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Rev. Dr. Martin Robra und Antonio Spadaro, SJ. Foto: Céline Fossati

Rev. Dr. Martin Robra und Antonio Spadaro, SJ. Foto: Céline Fossati

Interview mit Pastor Martin Robra von Antonio Spadaro, SJ

Ich traf Dr. Martin Robra am 27. Mai 2017 in Villars-sur-Glâne, einige Kilometer ausserhalb von Genf. Er hatte seine Arbeit mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) 1994 aufgenommen und wurde 2006 Co-Sekretär der gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen dem ÖRK und der Katholischen Kirche, die 1965 geschaffen wurde. Ich hatte schon mit Pastor Robra über das Treffen in Lund aus Anlass des 500. Jahrestag der Reformation gesprochen. Wir tauschten uns über die verschiedenen Reden aus, die alle auf die Zukunft ausgerichtet waren und nicht auf die Vergangenheit. Er teilte mit mir seine Hoffnung und Erwartung, dass Papst Franziskus bald den ÖRK in Genf besuchen würde.

Ich erinnerte mich an seinen Wunsch und seine Hoffnung und sprach wieder mit ihm, jetzt, während der Papst sich auf seinen Besuch in Genf vorbereitet, der im Kontext der Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung des ÖRK am 22 August 1948 stattfindet. Der Papst wird mit Mitgliedern des Leitungsgremiums des ÖRK zusammentreffen, dem Zentralausschus, der aus 150 gewählten Repräsentanten der Mitgliedskirchen besteht.

Martin Robra – verheiratet mit Barbara Siebel und Vater von fünf Kindern – ist Pastor der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Was ist der Ökumenische Rat der Kirchen? Erzähl uns etwas über seine Geschichte, seine Anfänge und Bedeutung...

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel schrieb 1921 einen Brief an andere christliche Kirchen, in dem er anregte, eine koinonia von Kirchen zu bilden, eine Gemeinschaft oder Communio von Kirchen, in der sich die Kirchen wechselseitig unterstützen würden, die ein gemeinsames Zeugnis der Kirchen in der Welt ermöglichen würde und zu einem Instrument zur Förderung der Einheit der Christen werden könnte. Es wäre falsch, auf den ÖRK als eine in Genf ansässige Organisation zu schauen oder als einen Versuch, eine “Weltkirche” zu schaffen. Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von 348 Mitgliedskirchen, mehrheitlich Orthodoxer, Anglikanischer und Protestantischer Traditionen, die auch Pfingstlerische und Afrikanisch-Unabhängige Kirchen mit umfasst. Der ÖRK ist seine Mitgliedskirchen gemeinsam auf dem Weg miteinander, die sich wechselseitig Rechenschaft ablegen auf dem Weg. Die Präambel der Verfassung des ÖRK stellt fest: „Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäss der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ In Genf befindet sich das Sekretariat, das der Gemeinschaft der Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner dient.

Am 2. März erklärte der Generalsekretär des ÖRK, Pastor Dr Olav Fykse Tveit, in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Vatikan: „„Der angekündigte Besuch des Papstes bei uns in Genf ist ein Zeichen..., wie christliche Kirchen unsere gemeinsame Berufung und unsere gemeinsame Mission für Gott bekräftigen können.“ Ich habe gelesen, dass die Verantwortung für Mission mitten im Herzen des ÖRK seit seiner Gründung verankert ist. Ist das richtig?

