Von Mirjam Schubert

Die zwei Gesichter der Stadt Johannesburg: auf der einen Seite Sandton City mit seinen hoch aufragenden Türmen, Nobelhotels, einer luxuriösen Shopping-Meile und dem Konferenzzentrum, wo ab dem 22. August 2002 die Delegierten des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung durch die Gänge eilten. Auf der anderen Seite, nur sechs Kilometer Luftlinie von Sandton entfernt: die aneinander gelehnten Blechhütten des Slums in der Township Alexandra, wo viele der Bewohner nicht wissen, ob sie am nächsten Tag zu essen haben.

Nicht Sandton, sondern Alexandra war der Ort, wo sich das Ökumenische Team, das am Gipfel teilnahm, auf seine Arbeit vorbereitete. Das Team, das vom Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates, Dr. Molefe Tsele, geleitet und vom Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) koordiniert wurde, bestand aus über 60 Mitgliedern von allen Kontinenten und vertrat die unterschiedlichsten Kirchen und Glaubensrichtungen. Ein Teil des Teams hatte an allen Vorbereitungstagungen für den Gipfel teilgenommen. Mit seinem Aufenthalt in der ältesten Township Südafrikas wollte das Team bewusst ein Zeichen setzen: "Die Bewohner von Alexandra sind die Menschen, um die es sich bei diesem Gipfel drehen muss", sagte Dr. Martin Robra vom ÖRK.

Bei einem ökumenischen Gottesdienst begrüßten die Gemeindemitglieder der örtlichen presbyterianischen Kirche die weit gereisten Gäste mit Liedern und Tänzen. "Ich war überwältigt von der Fröhlichkeit und positiven Stimmung des Gottesdienstes in dieser Gegend, die doch eigentlich so trostlos wirkt", erzählte Miragh Addis aus Kanada. "Wir sind hier, um sicherzustellen, dass die Stimme derer, die keine Stimme haben, auf diesem Gipfel gehört wird", sagte Pfr. Dr. Allan Boesak in seiner Predigt.

Das Ökumenische Team hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diese Stimme zu sein. „Wir haben den festen Glauben, dass es noch Hoffnung gibt, diese Welt zu verändern", sagte Shanti Sachithanandam aus Sri Lanka. Aber die Realität an den Verhandlungstischen ist oft kompliziert, und einige Teammitglieder waren mit weit geringeren Erwartungen angereist. So sagte Demba Moussa Dembele aus Senegal: "Ich hatte keine Illusionen über das Ergebnis diese Gipfels."

Als die Basis für ihr Engagement nennen die Mitglieder in einem Grundsatzpapier mit dem Titel "Gerechtigkeit - der Kern der Nachhaltigkeit" die "Anerkennung der Heiligkeit der Schöpfung und der spirituellen Beziehungen zwischen allen ihren Bestandteilen." Das bedeutet Festhalten an einer Ethik, die das Leben verteidigt und ihm zur Erfüllung verhilft. "Eine solche Ethik", so heißt es weiter, "setzt Respekt für die Integrität des Kosmos voraus sowie die Verpflichtung, die Würde aller Mitglieder der Erdgemeinschaft zu achten und sich gemeinsam für das Wohlergehen aller einzusetzen."

Diese im Glauben verwurzelte Ethik und die Bilder aus Alexandra prägten die Arbeit des Teams in Johannesburg. Viele Teammitglieder beteiligten sich in Arbeitsgruppen der Nichtregierungsorganisationen - zu Themen wie Frauen, Energie, Wasser oder bestimmten Regionen. Hier tauschten die NROs Informationen aus und bereiteten ihre Lobbyarbeit vor. In den offiziellen Verhandlungen, die für NROs offen waren, und im Konferenzgebäude überbrachten die Teammitglieder den Politikern ihre Botschaft ganz direkt: Ohne Gerechtigkeit ist nachhaltige Entwicklung undenkbar. "Der Druck der NROs auf die Delegierten hat großen Einfluss auf die Verhandlungen gehabt", berichtete Henrik Grape aus Schweden. "Viele sind sogar froh, wenn sie sich auf die Zivilgesellschaft berufen und so ihren Argumenten mehr Gewicht verleihen können."

Die Teammitglieder engagierten sich auch mit anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen und nahmen an Veranstaltungen des "Forums der Völker der Welt" teil. Der NRO-Gipfel fand weit entfernt von Sandton auf dem Messegelände Nasrec statt. "Für mich bot sich hier die Möglichkeit zu wirklichem Austausch, weit mehr als in den Verhandlungen im Konferenzzentrum," sagte Jackie Moreau aus den USA. "Nasrec war der Ort, um inspiriert zu werden und andere Menschen zu inspirieren und um Netzwerke für unsere Arbeit zu Hause zu bilden."

