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Archimandrit Dr. Alexi Chehadeh Foto: Marianne Ejdersten/ÖRK

Archimandrit Dr. Alexi Chehadeh Foto: Marianne Ejdersten/ÖRK

*Von Marianne Ejdersten

WCC News hat den Archimandriten Dr. Alexi Chehadeh getroffen, der das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung des Griechisch-Orthodoxen Patriarchats von Antiochien und dem gesamten Morgenland in Damaskus (Syrien) leitet. Er ist ein großes Vorbild und Friedensstifter in Syrien.

Mit WCC News hat er über die Krise in Syrien und die vielen Schwierigkeiten gesprochen, vor denen die Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen dort stehen. Das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung ist die größte unabhängige ortsansässige Nichtregierungsorganisation, die innerhalb Syriens aktiv ist. Dr. Chehadeh spricht über seinen Wunsch und sein Bestreben, Möglichkeiten und Wege zu finden, trotz der besonders schwierigen Situation von Christinnen und Christen in dem Land, in dem der IS diese Menschen in der Vergangenheit immer wieder auf grausame Weise gekreuzigt hat, Menschen aller Religionen Hilfe zukommen zu lassen.

Geführt haben wir das Interview in der Cumberland Lodge im Kontext der Internationalen Menschenrechtskonferenz, die unter dem Thema „Towards Peaceful Coexistence in the Middle East: Challenges and Opportunities“ (Auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben im Nahen Osten: Herausforderungen und Chancen) stand. Die Konferenz war organisiert worden von der Konferenz Europäischer Kirchen, Churches Together in Britain and Ireland und der Cumberland Lodge, einer Bildungseinrichtung im Großraum London.

Die Konferenz beschäftigte sich mit kultureller und religiöser Vielfalt als eine Quelle für Reichtum und Fülle. Redebeiträge befassten sich in erster Linie mit religiöser Pluralität im Nahen Osten und betrachteten diese sowohl von innen als auch aus einer Außenperspektive sowie mit den Herausforderungen und Chancen, die sich in Syrien, dem Irak, im Libanon und in Ägypten aktuell stellen bzw. bieten.

Vater Alexi beschrieb die derzeitige Situation in Syrien und die größten Schwierigkeiten, die sich ihm für seine humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit dort stellen. Nach sieben Jahren der Bombenangriffe und Feuergefechte haben tausende Familien ihr Zuhause verloren und sind traumatisiert. Sie benötigend dringend etwas zu essen, ein Dach über dem Kopf und medizinische Hilfe. Die vielen Jahre der Auseinandersetzungen haben dem Land Tod und Zerstörung gebracht. 13,5 Millionen der 22 Millionen Syrerinnen und Syrer sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, unter ihnen 6 Millionen Binnenvertriebene. Weitere 5 Millionen Menschen sind geflohen und haben in den Nachbarstaaten und anderen Ländern Zuflucht gesucht.

Der Konflikt in Syrien hat zudem dazu geführt, dass viele Kinder und Jugendliche nicht zur Schule gehen konnten und können. Viele von ihnen sind so jung, dass sie ein Leben ohne Krieg gar nicht kennen. Aktuell gehen im Land selbst rund 1,75 Millionen Kinder nicht zur Schule – und bei jenen, die das Glück haben, eine Schule besuchen zu können, steigt das Risiko immer rascher, dass sie die Schule abbrechen werden.

Das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung wurde 1994 mit dem Segen Seiner Seligkeit Patriarch Ignatius IV (Hazim) gegründet. Seine Seligkeit Patriarch Johannes X (Yazigi) führte diese Mission 2012 fort und ernannte Vater Alexi im September 2015 zum neuen Direktor der Organisation. Wie der barmherzige Samariter hilft das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung Menschen unabhängig von ihrer Religion, Rasse oder Hautfarbe, lässt Barmherzigkeit walten und reicht ihnen eine helfende Hand, einfach nur weil sie Menschen sind.

Warum sind Sie 2015 zum Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung gekommen?

Vater Alexi: Seine Seligkeit Johannes X hat mich gebeten, die Leitung des Referats zum Ende September damals zu übernehmen. Nach fast 20 Jahren in Deutschland bin ich daraufhin nach Syrien zurückgekehrt. Ich bin voller Demut, in Damaskus dienen zu dürfen. Ich bin zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt in das Team gekommen, überall brannte es. Wir müssen an das glauben, was wir tun, und darauf vertrauen, dass es richtig ist. Nur mit Gottes Gnade und mit der Unterstützung und dem Segen von Patriarch Johannes, dem spirituellen Vater des Referats, können wir diese Arbeit leisten.

Was genau sind die Ziele des Referats für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung?

