von Neil Cavers*

Kostenlose Fotos erhältlich – siehe unten.

Israelische Friedens- und Menschenrechtsaktivisten stehen Not leidenden Menschen zur Seite, helfen beim Übergang an den Checkpoints und unterstützen Dorfbewohner, die sich gegen Einschüchterungsversuche von Siedlern wehren. Mit ihrem Einsatz wollen sie das Leben der Palästinenser erleichtern und zur Verwirklichung eines dauerhaften Friedens beitragen.

Vor einigen Wochen wurde ich zur Zielscheibe von Jugendlichen, die mit Steinen warfen, während ihre Eltern dabei zusahen. Als ich später am Tag eine Gruppe Schulmädchen auf einer menschenleeren Straβe begleitete, folgten mir drei oder vier Männer, von denen einer ein Maschinengewehr trug. In dem Schulgebäude der Mädchen sind Fenster eingeschlagen und die Wände mit Graffiti beschmiert.

Wo ich mich befand? Bestimmt nicht in dem friedlichen Kirkcudbright, dem kleinen Fischerstädchen im Südwesten Schottlands, wo ich zu Hause bin. Ich befand mich in Hebron, im besetzten Westjordanland. Die Schulmädchen waren Palästinenserinnen und die Kinder, die mit Steinen warfen, kamen aus israelischen Siedlerfamilien. Die Graffiti auf dem Schulgebäude verkünden „Tod den Arabern“ und die Männer, die mir gefolgt waren, gehörten einer extremistischen Organisation israelischer Siedler an.

Was tat ich hier? Ich besuchte in Hebron zwei Kollegen vom Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI). Das Programm ist vom Ökumenischen Rat der Kirchen eingerichtet worden, der damit auf eine Bitte der Verantwortlichen der Kirchen in Jerusalem reagierte, internationale Beobachter/innen vor Ort zu stationieren, die die Menschenrechtssituation beobachten und Verstöβe melden und die, wo immer nötig, Palästinenser und Israelis begleiten würden.

Im Rahmen des Programms arbeiten zurzeit 21 internationale Mitarbeiter/innen und Freiwillige aus sieben Ländern, die an verschiedenen Orten eingesetzt sind. Die 14 Frauen und 7 Männer im Alter von 24 bis 66 Jahren kommen aus Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden, der Schweiz, Aotearoa-Neuseeland und den Vereinigten Staaten. Kanada und Groβbritannien beteiligen sich ebenfalls an dem Programm und entsenden auch weiterhin Freiwillige. Diese so genannten ökumenischen Begleitpersonen arbeiten mindestens drei Monate lang mit und setzen sich auf gewaltlosem Weg für eine Beendigung der Besetzung Palästinas ein.

Ich selbst war in Jerusalem stationiert und gehörte zu einem Team, das mit israelischen Gruppen zusammenarbeitet. Aufgabe dieses Teams ist es, israelische Friedensaktivisten zu unterstützen und als Verbindung zwischen ihnen und unseren Teams im Westjordanland zu dienen.

Konflikt ist nicht die einzige Form der Interaktion zwischen Israelis und Palästinensern

Meine Begegnung mit israelischen Siedlern in Hebron mag zu der Schlussfolgerung verleiten, dass es hier keine Zusammenarbeit zwischen Palästinensern und Israelis gibt, aber das stimmt nicht. Es gibt in Israel viele Friedensorganisationen, die sich massiv dafür einsetzen, das Los der Palästinenser zu erleichtern. Leider werden sie von ihren eigenen Gemeinschaften häufig geschmäht und stellen nur eine kleine, wenn auch äuβerst präsente, Minderheit in Israel dar.

Eine dieser Organisationen ist Machsom (Checkpoint) Watch. Sie besteht aus rd. 180 Frauen, die Palästinensern an den zahlreichen Checkpoints helfen, ihren Zielort zu erreichen. Wenn Machsom Watch nur aus Frauen besteht, so hat das einen Grund. „Das muss so sein“, sagt Rani Hammerman, die zur Gruppe gehört, „denn Männer werden offenbar als eine Bedrohung für die Soldaten angesehen.“

Kürzlich ging ich mit Machsom Watch zum Checkpoint Kalandia an der Hauptstraβe von Ramallah nach Jerusalem. Ich beobachtete, wie die Mitglieder der Gruppe einen Mann ansprachen, der aus Nablus gekommen war und seinen Sohn zu einem Psychiater in Ramallah bringen wollte. Sein Sohn war letztes Jahr angeschossen worden und litt an den emotionalen Folgen des Vorfalls. Leider hatte der Mann die falschen Ausweispapiere und konnte nicht beweisen, dass er einen Termin beim Arzt hatte. Aus diesem Grund wurde er daran gehindert, nach Hause zurückzukehren. Die Mitglieder von Machsom Watch sprachen mit den Soldaten und erreichten, dass der Mann und sein Sohn passieren konnten.

Ein anderer Mann, dessen Pass seit dem Vortag abgelaufen war, wurde festgehalten und drei Soldaten führten ihn weg. Sofort ging eine der Frauen mit, um sicherzustellen, dass der Mann nicht misshandelt wurde. Diese engagierten Frauen gehen bei Wind und Wetter jeden Tag hinaus, um mit ihrer Sachkenntnis und ihrem Status als israelische Bürgerinnen Palästinensern zu helfen.