Ja, ein wichtiger Impuls für die Schaffung des ÖRK war das Bedürfnis nach Zusammenarbeit in der Mission. Die Weltmissionskonfernz von 1910 wird oft als Anfangspunkt der modernen ökumenischen Bewegung genannt, obwohl der Christliche Studenten Weltbund und andere Jugendorganisationen schon vorher mit der ökumenischen Idee arbeiteten. Die brutale Krise des Ersten Weltkriegs verstärkte den Entschluss von Kirchenführern, nicht nur eine Bewegung für die Mission zu schaffen, sondern auch für Einheit (Glaube und Kirchenverfassung 1927 in Lausanne) und für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt (Bewegung für praktisches Christentum, 1925 in Stockholm). Diese zwei begannen 1936, miteinander den ÖRK zu errichten, aber der Zweite Weltkrieg unterbrach diesen Prozess. Schliesslich wurde der ÖRK 1948 mit der ersten Vollversammlung der Mitgliedskirchen in Amsterdam gegründet. Deshalb feiern wir in diesem Jahr den 70. Jahrestag. Der ÖRK wurde eine wirklich globale Gemeinschaft mit der Vollversammlung 1961 in Neu Delhi, als der Internationale Missionsrat sich in den ÖRK integrierte und die Orthodoxen Kirchen von Zentral- und Osteuropa Mitglieder wurden.

Die Verfassung des ÖRK lässt keinen Zweifel an seinem Ziel: „Das Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen im ÖRK besteht darin, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Asudruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und Dienst an der Welt, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube.“

Der Besuch von Papst Franziskus bietet eine Chance, einige wichtige ökumenische Errungenschaften hervorzuheben und auch zukünftige Herausforderungen für die Ökumene. Wie siehst du die Situation der Ökumene zu diesem Zeitpunkt?

Nur vor wenigen Jahren noch waren wir gewohnt vom „ökumenischen Winter“ zu sprechen. Unser Generalsekretär, Pastor Dr Olav Fykse Tveit, der aus Norwegen kommt, aber sagte gerne, dass nichts falsch am Winter ist. Man braucht einfach gute Handschuhe und warme Kleidung. Mir stellt es sich so dar, als ob wir mit Papst Franziskus und seinen Initiativen wieder einen neuen Frühlingsanfang erreicht haben. Ich wurde so sehr ermutigt durch seine Teilnahme am Gebetsgottesdienst in Lund zum 500. Jahrestag der Reformation. „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ – dieses Motto der Feiern wurde in diesem Moment lebendig, aber nicht nur dort. Kirchen weltweit feierten gemeinsam die Heilung der verletzten Erinnerungen der Reformation. Lasst uns nicht vergessen, das Kriege durch sie veranlasst und verstärkt wurden.

Der Besuch des Papstes in Lund war ein wichtiger Moment. Mich beeindruckte, wie die Reden sich auf die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen fokussierten, auf den Weg voraus...

Lund war ein Moment der Einheit auf dem Weg, ein Meilenstein auf der Strasse, auf der wir gemeinsam reisen. Wir sehen das sogar klarer, wenn wir uns daran erinnern, dass auf ihrem Weg nach Lund Lutheraner und Katholiken sich zuerst 1999 in Augsburg trafen, um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zu unterzeichnen. Ich finde es faszinierend, dass diese zwei Meilensteine Wegzeichen sind, die uns helfen, die lange Strasse zu sehen, auf der wir schon gemeinsam gegangen sind und wie wir miteinander voranschreiten können. Die Gemeinsame Erklärung erinnert uns an die Initiative Gottes für das Heil der Welt. Es ist die Initiative Gottes, die zuerst kommt, vor allem Anderen. Gott erreicht uns durch seine Gnade. Die Lund Erklärung zeigt, dass das Ereignis 1999 in Augsburg und die Reise, die uns miteinander dorthin gebracht hat, viele von uns tatsächlich verändert hat. Im Rückblick sehen wir, wie wichtig die Erinnerungen der Vergangenheit sind, die noch immer verletzt sind und vergiftet von Hass.

Nahezu ein Moment der Befreiung, der Wiederentdeckung…

Wir fühlten uns frei, nicht dieselben Stereotypen der Vergangenheit zu wiederholen. die die Trennung der Kirchen und Gemeinschaften weiter vertieft haben und zu Gewalt und sogar Krieg geführt haben in den fünf Jahrhunderten, die der Reformation folgen. Statt dessen fanden wir ein grosses miteinander geteiltes Erbe. Damit wurden wir verantwortlich sowohl für unsere Vergangenheit wie für unsere Zukungt miteinander. Statt uns weiter voneinander wegzubewegen, können wir gemeinsam gehen und miteinander unsere Geschichten, unsere Hoffnungen und unsere Erwartungen für die Zukunft der Kirchen und der Welt teilen.

