Zu einer aktiven Mitgestaltung der europäischen Einigung hat der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) seine Mitgliedskirchen aufgerufen. Der ÖRK-Zentralausschuss verabschiedete dazu Leitlinien, die gemeinsam mit ökumenischen Organisationen in Europa umgesetzt werden sollen. Sie behandeln die Einigung Europas, den Integrationsprozess selbst, das Verhältnis des Kontinents zur übrigen Welt sowie seine Friedens- und Sicherheitspolitik.

Der Zentralausschuss verabschiedete ferner eine Erklärung, in der vor neuen Trennungen entlang historischer, religiöser, ethnischer und ökonomischer Barrieren gewarnt wird. Dies betreffe sowohl die Beziehungen zwischen einer orthodoxen östlichen und römisch-katholisch und protestantisch geprägten westlichen Kultur als auch das Verhältnis zwischen Christentum und Islam in Europa. Der ÖRK setzt sich für die rasche Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die EU ein.

An die Kirchen wird appelliert, jene Bereiche aufmerksam zu verfolgen, in denen Europa globale Verantwortung zukommt. Stichpunktartig genannt werden Handel und Entwicklung, Umwelt, Frieden und Konfliktprävention, Migration und Asyl sowie Menschenhandel und Rassismus.

Er fordert "die Beseitigung der Armut, die Einhaltung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte sowie die Achtung der Schöpfung Gottes" zu übergreifenden Zielen der EU-Entwicklungspolitik zu machen. Diese Ziele müssten "voll in andere Bereiche, wie Agrar-, Fischerei-, Handels-Umwelt und gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik integriert werden", heisst es.

Im Blick auf das globale Umfeld Europas werden "nicht auf Gegenseitigkeit beruhende Handelsvereinbarungen" mit wirtschaftlich schwächeren Ländern sowie der verschwenderische Umgang mit Umwelt-Ressourcen angeprangert. Gegenüber anderen Weltregionen "akkumuliert Europa seine ökologische Schuld", heisst es dazu. Beklagt wird auch ein zunehmender Trend zu restriktiverer Zuwanderungs- und Asylpolitik. Den Kirchen komme bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eine besondere Rolle zu.

Die Leitlinien betonen, dass die Marktwirtschaft allein nicht Grundlage eines vereinten Europas bilden dürfe. "Menschen und Gesellschaften verändern sich nicht nur durch Transaktionen und Handel, sondern auch durch Überzeugungen und Ideen. Das "Herz und die Seele" Europas, seine Werte und seine Spiritualität müssten wieder entdeckt und erneuert werden. Die Kirchen seien in der Geschichte des Kontinents zu oft "Träger nationalistischer Tendenzen und Nährboden von Konflikten" gewesen, heisst es. Sie müssten ihre "heilenden und friedensschaffenden Kräfte in der Gesellschaft freisetzen und die inneren Ressourcen finden, die sie befähigen, Zeugnis abzulegen von einer neuen Hoffnung für Europa".

Laut ÖRK bieten die bei der europäischen Einigung entwickelte Kultur des politischen Kompromisses ein politisches Modell für multilaterale Zusammenarbeit. ÖRK-Mitgliedskirchen sollten die Vision eines friedlichen, demokratischen und gerechten Europas von Island bis zum Kaukasus unterstützen, dessen Einheit auf der Achtung der geschichtlichen, kulturellen und religiösen Vielfalt beruht.

Der ÖRK äussert sich besorgt über die Praxis und Absicht einzelner Staaten und Bündnisse, ohne UN-Mandat militärisch einzugreifen. Jede Militäraktion müsse durch ein UN-Mandat gedeckt und mit dem Völkerrrecht in Einklang sein.

In einer Erklärung zu Zypern weist der ÖRK darauf hin, dass die Zeit bis zur Vollmitgliedschaft der Republik Zypern in der EU (1. Mai 2004) für die Lösung des Zypernproblems von entscheidender Bedeutung sein wird. Die jüngsten Erleichterungen der Bewegungsfreiheit entlang der Waffenstillstandslinie stellten keine Lösung des Zypernproblems dar. Eine tragfähige und dauerhafte Lösung könne nur im Rahmen einer verbindlichen UN-Resolution und unter Beachtung des Völkerrechts gefunden werden.