Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hat erneut die völkerrechtswidrige Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel verurteilt und die Errichtung einer sogenannten Sicherheitsmauer im West-Jordanland scharf kritisiert. Die teilweise bereits fertiggestellte acht Meter hohe Mauer mit einer angeblich geplanten Gesamtlänge von 370 Kilometern treibe die Bewohner palästinensischer Städte und Dörfer weiter in die Isolation, erklärte der Direktor der ÖRK-Kommission für kirchliche Angelegenheiten (CCIA), Peter Weiderud, am Mittwoch nach der Rückkehr aus Jerusalem.

Mitarbeiter des ÖRK-Begleitprogramms in Palästina und Israel (EAPPI) berichteten über deprimierende Verhältnisse in den palästinensischen Gebieten: Die Bewegungsfreiheit der Bewohner sei weitgehend eingeschränkt und unterliege der Willkür des israelischen Militärs an den Kontrollposten. Trinkwasser und Strom gebe es nur stundenweise, die medizinische Versorgung sei unzureichend und das Wirtschafts- und Bildungssystem weitgehend zusammengebrochen.

Palästinensische Städte und Dörfer seien zu "grossen Gefängnissen" geworden, sagte Weiderud. Die Mauer und zusätzlich im Bau befindlichen Zäune stellten eine neue politische Grenze dar, die internationales Recht verletze. Während die israelische Regierung offiziell über die Umsetzung des Nahost-Friedensfahrplans mit dem Ziel der Gründung eines eigenständigen Palästinenserstaates verhandle, würden auf dem Boden "Fakten geschaffen, die ein anderes Bild ergeben", so Weiderrud.

Der ÖRK habe wiederholt alle Terrorakte gegen die israelische Zivilbevölkerung scharf verurteilt, betonte Weiderud. Auch gegen die Hinrichtung von Palästinensern ohne Gerichtsverfahren und die Tötung von palästinensischen Zivilisten durch das israelische Militär habe er mehrfach protestiert. Er sei inzwischen überzeugt, dass die Besetzung von Westjordanland und Gaza-Streifen durch Israel eine der Hauptursachen für die Terroranschläge in Israel sind und ein Ende dieser Besetzung politisch möglich sei.

Mehr als die Hälfte der 3,2 Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten müssen nach UN-Angaben mit weniger als drei US-Dollar am Tag auskommen. Die sehr kleine christliche Minderheit unter ihnen sei sich mit der muslimischen Mehrheit in der Ablehnung der israelischen Besatzungspolitik einig, berichteten Mitarbeiter des ÖRK-Begleitprogramms in Palästina und Israel.

Das Programm wurde vom ÖRK im September 2001 auf Wunsch christlicher Kirchen im Nahen Osten ins Leben gerufen. Ziel ist, israelische und palästinensische gewaltfreie Aktionen für den Frieden zu begleiten und durch vereinte Bemühungen der Kirchen zu einem menschenwürdigen Leben ohne Besatzung in den palästinensischen Gebieten beizutragen. Im Rahmen des Programms hat der ÖRK bislang 58 sogenannte "Friedens-Begleiter" aus 30 Kirchen in acht Ländern für jeweils mehrere Monate in die Konfliktgebiete geschickt. Gegenwärtig sind 20 aktiv im Einsatz. Sie sollen durch "gewaltfreie Präsenz" Unschuldige vor Übergriffen schützen und gemeinsam mit örtlichen Kirchen und Hilfsorganisationen mögliche Menschenrechtsverletzungen dokumentieren.

Die kirchlichen Friedensaktivisten tragen "Reporterwesten" mit deutlich sichtbarer Aufschrift und dem Symbol einer Friedenstaube und eines Kreuzes aus Stacheldraht. Sie hätten notfalls auch Zugang zu kugelsicheren Westen, sagte die zuständige ÖRK-Referentin Salpy Eskidjian, ihr grösster Schutz aber sei das Gebet. In Deutschland beteiligt sich der Evangelische Entwicklungsdienst in Bonn am Begleitprogramm.