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Das Friedensdenkmal in Hiroshima erinnert uns an das zerstörerische Potenzial atomarer Waffen © Paul Jeffrey/ÖRK

Das Friedensdenkmal in Hiroshima erinnert uns an das zerstörerische Potenzial atomarer Waffen © Paul Jeffrey/ÖRK

Von Jonathan Frerichs*

„Verhandlungen über ein rechtsverbindliches Instrument für Verbot aller Nuklearwaffen.“ Beginn der Verhandlungen „im Jahre 2017.“ Es ist sicherzustellen, dass sich an den Verhandlungen „alle Staaten beteiligen können“ und auch die Zivilgesellschaft mit eingebunden wird. Das sind die wichtigsten Punkte eines viel diskutierten Berichts, der in der vergangenen Woche von einer UN-Arbeitsgruppe unter Beteiligung von mehr als 100 Ländern auf einer Konferenz in Genf angenommen wurde. Der Bericht mit dieser wegweisenden Empfehlung wurde mit einem Stimmverhältnis von 3:1 und breiter interregionaler Unterstützung trotz eines Boykotts der Atomwaffenstaaten und erheblichen Widerstandes ihrer Verbündeten verabschiedet.

Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe vom 19. August wird im Oktober der UN-Generalversammlung vorgelegt. Es ist damit zu rechnen, dass auf dieser Versammlung eine von der Mehrheit getragene Resolution über die Aufnahme von Verhandlungen über ein Atomwaffenverbotsabkommen angenommen wird.

„Diese Entwicklung ist der vorläufige Höhepunkt einer stetig wachsenden Bewegung, die Atomwaffen aus humanitären Gründen verbieten will“, sagt Peter Prove, Direktor der ÖRK-Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten. „Die glaubensbasierte Advocacy-Arbeit hat einen Beitrag zu dieser Initiative geleistet und ist dringend erforderlich, um den Willen der Mehrheit, Rechtsstaatlichkeit und Wohlergehen aller Menschen und der gesamten Schöpfung über die Pläne der Atomwaffenstaaten zu stellen, die ihre Arsenale modernisieren anstatt sie abzuschaffen."

Während der Sitzungen der Arbeitsgruppe haben Netzwerke des ÖRK und von Pax Christi International Kontakt zu 24 Regierungen aufgenommen, um sie für das Verbot zu gewinnen. Sie waren als Teil der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen tätig und forderten nachdrücklich den Beginn von Verhandlungen im Jahre 2017. Diese Verhandlungen sollen allen Staaten offenstehen, von keinem Staat blockiert werden können und auch die Zivilgesellschaft miteinbeziehen.

Der endgültige Berichtsentwurf der UN-Arbeitsgruppe war sorgfältig geprüft worden, um einen breiten Konsens und eine Annahme ohne Abstimmung zu erreichen. In letzter Minute kündigte Australien jedoch diesen Konsens auf und forderte eine Abstimmung. Schließlich stimmten 68 Staaten für die Annahme des Berichts, während sich 21 Staaten Australien anschlossen und gegen die Annahme stimmten. 13 Staaten enthielten sich der Stimme.

Die ökumenischen Advocacy-Gruppen stehen in Kontakt mit Regierungen, um alle Aspekte des Themas zu erörtern. Die Befürworter des Abkommens in Brasilien, Mexiko, Nicaragua, Nigeria, Ägypten, Schweden, Finnland, Irland, der Schweiz und Neuseeland forderten ihre mehrheitlich gegen Kernwaffen positionierten Regierungen auf, sich für ein Atomwaffenverbot auszusprechen.  Alle diese Regierungen gehörten zu den 68 Staaten, die für den Abschlussbericht und die darin enthaltene Empfehlung für ein Atomwaffenverbot gestimmt haben.

Kirchen und kirchennahe Organisationen haben ebenfalls Kontakt zu Regierungen aufgenommen, die auf Atomwaffen setzen. In der Mehrheit handelt es sich dabei um NATO-Mitglieder. Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden wies die Regierung auf die erneute Aufwertung von Atomwaffen, die langfristige Modernisierung der Nukleararsenale und die „katastrophalen  Folgen“ des Einsatzes von Atomwaffen hin.  Die Kirche forderte die Regierung auf, sich stärker für die Rechtsnormen einzusetzen, die gegen Atomwaffen zur Verfügung stehen. Ein Verbot von Atomwaffen wäre nach Ansicht der Kirche vergleichbar mit dem bereits bestehenden Verbot von chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen.

Church and Peace, ein Pax Christi-Mitglied in Europa, hat sich an die Regierungen von Deutschland und der Schweiz sowie der beiden Atommächte Frankreich und Vereinigtes Königreich gewandt.

Der Kanadische Rat der Kirchen hat in einem Brief an den kanadischen Außenminister geschrieben, dass „wenn im Falle von Maßnahmen zur Verteidigung von Nationalstaaten ... eine Bedrohung der Menschheit und sogar des Planeten die Folge ist, solche Mittel kategorisch abzulehnen sind."

Mitglieder des ökumenischen Netzwerks für die Advocacy-Arbeit für Frieden und Pax Christi International stehen ebenfalls in Kontakt zu den Regierungen in Australien, den Niederlanden, Belgien und Norwegen. Diese Staaten, die abhängig vom US-Atomwaffen sind, wurden nachdrücklich aufgefordert, sich in gutem Glauben an der Verbotsdebatte zu beteiligen. Die Ergebnisse der Kontakte in den nationalen Hauptstädten wurden von den ökumenischen Delegierten in Genf aufgegriffen.

Die Unterstützung für ein neues gesetzliches Verbot von Atomwaffen geht inzwischen über die 68 Staaten hinaus, die in der UN-Arbeitsgruppe mit „Ja“ gestimmt haben. Am Anfang der Abschlusswoche haben 108 Staaten aus Afrika, Lateinamerika, Südostasien, dem Pazifik und auch aus Europa eine terminlich verbindliche Zusage für die Aufnahme von Verhandlungen über ein Verbot gefordert. 127 Staaten haben eine „Selbstverpflichtung zur Humanität“ unterzeichnet mit dem Ziel, ein neues Rechtsinstrument gegen Atomwaffen auf den Weg zu bringen. 159 Staaten haben eine gemeinsame Erklärung mit der Forderung unterzeichnet, dass Atomwaffen „unter keinen Umständen jemals wieder zum Einsatz kommen dürfen."

135 Staaten haben im vergangenen Jahr auf der UN-Generalversammlung für die Einsetzung einer offenen Arbeitsgruppe gestimmt, um „konkrete und effektive gesetzliche Maßnahmen“ für eine Welt ohne Atomwaffen zu erarbeiten. Eine große Mehrheit innerhalb der Gruppe hat jetzt beschlossen, dass die Ächtung atomarer Waffen der richtige erste Schritt ist.

*Jonathan Frerichs ist Berater für Friedensstiftung und Abrüstung in der WCC-Kommission für Internationale Angelegenheiten und Vertreter von Pax Christi International bei den Vereinten Nationen in Genf.

Gebete und Hoffnung an den Jahrestagen der Atombombenabwürfe (ÖRK-Pressemitteilung vom 5. August 2016 in englischer Sprache)

Richtiger Zeitpunkt für Atomwaffenverbot ist Thema einer UN-Arbeitsgruppe (ÖRK-Pressemitteilung vom 12. Mai 2016 in englischer Sprache)

Kontrolle von Nuklearwaffen