Cf. Pressemitteilung, PR-03-20 vom 28. Mai 2003

Die Meinung, der Bericht der Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) verbiete Christen aus unterschiedlichen kirchlichen Traditionen, gemeinsam Gottesdienst zu feiern, ist nicht haltbar.

Die Klärung dieses potenziellen Missverständnisses und ein erneutes Plädoyer für gemeinsames Beten war eines der wichtigsten Ergebnisse der Tagung des Koordinierungsausschusses der Sonderkommission, die vom 4.-7. Juni in Thessaloniki (Griechenland) stattfand. Das Ziel ist weiterhin, die ÖRK-Mitgliedskirchen zu befähigen, beieinander zu bleiben und in der Gemeinschaft des Rates miteinander zu beten.

Die Tagung in Thessaloniki - dem Ort, an dem die orthodoxe Kritik am Rat zunächst formuliert wurde - war die erste Zusammenkunft des Koordinierungsausschusses, seit im August letzten Jahres der ÖRK-Zentralausschuss den Bericht der Sonderkommission entgegengenommen hatte. Der Ausschuss informierte sich darüber, wie der Bericht in verschiedenen Kirchen und Ländern aufgenommen wurde, und konzentrierte sich dann auf die Weiterarbeit an den zentralen Themen: gemeinsames Beten, Ekklesiologie, Konsensverfahren und Voraussetzungen für die Mitgliedschaft.

Die Frage des gemeinsamen Betens war zu einem der umstrittensten Punkte im Bericht der Sonderkommission geworden. Die Ausschussmitglieder unterstrichen ausdrücklich, dass der Bericht das gemeinsame Beten als das innere Zentrum der Bemühungen um christliche Einheit bezeichnet habe. Es sei jedoch nicht gelungen, diese Vision zu vermitteln.

Zu den wichtigen Aspekten der in dem Bericht angedeuteten Vision vom gemeinsamen Beten gehört die Möglichkeit, die Angst vor dem Anderen zu überwinden; jeder kirchlichen Tradition und dem Gewissen jedes Einzelnen mit Achtung zu begegnen; der Führung des Heiligen Geistes Raum zu geben, der Menschen dazu bewegt, den Reichtum anderer kirchlicher Traditionen anzuerkennen; und allen das Gefühl zu geben, willkommen und anerkannt zu sein, da das ganze Geschehen eines jeden Gottesdienstes transparent und für alle verstehbar sein soll.

Die Sonderkommission hatte versucht, diese Vision zu umreissen durch die Unterscheidung zwischen "konfessionellem" gemeinsamem Beten - mit einer eindeutigen kirchlichen Identität - und "interkonfessionellem" gemeinsamem Beten das Elemente verschiedener kirchlicher Traditionen miteinander verbindet. Darüber hinaus hatte die Sonderkommission einen Rahmen für die Vorbereitung solcher Gottesdienste bei ÖRK-Versammlungen vorgelegt.

Der Bericht sollte also keineswegs ökumenisches geistliches Leben ersticken, sondern die Bedeutung des gemeinsamen Betens klären und dadurch gegenseitiges Vertrauen schaffen. "Leider gab es einige Missverständnisse," sagte Bischof Dr. Rolf Koppe, Leiter der Abteilung Ökumene und Auslandsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland und einer der beiden Vorsitzenden der Sonderkommission und ihres Koordinierungsausschusses.

"Diese Missverständnisse hatten ihren Ursprung in einigen verwendeten Formulierungen und Begriffen," sagte Koppe. Und er fügte hinzu: "Dies gilt insbesondere für den Begriff 'common prayer', für den es im Deutschen und in anderen Sprachen keine befriedigende Übersetzung gibt, da das englische 'prayer' auch Gottesdienst/Andacht bedeutet und nicht nur Gebet ohne Liturgie."

Dennoch bleibt nach der Überzeugung des Koordinierungsausschusses die Tatsache bestehen, die manchmal übersehen wird, dass sich an der Frage des gemeinsamen Betens zeigt, dass es noch keine Einheit im Glauben, im Zeugnis und im gemeinsamen Leben gibt. Die Mitglieder des Ausschusses glauben jedoch, dass es möglich ist, in gegenseitigem Vertrauen die Missverständnisse bezüglich des vorgeschlagenen Rahmens für das gemeinsame Beten zu beseitigen.

Sie gehen davon aus, dass sich bei den nächsten ÖRK-Versammlungen zeigen werde, ob der vorgeschlagene Rahmen gemeinsames Beten mit Achtung für die verschiedenen Glaubenstraditionen fördert und die uneingeschränkte Teilnahme aller ermöglicht. "Der Rahmen ist nicht das letzte Wort - Theologen und Mitgliedskirchen sind eingeladen, weiter über ihn nachzudenken," sagte Koppe.

"Seit der Bericht vom ÖRK-Zentralausschuss entgegengenommen wurde, haben wir Frustrationen, Enttäuschungen und auch Befürchtungen erlebt," sagte Metropolit Dr. Gennadios von Sassima (Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel), der den orthodoxen Ko-Moderator Metropolit Chrysostomos von Ephesus vertrat. "Wir müssen das gegenseitige Verständnis und Vertrauen wieder aufbauen, das in den letzten Jahren vielleicht etwas verloren gegangen ist. Es ist unsere pastorale und geistliche Aufgabe, diese Angst zu überwinden; sie ist wie eine Art anti-ökumenischer Virus, der sich unter uns ausgebreitet hat. Dagegen müssen wir mit viel Besonnenheit und Gebet angehen."