Natürlich liegen auch wichtige Herausforderungen vor uns…

Sicherlich, nicht zuletzt die Spannungen im Blick auf Fragen der Individual- und Sexualethik, doch wir haben eine Chance miteinander der Welt ist zu zeigen, dass uns so viel mehr eint als uns trennt. Der Weg vor uns ist nicht leicht, alle Christinnen und Christen in Dialog und Kooperation näherzubringen und sich miteinander am interreligiösen Dialog und der Kooperation für Frieden und blühendes Leben zu engagieren. Der ÖRK muss Brücken bauen über seine eigene Mitgliedschaft hinaus, die 560 Millionen Christen in 110 Ländern in aller Welt umfasst.

Die Katholische Kirche ist nicht Teil des ÖRK, aber hat sich beteiligt als “Beobachter” und hat mitgearbeitet auf verschiedenen Ebenen seit 1965 – dem Jahr, in dem das Zweite Vatikanische Konzil endete – vor allem in der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung und der Kommission für Weltmission und Evangelisation. Wie sind die Beziehungen mit der Katholischen Kirche heute, wenn man die Geschichte dieser Beziehungen bedenkt und wie entwickeln sie sich aktuell mit Papst Franziskus?

Unsere Zusammenarbeit mit Dikasterien des Vatikans wie dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen (PCPCU), dem Päpstlichen Rat zum Interreligösen Dialog (PCID) oder dem neuen Dikasterium zur Förderung Integraler Menschlicher Entwicklung (DPIHD) hat sich stark verbessert. Sie waren nicht schlecht, aber heute gibt es so viel mehr Raum und Willen für sinnvolle Zusammenarbeit über die theologischen Gespräche zwischen Kirchen hinaus, die in der Verantwortung des PCPCU sind.

Wir haben Grund andere Ergebnisse der Kooperation zu feiern wie die Übereinstimmung in Texten von Glaube und Kirchenverfassung und der neuen Missionserklärung des ÖRK Gemeinsam auf dem Weg zum Leben oder die verstärkte Kooperation für Migranten und Flüchtlinge.

Ergänzend zur Gebetswoche für die Einheit der Christen, wurde der Weltgebetstag der Sorge für die Schöpfung ökumenisch in vielen Orten der Welt beachtet und gefeiert – in einigen Orten sogar mit interreligiöser Beteiligung. Wir hoffen, dass der Besuch von Papst Franziskus in Genf zu einem starken Zeichen wird, um das Engagement zur Vertiefung der Einheit der Kirchen auf dem Weg zu ermutigen und gemeinsam an Gottes Mission des Lebens, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt teilzunehmen, die von allen Christen geteilt wird.

Welche Rückmeldung gab es im ÖRK zur Enzyklika Laudato Si’? Und die Apostolischen Sendschreiben von Papst Franziskus: Evangelii Gaudium, Amoris Laetitia und Gaudete et Exsultate? Wie wurden diese Dokumente aufgenommen?

Die Apostolischen Sendschreiben Evangelii Gaudium and Amoris Laetitia und die Päpstliche Enzyklika Laudato Si’ wurden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖRK studiert, weil sie in so engem Zusammenhang mit unserer Arbeit stehen. Wir organisierten Seminare für den Stab, um diese Dokumente zu analysieren. Wir haben das noch nicht mit Gaudete et Exsultate getan. Diese Texte sind fest verwurzelt in der Lehre der Katholischen Kirche, aber finden sehr gute Resonanz in der Arbeit der Mitgliedskirchen des ÖRK. Sie werden oft als Bezugspunkte zitiert.

Lass uns über den Besuch des Papstes beim ÖRK sprechen. Franziskus ist nicht der erste Papst, der Genf besucht. Vor ihm kamen Paul VI (Juni 1969) und Johannes Paul II (1984). Was ist die Bedeutung dieses nächsten Besuchs?

