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Pastor Michel Charbonnier. Foto: Albin Hillert/ÖRK

Pastor Michel Charbonnier. Foto: Albin Hillert/ÖRK

Sie haben einige Zeit gebraucht, aber heute hat eine evangelische Gemeinde in Italien es gelernt, trotz großer kultureller Unterschiede gut miteinander zusammenzuleben. Unterstützt hat sie bei diesem Lernprozess ihr Pastor, geleitet von der Überzeugung, dass das interkulturelle Engagement Ausdruck der christlichen Einheit ist.

„Ich sehe meine Aufgabe in erster Linie als Förderung eines Prozesses der Liebe. Ja, die Liebe ist eigentlich das wichtigste Werkzeug beim Aufbau von Einheit“, findet Pastor Michel Charbonnier.

Er leitet eine methodistische Gemeinde der Union Methodistischer und Waldensischer Kirchen, die in Bologna und Modena präsent ist.

Liebe wird dringend gebraucht.

Im Lauf der Jahre kamen Menschen aus vielen Ländern, darunter eine besonders große Anzahl aus Ghana, zu den Gemeindegruppen hinzu, die in den beiden Städten bestehen. Als vor zehn Jahren die Zahl der ghanaischen Gemeindeglieder zunahm – schließlich waren es allein in Modena 100 Neuzugänge – wurde es durch die unterschiedlichen Größen der beiden Gruppen und das Fehlen eines passenden Raumes schwierig, weiter gemeinsam Gottesdienst zu feiern.

In Bologna gestaltete sich die Entwicklung anders. Dort war die Gruppe, der heute 23 Nationalitäten angehören, von jeher multikulturell. Charbonnier berichtet, die Einheit habe von gemeinsamen Mahlzeiten und abendlichen Treffen und dem dabei ermöglichten Austausch über die je eigene Lebensgeschichte mindestens so sehr profitiert wie von offiziellen Programmen.

„Es fing damit an, dass wir einen Raum geschaffen haben, in dem jede und jeder von den eigenen Erfahrungen erzählen konnte. Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund trafen sich und tauschten sich über die je eigenen geistlichen und ethischen Überzeugungen aus, darüber, was Christsein in ihrem Herkunftskontext bedeutet und wie Gottesdienste dort aussehen. Wir haben gar nichts Besonderes gemacht, einfach nur einen sicheren Raum und Gelegenheit geschaffen, sich gegenseitig kennenzulernen, und zum Mitmachen ermutigt“, erläutert der Pastor. „Mit dem Erzählen ‚seiner oder ihrer Geschichte‘ wurde diese zur Geschichte der ganzen Gruppe.“

Anfangs war es harte Arbeit, so unterschiedliche Menschen an einen Tisch zu bringen. Wir mussten gezielt Gelegenheiten für solche Treffen schaffen. Aber im Lauf der Jahre haben sich die Menschen kennengelernt und binden einander jetzt instinktiv gegenseitig ein, sei es bei der diakonischen Arbeit, bei Liturgie und Musik oder anderen Aspekten des kirchlichen Lebens.

Die schwere Erkrankung der Tochter eines ghanaischen Ehepaares war ein Wendepunkt in der Entwicklung dieser liebenden Einheit. Als die Ärzte erklärten, dass sie nichts mehr für das kleine Mädchen tun konnten, unterstützten Menschen unterschiedlicher Herkunft die Familie auf ihre je ganz eigene Weise. Die einen meinten, ein krankes Kind müsse ins Krankenhaus, andere glaubten an die Macht des Gebets. Als das Mädchen tatsächlich ins Krankenhaus eingewiesen wurde, versammelten sich Gemeindeglieder unter dem Fenster ihres Zimmers und sangen, tanzten und beteten dort, erinnert sich der Pastor. Hieraus ergab sich ein Austausch über unterschiedliche Überzeugungen davon, wie Heilung bewirkt wird.

Die Frage nach der Macht des Gebets führte zu Gesprächen in der Gemeinde, ebenso war es auch mit den unterschiedlichen Gebetsformen, die die einzelnen Kulturen prägen.

„Manche lieben Schweigen, Stille und sogar die harte Kirchenbank“, erzählt Charbonnier lächelnd. „Andere sagen, ‚Ich muss meinen Körper kräftig bewegen und rufen, so laut ich kann.‘“

Inzwischen gehen die Menschen instinktiv aufeinander zu und es ist keine gezielte Anstrengung mehr nötig. Aber Charbonnier betont, dass Wachsamkeit auch weiterhin wichtig ist. „Es ist wie beim Sport“, findet er. „Wenn man aufhört, sich anzustrengen, hat der Körper nichts mehr davon.“

Die Hindernisse zu überwinden, die der Einheit entgegenstehen, ist wahrhaftig ein Liebesdienst.

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