Von Jean Martensen

„Frauen sind entweder Opfer von Bürgerkriegen oder Empfängerinnen humanitärer Hilfe, aber sie sind keine vollberechtigten Partnerinnen oder gleichberechtigte Teilnehmerinnen am Friedensprozess“, erklärte Sarah Shteir von der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. Shteir war eine von mehreren Podiumsteilnehmerinnen auf einer ökumenischen Frauentagung, die vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), dem Nationalrat der Kirchen Christi in den USA und der US-amerikanischen Frauenfriedensorganisation PEACE X PEACE einberufen worden war.

Shteir kam zusammen mit rund dreißig Frauen, die leitende Positionen innehaben und acht verschiedenen christlichen Denominationen in den USA angehören, zum Episcopal Church Centre in New York, um den diesjährigen Internationalen Tag der Frau in ganz besonderer Weise zu begehen. Im Mittelpunkt ihrer Überlegungen stand die ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt und ausgehend vom Thema des US-amerikanischen Dekadenfokus 2004 „Die Kraft und die Verheißung des Friedens“ befassten sie sich speziell mit einer Frage: Wo sind die Frauen im Friedensprozess?

Während ihrer zweitägigen Konsultation, die direkt gegenüber vom Gebäude der Vereinten Nationen und zeitgleich mit der UN-Kommission zum Status von Frauen tagte, diskutierten sie über die verschiedenen Rollen, die Frauen in Friedensprozessen - sei es im organisatorischen Bereich, sei es an der Basis - spielen.

Kofi Annans Appell verhallt ungehört

Die Frauen erheben ihre Stimme im internationalen Friedensprozess nicht erst heute. Am ersten Tag dieser Frauenkonsultation konzentrierten sich die Teilnehmerinnen auf die von der UNO geleistete Arbeit in diesem Bereich, insbesondere auf UN-Resolution 1325, die der Verbesserung des Status von Frauen im UNO-Sekretariat gewidmet ist. Sarah Douglas vom UN-Entwicklungsfonds für Frauen lieferte die Hintergrundinformationen zu dieser bemerkenswerten Resolution, die im Oktober 2000 angenommen wurde und einen wirklichen Wendepunkt darstellte.

Die Resolution, die kurz vor Beginn der UN-Friedensdekade 2001 verabschiedet wurde, „fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Frauen (in Friedensprozessen) auf allen Entscheidungsebenen stärker vertreten sind,“ und „ersucht den Generalsekretär, den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Aus- und Fortbildung sowie Material über den Schutz, die Rechte und die besonderen Bedürfnissen von Frauen (…) zur Verfügung zu stellen“.

Aber obwohl Kofi Annan diese Resolution nachdrücklich unterstützt, werden Frauen von den Mitgliedstaaten nach wie vor übergangen. Von den 264 Berichten, die der Generalsekretär an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitete, gingen nur 17,8% wiederholt auf Gender-Fragen ein, 15,2% machten minimale Angaben und 67% bezogen sich gar nicht oder nur einmal auf solche Fragen.

Teil des Problems ist, dass „die UN-Resolution 1325 keinen konkreten Zeitplan bzw. genaue Zielvorgaben enthält, über deren Einhaltung die UN-Gremien und –Mitgliedstaaten Rechenschaft ablegen müssten“, erklärte Shteir. „Für die meisten UN-Organisationen existiert Resolution 1325 einfach nicht. Sie haben sie nicht in ihr Mandat oder in ihre tägliche Arbeit integriert.“

Einige Frauen würden vielleicht argumentieren, dass das auch nicht notwendig ist. Weltweit steigt die Zahl gut ausgebildeter Frauen und sie ergreifen zunehmend selbst die Initiative und berufen sich auf diese völkerrechtliche Urkunde, um ihr Recht auf Beteiligung durchzusetzen.

Frauen in der Demokratischen Republik Kongo griffen auf Resolution 1325 zurück, um ihre Forderung nach Schulungsmaßnahmen und Kapazitätsausbau zur Vorbereitung und Beteiligung an den Friedensverhandlungen zu untermauern, die 2002 in Sun City, Südafrika, stattfanden. Und sie sind nicht die einzigen. Dank der Beharrlichkeit, mit der Frauen in Somalia sich immer wieder auf diese Resolution beriefen, gelang es ihnen, sich an den Friedensgesprächen in ihrem Land und an den Friedensbemühungen nach Beendigung des Konflikts beteiligen.

In den USA hat die Kongressabgeordnete Bernice Johnson eine Resolution im Kongress eingebracht, um auf Bundesebene Unterstützung für UN-Resolution 1325 zu gewinnen. In einer Zeit, in der die US-Delegation in der UN-Kommission zum Status von Frauen eher Rückschritte zu machen scheint, ist dieser Versuch sehr ermutigend.

Und wer kümmert sich um die Katzen?