Es ist erstaunlich, dass Papst Franziskus sich so auf den ÖRK während seines Besuchs in Genf konzentriert. Das ist sehr verschieden von den zwei früheren Besuchen von Papst Paul VI und Papst Johannes Paul II in Genf. Sie besuchten zuallererst die Schweiz und die Vereinten Nationen in Genf als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates. Papst Franziskus kommt vor allem als Haupt der Katholischen Kirche, der Bischof von Rom und Nachfolger Petri. Er reist von Rom nach Genf. Wir hoffen, dass wir miteinander weitergehen können auf einem Pilgerweg der Gerechtigkeit und Friedens zu denen an den Rändern der Gesellschaften, denjenigen, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden in dieser von Gewalt heimgesuchten Welt und ihrer ungerechten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen.

Es ist gut, dass Papst Franziskus gleich nach dem Abschluss der Sitzung unseres Zentralausschusses, des Leitungsgremiums des ÖRK, kommt. Das Ökumenische Zentrum in Genf wird voll von Menschen sein, die die Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner repräsentieren und so alle Dimensionen der ökumenischen Bewegung. Sein Besuch veranschaulicht, dass die ökumenische Bewegung eins ist, auf die die Katholische Kirche mit der Promulgation des Dekrets über die Ökumene Unitatis Redintegratio zugegangen ist. Der Papst wird von der Welt als entscheidende Stimme der Weltchristenheit gesehen gemeinsam mit dem Ökumenischen Patrarchen Bartholomäus und einigen anderen kirchenleitenden Persönlichkeiten. Es würde so ein wichtiger Schritt voran sein, wenn es deutlich sichtbar würde, dass der Papst nicht nur im Interesse der Römisch Katholischen Kirche spricht, sondern vielmehr die eine, heilige, apostolische und katholische Kiche mit denen, die bis jetzt noch getrennt sind, antizipiert.

Papst Franziskus spricht oft von der Kirche, die hinausgeht zu denen an den Peripherien, den Rändern…

Und er sagt, dass Einheit vertieft wird auf dem gemeinsamen Weg. Papst Franziskus spricht öfter von der Einheit der Kirchen als Einheit auf dem Weg. Nach der Vollversammlung des ÖRK 2013 in Busan, versteht der ÖRK all‘ seine Arbeit als Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens: Wir gehen gemeinsam als Jünger Christi. Wir mögen getrennt gehen von Zeit zu Zeit, aber dann gibt es Momente, an denen wir zusammenkommen, wenn wir erinnern, was geschehen ist auf dem Weg, wir unsere Bereitschaft zum miteinander geteilten Pilgerweg erneuern und wir die Reise fortsetzen mit einem neuen gemeinsamen Verständnis von Richtung und Ziel.

Ja, und während wir unterwegs sind, können wir die Landschaften, durch die wir gehen, wahrnehmen und müssen weitergehen…

Wir unterstützen einander in unserem gemeinsamen Zeugnis. Wir machen so viel zusammen, aber wir können noch mehr tun und noch deutlicher machen, dass wir miteinander gehen.

Franziskus ging zur Insel Lesbos mit Patriarch Bartholomäus und traf in Kuba den Patriarchen von Moskau zum ersten Mal. Er ging nach Lund, um den 500. Jahrestag der Reformation zu erinnern, und er besuchte Lutherische und Anglikanische Gemeinschaften in Rom und auch die Waldensische Gemeinschaft in Turin... Seine Botschaft ist  nicht nur den theologischen Dialog in Gang zu halten, sondern zusammenzuarbeiten „als ob“ wir eins wären mit Fokus auf die Evangelisation und das gemeinsamen Zeugnis, das die Welt von uns erwartet, und angesichts der vielen drängenden Aufgaben wie die Migration. Was denkst du darüber? Können wir an einen neuen Schritt vorwärts denken, der verankert ist in diesem „als ob wir schon eins sind“?

