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Foto: Albin Hillert/Ökumenischer Rat der Kirchen

Foto: Albin Hillert/Ökumenischer Rat der Kirchen

Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, verurteilte die Anwendung übertriebener Gewalt durch die israelischen Streitkräfte gegen zivile Demonstrierende im Gazastreifen in der vergangenen Woche, durch die Viele ihr Leben oder Angehörige verloren haben. Er ist zudem insbesondere besorgt, dass einige Christinnen und Christen den Umzug der US-amerikanischen Botschaft nach Jerusalem trotz der zerstörerischen und provokativen Natur dieses Vorgehens als ein Geschenk Gottes feiern.

Die militärische Reaktion auf die Demonstrationen im Gazastreifen hat zum Tod vieler Menschen – darunter auch mehrere Kinder – geführt und viele Tausend sind verletzt worden. Wie viele ist noch unklar, die Zahlen steigen stetig. Die Gewalt und das Blutvergießen müssen von der internationalen Staatengemeinschaft verurteilt und international untersucht werden. Die aktuelle Lage verlangt ein tieferes und umfassenderes Verständnis dessen, was diesen Ereignissen zugrunde liegt.

Die Demonstrierenden machen Gebrauch von ihrem Bürgerrecht, ihrem Protest gegen die derzeitige Lage des palästinensischen Volkes und ihrer Hoffnungslosigkeit angesichts dieser Lage Ausdruck zu verleihen. Die Naqba, die Katastrophe, die ihre Familien vor 70 Jahren erlebt haben, bedeutet für viele Palästinenserinnen und Palästinenser und insbesondere die Menschen im Gazastreifen immer noch strittige Enteignung und Leid. Dass auf die unbewaffneten Zivilistinnen und Zivilisten – sowie auch auf die Kinder – mit scharfer Munition geschossen, sie sogar getötet und viele verletzt wurden, kann weder rechtlich noch moralisch verteidigt werden als Ausdruck „des Rechts eines Staates auf Selbstverteidigung“. Es muss als nicht hinnehmbare Anwendung von Gewalt gegen Menschen gesehen werden, die zu respektieren und zu schützen es vielmehr die Pflicht Israels wäre.

Jerusalem ist für die drei Religionen Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen eine heilige Stadt. Im Heiligen Land muss ein umfassender und nachhaltiger Frieden auf der Basis einer Zwei-Staaten-Lösung mit international anerkannten Grenzen hergestellt werden.

Der Protest richtet sich gegen die einseitige Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, seine Botschaft in das „ungeteilte Jerusalem“ zu verlegen. Dieses Vorgehen verstößt gegen alle maßgeblichen UN-Resolutionen und stellt ein erhebliches und ernstzunehmendes Hindernis für eine friedliche und gerechte Lösung dar. Die Jerusalem-Frage ist nicht „vom Tisch“, sondern ist vielmehr eine der schwierigsten Fragen in den Friedensverhandlungen, die durch das Vorgehen der USA nun noch schwieriger und unberechenbarer geworden sind.

Die Proteste am 14. Mai fielen zeitlich mit dem offiziellen Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und dem 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel zusammen. Die Proteste am 15. Mai fanden anlässlich des 70. Jahrestages dessen statt, was Palästinenser als Naqba – „Katastrophe“ – bezeichnen: Hunderttausende Menschen wurden durch die Gründung Israels 1948 entwurzelt.

Der Ökumenische Rat der Kirchen hat immer wieder seine seit Langem eingenommene Position bekräftigt, dass für den Status der Stadt Jerusalem – die für drei Religionen und zwei Völker von größter Bedeutung ist und von ihnen von Herzen geliebt wird – durch friedliche Verhandlungen eine Lösung gefunden werden muss.

In Zeiten wie dieser müssen sich alle Akteure – und insbesondere der mächtige Staat Israel und andere Staaten – um einen gerechten Frieden bemühen, mit größtem Respekt für die Unantastbarkeit und Heiligkeit des menschlichen Lebens handeln und auf jede Form von Gewalt verzichten, die nur zu einer weiteren Eskalation der aktuellen Spannungen führen würde.

Für die Kirchen vor Ort – und weltweit – ist es eine schwierige Situation, dass einige Christinnen und Christen Gott für eine Entscheidung danken, die so unverhohlen und eklatant gegen das Völkerrecht und die internationale Politik verstößt, die den Friedensprozess, der auf der gemeinsamen internationalen Auffassung beruht, dass beide Völker ein Recht auf Jerusalem als ihre Hauptstadt haben, so sehr untergräbt, und die für das unter der Besatzung leidende und unterdrückte palästinensische Volk so provokativ ist. Dies sollte alle beschäftigen, für die ihre Religion auch die Verpflichtung umfasst, sich für Versöhnung und Frieden einzusetzen.

Es ist zutiefst betrüblich, dass alle früheren Warnungen, dass jede einseitige Entscheidung über die Zukunft Jerusalems die Friedensbemühungen im Heiligen Land untergraben würde, ungehört verhallten und dies ganz direkt zu der aktuellen Gewalt beigetragen hat. Dies hätte ganz einfach vermieden werden können. Darüber hinaus machen wir uns ernsthafte Sorgen über die Auswirkungen, die der Umzug der US-amerikanischen Botschaft nach Jerusalem auf das Finden einer dauerhaften Lösung für die Situation im Heiligen Land haben wird.

Wir rufen die internationale Staatengemeinschaft dringend auf, all ihre Bemühungen um eine gerechte und tragfähige Lösung zu verstärken, die die Bestrebungen und Hoffnungen aller im Heiligen Land lebenden Menschen respektiert und gleichzeitig im Einklang steht mit internationalen Übereinkommen und Resolutionen. Auch wenn sich die Gefahr einer nicht enden wollenden Spirale eskalierender Gewalt bedrohlich abzeichnet, hoffen und beten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedskirchen, dass die Friedensbemühungen die aktuelle tragische Gewalt überwinden können und wir eine Zeit erleben, in der „Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln [gemacht]“ werden.

Der ÖRK bringt seine Solidarität mit seinen Mitgliedskirchen im Heiligen Land zum Ausdruck und wird sie auch weiterhin in ihrem Engagement für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden begleiten.

Kirchen und Naher Osten: Solidarität und Zeugnis für den Frieden