„Es gibt Menschen, die auf der Jerusalemer Seite des Checkpoints leben, aber palästinensische Ausweispapiere haben“, erklärt Hammerman. „Sie gehen zur Arbeit ins Westjordanland, aber sie können legal nicht mehr nach Hause zurückkehren. Das ist frustrierend und macht wütend.“

Ta’ayush, was „zusammen leben“ bedeutet, ist der Name einer weiteren Organisation, die das Los der Palästinenser erleichtern will. Vor kurzem war ich einige Tage in Janun, einem kleinen Dorf mit 90 Einwohnern im Westjordanland. Viele Dorfbewohner betreiben Landwirtschaft für den Lebensunterhalt. Die Probleme in Janun fingen 1998 an, als die israelische Regierung mehr als 95% des Grund und Bodens der Dorfbewohner konfiszierte. Danach sind israelische Siedler aus der nahen Siedlung Itamar gekommen und haben auf einem der Hügeln bei Janun einen Vorposten errichtet.

Zwei Jahre lang haben die Siedler die Dorfbewohner eingeschüchtert, indem sie Fensterscheiben einschlugen, den Generator zerstörten, der das Dorf vier Stunden am Tag mit Strom versorgte, die Kinder auf ihrem Schulweg terrorisierten und schlieβlich auf zwei Dorfbewohner schossen, wobei einer getötet wurde.

Im Oktober 2002 waren fast alle Dorfbewohner geflohen. Ta’ayush rief die Dorfbewohner und internationale Hilfskräfte zu einer Lagebesprechung im nahe gelegenen Aqraba zusammen. „Ta’ayush forderte die Dorfbewohner auf, sofort in ihr Dorf zurückzukehren, weil sich sonst dort die Siedler niederlassen würden“, berichtete Marie-Jo, eine internationale Freiwillige.

Die israelische Organisation stellte ein internationales Freiwilligenteam auf, das im Dorf leben und die Bewohner bei der der Feldarbeit und beim Schafehüten begleiten sollte. Daraufhin lieβen sich 90 der ursprünglich mehr als 300 Dorfbewohner zur Rückkehr bewegen. Diejenigen, die zurückgekehrt sind, sind fest entschlossen, an dem ihnen verbliebenen Grund und Boden festzuhalten. „Wir waren schon 1948 Flüchtlinge“, sagte einer von ihnen, „wir sind entschlossen, nicht wieder wegzugehen.“

Dennoch haben viele im Dorf Angst vor der Zukunft und die Dorfbewohner, mit denen ich sprach, befürchten weitere Übergriffe der Siedler. Einer sagte mir: „Wenn ihr (die internationalen Freiwilligen) morgen früh weggeht, werden wir am selben Abend auch weggehen.“

Es gibt noch viel zu tun

In der Zeit, die ich hier verbracht habe, bin ich Zeuge der Kontrolle und Demütigung geworden, denen die Palästinenser regelmäβig unterworfen sind. Ganz zu schweigen von der so genannten „Sicherheitsmauer“, die mitten durch palästinensische Städte und Dörfer gebaut wird und sie in zwei Teile teilt, die Familien auseinanderreiβt und Bauern ihr Land wegnimmt.

Ich habe mit Israelis gesprochen, die mir sagten, dass sie sich für die Politik ihrer Regierung schämen, aber sie sind in der Minderheit. Ein pessimistischer Israeli sagte zu mir: „Die meisten Israelis wollen nichts über die Besetzung hören und denken, dass alle Palästinenser Terroristen sind. Sie (die Israelis) sind zu sehr damit beschäftigt, Geld zu verdienen.“

Ich finde, man sollte alles daran setzen, den Israelis vor Augen zu führen, was die Palästinenser verloren haben und wie sie gedemütigt und kontrolliert werden. Ich fürchte, es gibt keine Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden, solange den Palästinensern nicht ein Teil dessen zurückerstattet wird, was sie verloren haben, und dazu gehört vor allem ihre Würde.

* Neil Cavers, 55, aus Schottland hat unlängst seinen Dienst als ökumenischer Begleiter im Ökumenischen Begleitprogramm des ÖRK in Palästina und Israel beendet. Cavers hat Jura an der Universität Edinburg studiert und arbeitete seit 1985 im Gemeindeausschuss seiner Heimatkirche in Kirkcudbright mit, die zur Kirche von Schottland gehört. Er ist Mitglied einer kirchlichen Hausgruppe für Bibelarbeit und Leiter einer Jugendgruppe seiner Gemeinde. Cavers ist engagierter Pazifist und überzeugt, dass alles andere als Pazifismus nur der Festschreibung der Gewalt dienen kann.

Kostenlose Fotos erhalten Sie unter:

www.wcc-coe.org/wcc/what/international/palestine/eappi/feb04eappi-feature.html

Das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) läuft seit August 2002. Ökumenische Begleitpersonen beobachten die Menschenrechtslage und melden Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, unterstützen Aktionen gewaltlosen Widerstands an der Seite christlicher und muslimischer Palästinenser und israelischer Friedensaktivisten, gewähren Schutz durch ihre gewaltlose Präsenz, setzen sich für politische Veränderungen ein und üben ganz allgemein Solidarität mit den Kirchen und allen, die sich gegen die Besetzung wenden. Das Programm wird vom Ökumenischen Rat der Kirchen koordiniert.

www.eappi.org