Ja, wir haben Papst Franziskus aktiv als “Brückenbauer” erlebt. Ich bin so dankbar, dass du diese Frage stellst. Du wirst bemerkt haben, dass jedes Mal, wenn ich auf den Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens und die Einheit, die auf dem Weg vertieft wird, verweise, ich wirklich Hoffnung habe für eine Beziehung zwischen den Kirchen „als ob“ sie eins wären. In den Anfangsjahre des ÖRK, formulierte der Zentralausschuss das sogenannte „Lund-Prinzip“, dass die Kirchen einlädt, sich selbst zu fragen, „ob sie genügend Eifer zeigen, ins Gespräch  mit anderen Kirchen einzutreten, und ob sie nicht in allen Angelegenheiten gemeinsam handeln müssten abgesehen von solchen, wo tiefe Unterschiede der Überzeugung sie zwingen, getrennt zu handeln.“ Christliche Kirchen können so viel mehr gemeinsam tun in der Evangelisation, dem anwaltschftlichen Handeln in der öffentlichen Arena, im diakonischen und pastoral Dienst und ihrem gemeinsamen Zeugnis zu Gott, der ist drei in eins, der die Welt geschaffen hat, sie in Jesus Christus versöhnt hat und uns eint im Heiligen Geist.

Im vergangenen März fand die Weltmissionskonferenz 2018 in Arusha, Tansania statt. Die Konferenz verstand Mission als multivalente Aktivität, die freudiges Zeugnis zur Person Jesu Christi und seines Evangeliums in Wort und Tat umfasst; und eine Verpflichtung, für Gerechtigkeit und Versöhnung unter allen Völkern und in der ganzen Schöpfung zu arbeiten. Was war die prophetische Botschaft, die das Ergebnis dieses Treffens war.

An der Konferenz nahmen auch viele Römisch-Katholische, Evangelikale und Pfingstlerische Missiologen teil. Insgesamt waren es etwa 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie wandten sich gemeinsam mit dem “Aufruf von Arusha zur Nachfolge” an die Öffentlichkeit. Auf der Basis des Nachdenks über „verwandelnde Nachfolge“ während der Konferenz schliesst dieser Aufruf eine prophetische Kritik des gegenwärtigen Finanzsystems und wirtschaftlicher Strukturen ein, die zu einem skandalösen Ausmass an Ungleichheit geführt haben, wodurch Millionen von Menschen ausgeschlossen werden – in vieler Hinsicht in Übereinstimmung mit Evangelii Gaudium und Laudato Si’. Der Aufruf sagt, dass Nachfolge sowohl Gabe als auch Aufruf ist, aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gottes dabei zu sein, die Welt zu verwandeln Das schliesst Sorge für Menschen und die leidende Schöpfung in der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden mit ein. So antworten wir auf den Ruf Jesu in die Nachfolge bis zu den Enden der Welt, den Peripherien.

Das Dokument reflektiert das Thema der Konferenz mit dem Schwerpunkt auf verwandelnde Nachfolge und die Macht des Heiligen Geistes, des Trösters, Anwalt und Erhalter des Lebens. Später sagt der Aufruf, dass wir aufgerufen sind zum Dienst in der Leitung und so den Weg Jesu vorzuleben in einer Welt, die Macht, Wohlstand und die Kultur des Geldes privilegiert. Unter anderen Aufforderungen zur Verwandlung ist auch der folgende, der sich direkt an die Kirche richtet: „Wir sind aufgerufen, in einer Welt, die auf Marginalisierung und Ausgrenzung aufbaut, als Jüngerinnen und Jünger in einer gerechten und integrativen Gemeinschaft, in unserem Streben nach Einheit und auf unserer ökumenischen Reise zusammenzuhalten.“ Der Text endet mit einem Gebet, wodurch unterstrichen wird, dass die Bewegung als Jünger miteinander im Heiligen Geist beinhaltet „gemeinsam zu gehen, zu beten und zu arbeiten“. Und dies ist das Thema des Besuchs des Heiligen Vaters in Genf!

Was ist die wesentliche Herausforderung für die Ökumene heute?