Vater Alexi: Wir haben 44 Büros in ganz Syrien, 38 Gemeinschaftszentren, 1600 Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitende und 22 internationale Partner und wollen all jenen Menschen Hilfe anbieten, die diese sehr dringend brauchen. Wir versuchen sicherzustellen, dass alles Mögliche getan wird, um den mehr als 2,5 Millionen Menschen, die jedes Jahr von unserer Arbeit profitieren, fair zu helfen. Dabei sind wir bemüht in den Gemeinschaften, in denen wir tätig sind, den Geist der Mitmenschlichkeit, der Gerechtigkeit, der Gelassenheit und Ruhe und des Friedens zu verbreiten.

Wir sind auch fest von den Vorteilen der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren überzeugt. Gemeinsam mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen bauen wir Brücken, um noch mehr der notleidenden Menschen zu erreichen.

Wie genau unterstützen Sie die Menschen in Syrien?

Vater Alexi: Das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung hat sich von Anfang sehr in der Hilfe für die Menschen in Syrien engagiert, angefangen bei umfassenden Hilfsprogrammen in verschiedenen Bereichen wie zum Beispiel Bildung, Berufsausbildungen, WASH (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene), Unterkünfte, psychosoziale Hilfe, Gesundheitsversorgung und vielem mehr.

Seit Beginn des Konflikts in Syrien setzt das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung seine Nothilfe- und Krisenreaktionsprogramme, Programme zum frühzeitigen Wiederaufbau sowie zur Schaffung von Existenzgrundlagen und Programme für nachhaltige Entwicklung um. Das Referat stellte Mitarbeitende ein, um den Bedürfnissen der Menschen in Not gerecht werden zu können: der Schutzbedürftigen, der Vertriebenen, der Menschen mit Behinderungen und der Heimkehrenden. Das oberste Ziel all dieser Programme war es, allen Familienmitgliedern Hilfe zu leisten und dabei alles Mögliche zu tun, um möglichst allen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Wie können andere Sie dabei unterstützen?

Vater Alexi: Die Menschen in den befreiten und schwer zugänglichen Regionen Syriens brauchen ganz dringend humanitäre Hilfe. Damit sie in ihren Heimatorten bleiben können, benötigen sie eine elementare Grundversorgung, Unterstützung für den Lebensunterhalt und medizinische Hilfe, um nur das allernotwendigste zu nennen. Es ist wichtig, dass die Menschen in ihr gewohntes Leben zurückkehren können. Aber sie brauchen ganz unterschiedliche Arten von Hilfe, um sich in ihrem Heimatland ein neues Leben aufbauen zu können. Sie brauchen finanzielle Hilfe und Bildung. Dafür schauen wir uns gerade nach möglichen Partnern aus aller Welt um, die ebenfalls aus ihrem Glauben heraus handeln. Es ist sehr wichtig, Partner zu haben, die aus dem Glauben heraus handeln!

Wir brauchen Hilfe von der ökumenischen Bewegung, um das Bewusstsein für die Situation in Syrien zu stärken. Die Massenmedien berichten nicht mehr über Syrien. Und in den meisten Fällen spiegelt ihre Berichterstattung nicht alle Seiten wider und sie übermitteln nicht alle Botschaften. 75 Prozent der Bevölkerung in Syrien, das sind 13,5 der 18 Millionen Menschen, die noch dort leben, brauchen ganz dringen Hilfe. Sie leben unterhalb der Armutsgrenze. Von diesen 13,5 Millionen sind 6,5 Millionen Binnenvertriebene. Über diese Situation müssen wir sprechen und wir müssen eine friedliche Lösung für unser Land finden. Die Vertriebenen und Flüchtlinge müssen in ihre Heimat zurückkehren können. Die Situation, so wie sie jetzt gerade ist, muss ein Ende finden und wir müssen Möglichkeiten und Wege finden, die Menschen zu Versöhnung und gemeinsamem Heilen zu animieren.

Was sind die wichtigsten Erfolge Ihrer Arbeit?

Vater Alexi: Viele Teile Syriens konnten befreit werden. Der Krieg ist vorbei, auch wenn es noch keinen Friedensvertrag gibt. Aber auch wenn die Kämpfe vorbei sind, hilft das Referat für Ökumenische Beziehungen und Entwicklung wie vorhin schon erwähnt aktuell mehr als 2,5 Millionen Menschen jedes Jahr. Wir konnten ihr Leben etwas verbessern. Sie müssen wieder auf die richtige Spur kommen, damit sie für sich selbst eine neue Zukunft aufbauen können. Das Lächeln eines Kindes, die Erleichterung von Familien, wenn ihre Häuser wieder bewohnbar sind, wenn eine Mutter den älteren Familienmitgliedern helfen kann, wenn Familien zu lokalen Gemeinschaften zusammenwachsen und dort ankommen und ein sozialer Zusammenhalt entsteht – all das zeigt, wie wichtig unsere Arbeit ist. Und für mich und mein Team von 1600 Freiwilligen ist das ein Geschenk und ein Segen.