Auf dem Weg zu einem radikalen Umdenken

Ein weiteres Hauptthema dieser Tagung war der Übergang zum Konsensverfahren. Dieses Verfahren, so hiess es, erfordere ein radikales Umdenken in der ÖRK-Kultur. Es sei gleichbedeutend mit dem Übergang zu einem neuen Ethos des offenen Dialogs und der geistlichen Unterscheidung, das von allen Teilnehmern die Bereitschaft verlange, besser als bisher zuzuhören, sich zu beteiligen und aufmerksam wahrzunehmen, was sich im Geschehen einer Tagung als gemeinsame Orientierung herausschält.

Ein Leitfaden mit Richtlinien für die Leitung von Sitzungen und eine neue Geschäftsordnung, die dem Konsensverfahren entspricht, werden gegenwärtig ausgearbeitet. Der Ausschuss beschloss, dass das neue Verfahren erstmals während der Zentralausschusstagung 2005 angewandt und getestet werden soll. Auf der Grundlage der dabei gemachten Erfahrungen wird die Ordnung für das Konsensverfahren überarbeitet, die dann bei der Neunten ÖRK-Vollversammlung in Porto Alegre (Brasilien) im Februar 2006 Verwendung finden wird.

Die Tagung befasste sich auch mit den ekklesiologischen Fragestellungen, die dem ÖRK von der Sonderkommission vorgelegt worden waren. Der Koordinierungsausschuss stimmte darin überein, dass die ÖRK-Mitgliedskirchen sich mit der Frage befassen sollten, wie sie die Existenz der Kirche jenseits ihrer eigenen Grenzen sehen. Am besten sollte dies im Rahmen der Weiterarbeit an dem Konvergenztext der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung über "Das Wesen und die Bestimmung der Kirche" geschehen.

Glauben und Kirchenverfassung wurde ferner beauftragt, für die nächste ÖRK-Vollversammlung eine kurze Erklärung über Ekklesiologie zu verfassen. Dabei geht es darum, die Kirchen einzuladen und aufzufordern, ihre Beziehungen zueinander kritisch zu überdenken. Nach Meinung des Ausschusses soll die Erklärung geistlich, biblisch und ökumenisch orientiert sowie allgemein verständlich formuliert sein, so dass die Vertreter der Kirchen sich darin wiedererkennen können. Die Erklärung sollte deutlich machen, dass mehr als fünf Jahrzehnte des Dialogs tiefgreifende Veränderungen in Einstellungen und zwischenkirchlichen Beziehungen bewirkt haben, selbst wenn es nach wie vor Unterschiede und Hindernisse gibt.

Der Koordinierungsausschuss prüfte und erörterte darüber hinaus eine Reihe von Änderungsvorschlägen für die Verfassung und die Satzung des ÖRK, neue Verfahren für die Behandlung von Anträgen auf Mitgliedschaft sowie Wege zur Gruppierung von Mitgliedskirchen, um ihre Vertretung und Mitarbeit zu verbessern. Aufmerksamkeit galt auch den im Bericht der Sonderkommission vorgeschlagenen theologischen Kriterien für die Mitgliedschaft, und es wurde angeregt, das Konsensverfahren auch auf die Aufnahme neuer Mitgliedskirchen anzuwenden. Die Frage, ob die Taufe oder die Anerkennung der Taufe in der Verfassung des ÖRK Erwähnung finden soll, wird in der weiteren Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung erörtert werden.

Abschliessend befasste sich der Ausschuss auch mit dem Charakter des "Ständigen Ausschusses für Konsens und Zusammenarbeit", dessen Einrichtung vom ÖRK-Zentralausschuss beschlossen wurde. Der Koordinierungsausschuss nimmt diese Rolle bis zur nächsten ÖRK-Vollversammlung wahr. Dieser paritätisch besetzte Ausschuss, dem ebenso viele Vertreter orthodoxer wie anderer Kirchen angehören, soll sich auf die Qualität der zwischenkirchlichen Beziehungen konzentrieren. Auf der Grundlage von moralischer und ökumenischer Autorität wird er den ÖRK-Leitungsgremien beratend zur Seite stehen.

"Es ist gut, dass die Frage der Funktion des Ständigen Ausschusses geklärt werden konnte. Nun steht fest, dass es sich nicht um ein beschlussfassendes, sondern ein beratendes Gremium handelt, in dem wir über die Zukunft des ÖRK nachdenken, jedoch keine Leitungsfunktionen im engeren Sinne wahrnehmen. Der Ausschuss wird ein starkes Gremium sein - dank seiner Argumente und schöpferischen Ideen, jedoch nicht im rechtlichen Sinn," sagte Koppe.

Für Metropolit Gennadios zeichnete sich die Tagung durch "eine gute Atmosphäre, Gemeinschaft, Liebe und gute Mitarbeit" aus. "Der Ausschuss muss zum Wohl aller unserer Kirchen und auch der weltweiten ökumenischen Familie eine ganz spezifische Aufgabe erfüllen. Dies ist ein engagiertes Gremium, und es nimmt seine Aufgabe mit viel Verantwortungsbewusstsein wahr."

Gastgeberin der Tagung des Koordinierungsausschusses war die zur Kirche von Griechenland gehörende Diözese von Neapolis und Stavrupolis. Die Mitglieder des Ausschusses genossen die Gastfreundschaft von fünf Ortsgemeinden, die von ihrer diakonischen, Bildungs- und Sozialarbeit berichteten. Das Himmelfahrtsfest gab die Möglichkeit, auch am liturgischen Leben der Kirche teilzunehmen.