Das Ökumenische Team hat auch selbst zwei Veranstaltungen initiiert: eine zum Thema ökologische Verschuldung der reichen Länder und eine andere über Unternehmensverantwortung. Vertreter und Vertreterinnen von NROs, Regierungen und Unternehmen beantworteten Fragen aus dem Publikum und von Journalisten. Bei einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Ein Klima für Gerechtigkeit" stellte Karen Lexèn aus Schweden einen Aufruf vor, der vom ÖRK zusammen mit ökumenischen Entwicklungs- und Hilfsorganisationen in den USA, Kanada, Neuseeland und Europa erlassen worden ist. "Die Entwicklungsorganisationen sind aufgewacht und erkennen, dass auch sie in der Klimafrage deutlich Stellung beziehen müssen", sagte Lexèn. "Wir stehen gemeinsam auf der Seite der Ärmsten und Schwächsten, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind... Gemeinsam wollen wir die Regierungen dazu aufrufen, schneller und effektiver gegen die Ursachen der Klimaveränderung vorzugehen."

Dem ökumenischen Team war es besonders wichtig, auch Kontakte zu Menschen außerhalb des UN-Gipfels zu knüpfen. Gelegenheit dazu bot u.a. ein Gottesdienst in der anglikanischen Kirche "Christ the King' in Sophiatown zum Thema HIV/AIDS, in dem Teammitglied Hellen Wangusa aus Uganda die Predigt hielt. Nach dem Gottesdienst führte die Jugendgruppe der Gemeinde das Team durch den Stadtteil, aus dem die Regierung während der Apartheid Tausende von Menschen vertrieben und in weit entfernte Townships umgesiedelt hatte. In Geschichten und Liedern berichteten sie gemeinsam mit Zeitzeugen von der bewegten Vergangenheit.

Nach einer anstrengenden Woche kehrte das Ökumenische Team noch einmal nach Alexandra zurück, wo der SACC zusammen mit dem Forum der Völker der Welt und anderen NROs eine Demonstration in Solidarität mit den Bewohnern dieser Township und mit allen Benachteiligten dieser Erde veranstaltete. "Bei diesem Marsch konnten die Menschen endlich einmal die Distanz zwischen Nasrec und Sandton überwinden", meinte Sipho Mtetwa aus Südafrika. "Im Armenviertel säumten viele Menschen den Straßenrand, winkten uns zu, berührten und begrüßten uns", berichtete David Hallman aus Kanada. "Danach haben allerdings nur noch wenige Menschen die Demonstration beobachtet, aus weiter Entfernung und hinter einer Polizeisperre." Miragh Addis erzählte, ein kleiner Junge aus Alexandra habe ihr dafür gedankt, "dass du für mich demonstriert hast".

Das Ergebnis der Verhandlungen war in vielerlei Hinsicht unbefriedigend. Besonders die Tatsache, dass die Verhandlungsparteien sich beim Thema Energie auf keinerlei Ziele oder Zeitrahmen festlegten, sorgte beim Ökumenischen Team für große Enttäuschung. "Aber wir konnten letztendlich auch einige Siege feiern", sagte Larisa Skuratovskaya aus Russland. "Kanada, Russland und China haben das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Damit hatten wir nicht mehr gerechnet. Jetzt kann es in Kraft treten. Außerdem wurde infolge massiver Proteste der Frauen die Bestimmung" Menschenrechte und Grundfreiheiten' in den Paragraphen über die Gesundheitsversorgung aufgenommen. Damit kann verhindert werden, dass z.B. genitale Verstümmelung als rechtmäßig interpretiert wird."

Das sind recht bescheidene Erfolge. Wir müssen jedoch das sehen, was über Veränderungen und neue sprachliche Möglichkeiten in den beschlossenen Texten hinausgeht. David Hallman, ÖRK-Programmkoordinator für den Klimawandel und Programmreferent der Vereinigten Kirche von Kanada schreibt dazu in seinem Bericht über den Gipfel: "Über die kleinen Siege im Rahmen der formalen Beschlüsse hinaus wird die Vernetzung und die Kompetenzbildung unter den zivilgesellschaftlichen Gruppen die Bewegungen für Gerechtigkeit stärken und zu alternativen Modellen anregen, die tatsächlich zum Aufbau einer nachhaltigen Gemeinschaft beitragen."

Die deutsche Journalistin Mirjam Schubert begleitete das ökumenische Team des ÖRK während dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung (WSSD)

(26. August bis 4. September in Johannesburg (Südafrika) )