Was kann der ÖRK tun, um Sie unterstützen?

Vater Alexi: Wir sind in der Arbeit des ÖRK sehr gut vertreten. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung der Kirchen aus aller Welt. Wir brauchen einander, ganz besonders in Momenten wie diesem. Bitten bedenken Sie uns weiterhin in Ihren Gebeten und begleiten Sie uns auf unserem Weg. Es wäre sehr wichtig, dass uns eine Delegation des ÖRK zusammen mit der ÖRK-Leitung 2019 besucht, um unserer sichtbaren Einheit Ausdruck zu verleihen und zu zeigen, dass wir als Christinnen und Christen zusammenhalten. Ich freue mich auch schon auf Besuche aus unseren Schwesterkirchen und von unseren Partnern. Solche Besuche würden den Menschen in Syrien sehr viel bedeuten!

Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?

Vater Alexi: Ich bete für eine friedliche Lösung des Konflikts in Syrien. Die Menschen in Syrien brauchen Frieden und müssen in ihre Heimat und ihre Wohnungen zurückkehren können. Mit Blick auf unsere Arbeit wünsche ich mir, dass wir etwas Geld bekommen könnten, um den Kindern Weihnachtsgeschenke kaufen zu können. Angesichts der ganzen Turbulenzen und Unruhen sollten sie auch einfach mal Kinder sein dürfen.

Haben Sie noch eine abschließende Botschaft an unsere Leserinnen und Leser?

Vater Alexi: Ich möchte all den Organisationen und Kirchen weltweit danken, die uns in dieser sehr schwierigen Zeit mit finanziellen Mitteln und mit ihren Gebeten unterstützt haben, und ich rufe alle Menschen guten Willens auf, uns in ihren Herzen zu bewahren, uns nicht zu vergessen und in ihren Gebeten zu bedenken, uns weiterhin zu unterstützen und auf diesem schwierigen Weg zu begleiten.

Bitte helfen Sie uns weiterhin! Wir brauchen Sie mehr denn je. Ich wünsche Ihnen allen gesegnete Weihnachten und ein frohes neues Jahr. Es ist eine Zeit der Inspiration, eine Zeit für Versöhnung – auch Jesus kam als Erlöser, um uns zu erlösen und zu versöhnen. Wir sind überzeugt, dass Versöhnung möglich ist. Wir wünschen Ihnen allen ein frohes neues Jahr, denn wir lieben einander und wenn wir einander lieben, können wir einander vergeben. Und wir wünschen Ihnen auch Erfolg. In dieser Zeit der Globalisierung sagen wir ja immer, die Welt sei durch den Zugang zu den sozialen Medien wie ein Dorf. Das bedeutet, dass auch wir alle Nachbarinnen und Nachbarn sind und wir uns um einander kümmern und für einander da sein sollten. Gott hat uns aufgerufen, für einander zu sorgen und füreinander da zu sein.

Wir haben das Interview in der Lobby der Cumberland Lodge geführt und saßen dabei direkt neben dem Weihnachtsbaum. Immer wieder kamen andere Konferenzteilnehmenden dazu. Voller Bewunderung für die Arbeit von Vater Alexi und seinem Team inmitten des Kriegsgeschehens in Syrien lauschten sie seinen Ausführungen. Auf meine Frage, ob es möglicherweise zu Sicherheitsproblemen führen könnte, wenn wir öffentlich über seine Arbeit berichten, sagte er mit einem bescheidenen Lächeln: „Nein und ich habe auch kein Problem damit, mich den Reaktionen zu stellen. Wir sind gut vorbereitet und Gott hat uns gesegnet. Wir brauchen die öffentliche Aufmerksamkeit. Bitte: Berichten Sie über unsere Arbeit!“

Wir wünschen Vater Alexi und seinem Team frohe Weihnachten und Gottes Segen für das neue Jahr! Lassen Sie uns alle für Frieden in Syrien und überall auf der Welt beten. Wir alle sind Friedensstifterinnen und Friedensstifter.

Marianne Ejdersten, Direktorin der ÖRK-Kommunikationsabteilung

Spenden zu Weihnachten

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„Das einzige was zählt ist, Frieden in Syrien zu sichern“, sagte UN-Gesandter (ÖRK-Pressemitteilung vom 13. Dezember 2018)

*Marianne Ejdersten ist Direktorin der Kommunikationsabteilung des Ökumenischen Rates der Kirchen