Ökumene hat eine starke eschatologische Dimension, mit der die Herrschaft Gottes antizipiert wird, der alles Leben und die eine menschliche Familie geschaffen hat, uns in Christus versöhnt hat und uns erhält und leitet auf unserem Weg durch die Macht des Heiligen Geistes. Ökumene öffnet diese weiten Horizont der Gerechtigkeit und des Friedens für alle. Die Wirklichkeit jedoch ist dagegen sehr stark fragmentiert und gezeichnet vom Wettbewerb um Macht und Wohlstand. Die verschiedenen Identitäten werden bisher durch Kulturen und zum Teil auch die Religion unterstützt. Wir haben immer noch einen langen Weg zu gehen, bevor wir eine miteinander geteilte globale Dimension friedlich miteinander interagierender Kulturen und Religion sehen werden, die so verschieden ist von der sehr dünnen und oberflächlichen Schicht der gegenwärtigen Konsumentenkultur und der globalen Medien, die sie unterstützen. Wir haben noch einen weiten Weg zu gehen, bis die ökumenische Dimension des Miteinander Teilens des Lebens in unserem ‚gemeinsamen Haus‘ tief verwurzelt sein wird in Gedanken und Herzen der Menschen. Ich halte die Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind, für Geburstswehen dieser neuen Dimension der Kulturen und Religionen.

Ich habe den Eindruck, dass in den letzten Jahren die Programme des ÖRK und des Heiligen Stuhls sich näher gekommen sind und die Zusammenarbeit wächst.  Was war die wesentliche Errungenschaft der Ökumene in letzter Zeit.

Für mich sind die wesentlichen Errungenschaften der ökumenischen Bewegung die vielen Situationen, in denen sie beigetragen hat zu Frieden und Versöhnung in ganz konkreter Weise. Das zeigt sich auch in meiner eigenen Lebensgeschichte. Meine Mutter überlebte den kalten Winter nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Ofen, der eine Gabe des ökumenischen Flüchtlingsdienstes war, der von der Kirche Schwedens unterstützt wurde. Ich habe gesehen, wie die ökumenische Bewegung den Dialog zwischen Ost und West gefördert und damit zum Frieden und schliesslich zum Fall der Berliner Mauer und der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen hat.  Ich war im Februar in Kolumbien und sah, wie Kirchen miteinander in sinnvoller Weise zu dem immer noch zerbrechlichen Friedensprozess beitragen. Ich denke, dass die Kirchen auch eine wichtige Rolle dabei zu spielen haben, die Herausforderung des Klimawandels als gemeinsame Aufgabe für uns alle zu begreifen, aber besonders für die, die am Meisten zur Emission von Treibhausgasen beigetragen haben.

Und dann ist die Kirche auf dem Weg ein Volk, das definiert ist durch Hoffnung. Hoffnungsvoll sein bedeutet, dass man fähig ist, darüber hinaus zu sehen, was sichtbar ist und etwas Grösseres und Verschiedenes zu erwarten…

Sicherlich, ich könnte viele andere Dinge der Liste hinzufügen, viele Beispiele, in denen die ökumenische Bewegung eine wirkliche Quelle der Hoffnung für Menschen gewesen ist, die leiden unter Ungerechtigkeit und Gewalt.

***

Papst Franziskus bricht am 21. Juni um 8:30 Uhr morgens von Roms Flughafen Fiumicione auf, um Genf um 10:10 Uhr zu erreichen. Es folgen eine Begrüssungszeremonie und ein privates Treffen mit dem Präsidenten der Schweizer Konföderation in einem Raum des Flughafens. Dann, gegen 11:15 Uhr findet ein ökumenischer Gebetsgottesdienst im Zentrum des ÖRK statt, wo der Papst eine Predigt halten wird. Er wird zum Mittagessen mit Leitungspersönlichkeiten des ÖRK im Bossey Ökumenischen Institut sein. Um 15:45 Uhr wird ein ökumenisches Treffen beginnen, bei dem der Papst eine zweite Ansprache halten wird. Der Tag endet mit einer Heiligen Messe, die der Papst im Palexpo Konferenzzentrum feiern wird. Franziskus verlässt Genf um 20:00 Uhr, nachdem er sich von den Bischöfen und Mitarbeitern der päpstlichen Vertretungen in der Schweiz verabschiedet hat.

