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ÖRK-Generalsekretär Pastor Dr. Olav Fykse Tveit begrüßt Papst Franziskus bei dessen Ankunft im Ökumenischen Zentrum in Genf. Foto: Albin Hillert/ÖRK

ÖRK-Generalsekretär Pastor Dr. Olav Fykse Tveit begrüßt Papst Franziskus bei dessen Ankunft im Ökumenischen Zentrum in Genf. Foto: Albin Hillert/ÖRK

Von Stephen Brown*

Als der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit, im Dezember 2010 erstmals Papst Benedikt XVI. im Vatikan besuchte, übergab er ihm als Geschenk ein Paar warme Handschuhe.

„Im Winter schützen sie gut vor der Kälte“, erklärte Tveit, ein lutherischer Theologe, der die Jahreszeit von Schnee und Eis aus seiner Heimat Norwegen bestens kennt. „In dieser Zeit, in der wir uns nach den Worten gewisser Personen in einem ökumenischen Winter befinden, sind sie daher ein Symbol der Möglichkeit, trotz der Schwierigkeiten voranzuschreiten.“

Fast acht Jahre später sprach Papst Franziskus bei seinem Besuch am 21. Juni in Genf auf Einladung des ÖRK zur Feier dessen 70-jährigen Bestehens jedoch nicht vom Winter, sondern er erklärte, er freue sich auf „die Blüte eines neuen ökumenischen Frühlings“.

Der 1948 gegründete ÖRK umfasst heute 350 evangelische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen weltweit. Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied des ÖRK, arbeitet jedoch in bestimmten Bereichen mit dem Rat zusammen.

Die Begegnung in Genf wurde als „ökumenischer Pilgerweg“ beschrieben, unter dem Thema „Gemeinsam unterwegs sein, gemeinsam beten und gemeinsam arbeiten“.

Es handelte sich um den dritten Besuch eines Papstes, nachdem 1969 Papst Paul VI. und 1984 Papst Johannes Paul II. nach Genf gereist waren.

Seine Vorgänger hatten bei ihren Besuchen jeweils die einzigartige Rolle des Papsttums in der römisch-katholischen Kirche hervorgehoben. Papst Franziskus hingegen erklärte dem ÖRK gegenüber, er sei „als Pilger auf der Suche nach Einheit und Frieden“ gekommen.

Martin Bräuer, Katholizismus-Experte am Konfessionskundlichen Institut Bensheim in Deutschland, erklärt, Franziskus gehe mit dem Thema Ökumene anders um, als wir es uns gewohnt seien.

Der Papst sei überzeugt, dass die Christen gemeinsam handeln und Zeugnis ablegen müssten, und dass sie angesichts der großen Herausforderungen für die Menschheit, wie Solidarität, Frieden, Umwelt und Gerechtigkeit, mit einer Stimme sprechen müssten.

Daher, schrieb Bräuer in einem Artikel, der in der ÖRK-Zeitschrift „The Ecumenical Review“ veröffentlicht wurde, verlasse er sich auf persönliche Begegnungen, darauf, miteinander zu sprechen und nicht übereinander.

Im Jahr nach seiner Wahl 2013 besuchte Franziskus eine Pfingstgemeinde. 2015 betrat er als erster Papst überhaupt eine Waldenserkirche in Italien und im Folgejahr war er der erste Papst, der sich mit einem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche traf, mit Patriarch Kyrill in Havanna.

Papst Franziskus reiste außerdem am 31. Oktober 2016 ins schwedische Lund zu einer gemeinsamen katholisch-lutherischen Feier mit dem Lutherischen Weltbund zur Einleitung des 500. Reformationsjubiläums.

Und zwei Tage nach seiner Rückkehr aus Genf traf der Papst erstmals Vertreterinnen und Vertreter der Organisation der in Afrika entstandenen Kirchen.

Franziskus wolle hinsichtlich der Ökumene etwas in Bewegung setzen und so eine neue Dynamik schaffen, mit dem Ziel, die Kommunikation aller Kirchen nach innen und nach außen zu verändern, meint Bräuer.

Er glaubt, der Papst entwickle ein Modell der Einheit, in dem die Identität der verschiedenen Kirchen erhalten bleibt, ohne die Identität als Ganzes zu verschleiern.

2010 nahm der damalige Kardinal Jorge Mario Bergoglio in einem Buch mit autobiographischen Interviews das Thema des Papstbesuchs beim ÖRK vorweg, als er davon sprach, „eine neu versöhnte Vielfalt [zu suchen], die bedingt, dass man gemeinsam unterwegs ist, gemeinsam betet und gemeinsam arbeitet“.

In seiner Ansprache als Papst zu den ÖRK-Führungsverantwortlichen in Genf schien Franziskus sogar noch einen Schritt weiterzugehen: Er sprach vom „Weg der versöhnten Gemeinschaft in Richtung auf das Offenbarwerden jener Brüderlichkeit hin, die die Glaubenden schon vereint“.

Pastor Tveit vom ÖRK wiederum beschrieb das Thema der Begegnung in seinen Begrüßungsworten an Papst Franziskus als Ausdruck einer neuen Dynamik der einen ökumenischen Bewegung.

„Wir erreichen damit einen Meilenstein auf unserem gemeinsamen Weg“, sagte er und fügte später hinzu: „Aber wir werden hier nicht aufhören. Wir werden weitermachen, denn gemeinsam können wir für all jene, die uns brauchen, noch so viel mehr tun.“

Für die nächsten Schritte in der Zeit des ökumenischen Frühlings, so scheint es, sind nicht warme Handschuhe, sondern gutes Schuhwerk erforderlich.

* Stephen Brown, Herausgeber der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift des Ökumenischen Rates der Kirchen, „The Ecumenical Review“, reiste mit Papst Franziskus im Flugzeug mit.

 

Vollständiger Text des Artikels „Papst Franziskus und die Ökumene“ von Martin Bräuer in „The Ecumenical Review“, März 2017 (in englischer Sprache)

Papst Franziskus besucht ÖRK

Fotos des Besuchs in hoher Auflösung