Diese Frauen sind jedoch nach wie vor Einzelfälle. Monica Willard vom Internationalen Tag der UNO für den Frieden – ein Tag, der zunehmend in der ganzen Welt beobachtet wird, - forderte eine stärkere Einbindung von Frauen in Friedensprozessen. Dabei ist es eine Sache, Regierungen mit Petitionen zur Unterstützung von Resolutionen zu bewegen, die die Stärkung von Frauen anstreben, aber es ist ganz etwas anderes, wenn Frauen selbst die Initiative zu ihrer Emanzipation ergreifen – eine Erkenntnis, zu der Judith Kelly im November 2003 gelangte.

Judith ist römisch-katholisch und durch tägliches Beten, intensives Nachdenken und dank der starken Unterstützung durch ihre Gemeinschaft gelangte sie zu dem Entschluss, sich an einer Aktion zivilen Ungehorsams zu beteiligen. Obwohl sie diese Entscheidung sehr gut überlegt hatte, fiel es ihr nicht leicht, sie zu verwirklichen.

An dem Tag, bevor sie an der jährlichen Demonstration an der „Schule der Amerikas“ in Georgia teilnahm, um gegen die dort stattfindende militärische Ausbildung zu protestieren, kamen ihr Gedanken in den Kopf wie „ich könnte krank werden…, vielleicht regnet es zu stark…, wer kümmert sich um die Katzen?“. Schließlich nahm sie an der Protestveranstaltung teil, allerdings erst, nachdem sie jemanden gefunden hatte, der sich um ihre Katzen kümmern würde – eine kluge Entscheidung, wie sich später herausstellte, denn sie wurde festgenommen und wegen Hausfriedensbruchs zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, eine Erfahrung, die sie vielleicht mehr prägte als die Demonstration selbst.

Während ihrer Haft wurde Judiths entschlossenes Eintreten für Gewaltfreiheit durch die demütigenden Rituale, mit denen die, die Macht hatten, sich von denen, die keine hatten, abgrenzten, immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Sie lehnte es ab, auf die Verachtung des Wachpersonals mit Feindseligkeit zu reagieren, und fand friedliche Mittel und Wege, wie sie ihre persönliche Integrität bewahren, Beziehungen verwandeln und eine Gemeinschaft von „Gefangenen aus Gewissensgründen“ wachsen lassen konnte.

In einem Land, in dem immer mehr Menschen in Gefängnissen untergebracht sind und in dem sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gefängnismauern die Gewaltbereitschaft wächst, müssen die Frauen dabei unterstützt werden, ihre Identität zu finden. Nur so kann es möglich werden, die Macht der Gewalt in eine Macht des Friedens zu verwandeln.

Die Fackel wird weitergegeben

Die Rednerinnen wie auch die Teilnehmerinnen an dieser Konsultation waren sich einig, dass Frauen ihre Stimme erheben und die heute verfügbaren rechtlichen Instrumente voll ausschöpfen müssen. Rund dreißig UN-Delegierte aus Schweden, Sierra Leone, Kenia, Bosnien und anderen Ländern kamen während der Sitzungspausen der UN-Kommission hinüber in die Konsultation und betonten, wie wichtig es sei, dass amerikanische Frauen sich an dem weltweiten Kampf für die Überwindung von Gewalt durch Gewaltfreiheit beteiligten. Obwohl es nach wie vor eine große Herausforderung ist, Frauen in Friedensprozesse einzubinden, ist doch klar, dass die Fackel heute immer mehr weitergereicht wird.

Die Konferenz schlug am Ende eine Liste möglicher Aktionen vor, die von Frauen und aus der Perspektive von Frauen zur Überwindung von Gewalt durchgeführt werden könnten. Es wurde deutlich, dass das Zusammentragen persönlicher Erfahrungen, die Frauen mit gewaltfreiem Zeugnis gemacht haben, auf begeistertes Interesse stieß. Diese und andere Erfahrungsberichte werden im Rahmen der ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt zugänglich gemacht werden. Gemeinsam gelang es den Versammelten, neue Wege zu finden, wie sie einen Beitrag zur Schaffung einer gerechteren Welt leisten können. Dabei vertrauten sie auf Gottes beharrliche Kraft - die Kraft und die Verheißung des Friedens.

Jean Martensen ist Mitglied des US-amerikanischen Komitees für die Dekade zur Überwindung von Gewalt.

UN-Resolution 1325: www.unhchr.ch/Huridocda/Huridoca.nsf/0/7f1629999f97e0a8c1256a0900302211

Sollten Sie Fragen zu den Übersetzungen von Resolution 1325 haben, nehmen Sie bitte Kontakt zu Sarah Shteir auf: [email protected]

ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt: www.gewaltueberwinden.org

Nationalrat der Kirchen Christi in den USA: www.ncccusa.org

PEACE X PEACE: www.peacexpeace.org

Internationaler Tag des Friedens: www.un.org/Pubs/CyberSchoolBus/peaceflag/whatis.html

Weitere Informationen zu „Gefangenen aus Gewissensgründen“ finden Sie unter:

www.soaw.org/new/