Als er nach der Bedeutung des Besuchs gefragt wurde, erklärte der Generalsekretär des ÖRK, dass er eine “Anerkennung (ist) für diejenigen, die über viele Jahre für die Einheit der Kirche gebetet und gearbeitet haben. Er ist ein wichtiges Zeichen auf der Reise, die in diesen Jahren unternommen wurde durch die Arbeit des ÖRK und in Zusammenarbeit mit der Römisch Katholischen Kirche, und jetzt unter der Leitung von Papst Franziskus.“

Seinerseits schrieb der Papst am 31. Januar 2018 einen Brief an Reinhard Kardinal Marx, dem Präsidenten der Konferenz der Deutschen Katholischen Bischöfe, und an Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit dem er wieder hervorhob „die grosse Freude zu entdecken, dass nach 500 Jahren einer miteinander geteilten Geschichte, die teilweise sehr schmerzhaft war,  wir eintreten in eine neue Periode der Gemeinschaft“, und dass „dieses Jahr der Erinnerungsfeier uns gezeigt hat, dass die Zukunft nicht ohne ökumenischen Dialog geschrieben werden kann.“  Der Brief unterstreicht die Wichtigkeit des gemeinsamen Dokumentes, das während des Jahres 2017 unterzeichnet wurde, wobei der Papst schrieb, dass er „überzeugt ist, dass der Konflikt, der im 16. Jahrhundert explodierte, bestimmt ist, zu enden, und dass die Gründe für unser wechselseitiges Misstrauen fast alle verschwinden werden.“

Wir sollten den Besuch Papst Franziskus‘ beim ÖRK im Licht dieser Bekräftigungen interpretieren.


Besuch von Papst Franziskus beim ÖRK

Journal La Civiltà Cattolica



Cf. G. Pani, “Il viaggio del Papa in Svezia,” in Civ. Catt. IV 2016 381-392.

Der Zentralausschuss tritt alle zwei Jahre zusammen mit der Aufgabe, die Entscheidungen der Vollversammlung umzusetzen, die Programmarbeit des ÖRK zu diskutieren und zu überprüfen und den Haushaltsplan zu beschliessen. Die letzte Sitzung fand vom 22 bis zum 28 Juni in Trondheim, Norwegen statt. Die gegenwärtigen Ausschussmitglieder wurden auf der 10. Vollversammlung 2013 in Busan, Republik Korea, gewählt. Die Vollversammlung findet alle sieben Jahre statt und wählt einen Zentralausschuss, der das Leitungsorgan zwischen den Vollversammlungen ist. Der Generalsekretär des ÖRK wird vom Zentralausschuss gewählt. Gegenwärtig besetzt der norwegische, lutherische Pastor Olav Fykse Tveit die Stelle. Die offizielle Internetseit ist  www.oikoumene.org.

Zur Zeit arbeitet er in der Weiterbildung, ökumenischer Diakonie und für die übergreifende Initiative des ÖRK nach der Vollversammlung in Busan 2013, den „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens.“ Er arbeitete in verschiedenen Programmbereichen des ÖRK, u.a. die Beziehungen mit Mitgliedskirchen des ÖRK, Christlichen Weltgemeinschaften, dem Globalen Christlichen Forum und anderen Partnern, bevor er ein Mitglied der Fakultät des Bossey Ökumenischen Instituts wurde. Er ist Mitbegründer des globethics.net (Genf) und des Instituts für Interreligiöss and Interkulturelle Forschung (Liechtenstein). Seine Biographie kann eingesehen werden unter  https://institute.oikoumene.org/en/study-at-bossey/teaching-staff/Robra_bio_publications.pdf

Die Erklärung hat gezeigt, dass Lutheraner und Katholiken jetzt in der Lage sind, ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung durch Gottes Gnade durch Glauben in Christus zu formulieren.

Der Brief von Papst Franziskus ist datiert auf den 31. Januar 2018 und kann in deutscher Sprache gefunden werden unter http://w2.vatican.va/content/francesco/de/letters/2018/documents/papa-francesco_20180131_lettera-card-marx.html