französisch)