Kirchliche Ökumenereferenten und –referentinnen spielen eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Ökumene in einer Zeit der knappen Ressourcen und des Hangs zur Nabelschau.

„In meinen Augen sind Sie die Gruppe, die uns in unserer täglichen Arbeit am nächsten ist“, sagte der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Pfarrer Dr. Olav Fykse Tveit, auf einer Tagung kirchlicher Ökumenereferenten/innen am Dienstag, dem 4. Mai.

Tveit, der selbst einmal Ökumenereferent war, unterstrich die zentrale Bedeutung dieser Arbeit: „Den Kirchen bei der Erfüllung ihrer Berufung zur christlichen Einheit zu helfen, ihnen Gelegenheiten verschaffen, eins zu sein im Glauben, Gebet und Dienst, und sie in ihrem Zeugnis für Gerechtigkeit und Frieden zu ermutigen – dies sind wahrhaftig große und anspruchsvolle Aufgaben.“

Rund 55 Ökumenereferenten/innen aus ebensovielen Kirchen in aller Welt kamen vom 4.-6. Mai im Ökumenischen Institut Bossey bei Genf zusammen. Das Netzwerk der Ökumenereferenten der ÖRK-Mitgliedskirchen trifft einmal im Jahr zusammen, abwechselnd zu internationalen und regionalen Tagungen.

Den Weg der Ökumene gehen

Pfarrerin Grace Moon von der Presbyterianischen Kirche von Korea bewertete die Begegnung mit anderen Ökumenereferenten und –referentinnen als „erstaunlich hilfreich“. Sie nahm zum ersten Mal an einer solchen Tagung teil und entdeckte eine Fülle von Anregungen für eine Reihe von Fragen und Problemen. „Ich habe z.B. ökumenische Methoden zur Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen kennengelenrt“, erzählte sie.

Obwohl „die Mehrzahl der Koreaner die ökumenische Bewegung und den ÖRK nicht kennen, so leben sie doch die drei Dimensionen der ökumenischen Vision des ÖRK – Einheit, Zeugnis und Dienst – in ihrem täglichen kirchlichen Leben“, erklärte Moon. Die Presbyterianische Kirche von Korea ist Mitglied des Nationalen Kirchenrats in Korea, der Gastgeber der 10. Vollversammlung des ÖRK 2013 in Busan, Korea, sein wird.

Für Moon bedeutet die ökumenische Bewegung nicht Strukturen, sondern einen fortlaufenden Prozess. „Sie hat mit dem Leben der Kirchen zu tun“, sagte sie. Eine der Herausforderungen, die sie als Ökumenereferentin erlebe, sei die Aufgabe, den Gläubigen und der Kirchenleitung zu vermitteln, dass es bei der Ökumene „nicht darum  geht, eine Agenda abzuarbeiten oder Leistungen vorzuweisen, sondern darum, die Vielfalt der christlichen Traditionen zu umfassen“. „Dies ist die wertvollste Erkenntnis, die uns der ÖRK bietet“, fügte Moon hinzu.

Auch Metropolit Mor Eustathius Matta Roham vom Syrisch-Orthoxen Patriarchat von Antiochien und dem gesamten Morgenland nahm zum ersten Mal an einer Tagung der Ökumenereferenten teil. Als Mitglied des Zentralausschusses seien ihm die Inhalte dieser Diskussionen zwar vertraut, doch halte er seine persönliche Teilnahme für äußerst hilfreich, insbesondere den Informationsaustausch über die bevorstehende Internationale ökumenische Friedenskonvokation, die vom 17.-25. Mai 2011 in Kingston, Jamaika, stattfinden wird. Die Konvokation wird Höhepunkt und Abschluss der ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt 2001-2010 sein.

Die vier Themen, auf die sich die Konvokation konzentrieren wird – Friede in der Gemeinschaft, mit der Erde, in der Wirtschaft und zwischen den Völkern –, seien für den nahöstlichen Kontext äußerst relevant, sagte Matta Roham. „Wenn wir z.B. vom Frieden in der Gemeinschaft sprechen, dann sprechen wir von unseren Nächsten, und das ist aus christlicher Sicht ein Konzept, das alle Menschen in allen Gemeinschaften einschließt und nicht nur die, die in der Nachbarschaft wohnen.“

Auch Friede zwischen den Völkern kann ganz konkret auf den Nahen Osten bezogen werden. „Was wir sehen, ist Krieg zwischen den Nationen und Wettlauf um nukleare Waffen“, sagte Matta Roham. „Kein Land im Nahen Osten aber braucht Atomwaffen, sondern Technologien, die dem Gemeinwohl dienen.“

Pfarrer Juan Abelardo Schvindt von der Evangelischen Kirche am La Plata (Argentinien) erhielt durch seine Teilnahme an der Tagung der Ökumenereferenten einen besseren Einblick in die laufenden Bemühungen des ÖRK, seine Programmarbeit neu zu bündeln und seine Agenda neu zu defnieren. „Wir haben erfahren, wie der ÖRK versucht, seinen Platz in einer Welt und kirchlichen Landschaft zu finden, die sich verändert haben“, fügte er hinzu.

Für Schvindt ist die Notwendigkeit, „Vertrauen“ zwischen den ökumenischen Akteuren „wiederherzustellen“, um sich auf eine neue Aganda zu verständigen, die größte Herausforderung in seiner Arbeit als Ökumenereferent. Die Vitalität der ökumenischen Bewegung der 1970er und 80er Jahre hat unter dem Hang zur Nabelschau in den Kirchen gelitten. „Es geht nicht darum, die Eigenidentität der Kirchen abzuschaffen, sondern darum, einen Konvergenzbereich zu finden, wo sie zusammenarbeiten und ihre Einheit in einer sichtbaren Form zum Ausdruck bringen können.“

Eine weitere Herausforderung seien die knappen Ressourcen, erklärte Pfarrerin Dr. Gail Allan von der Vereinigten Kirche von Kanada. „Alle versuchen, mit reduzierten Kapazitäten zu arbeiten“, sagte sie. Der Rückgang der Ressourcen sei z.T. auf zunehmenden Konservatismus zurückzuführen, von dem die kanadische Gesellschaft betroffen sei und der sich auf die Finanzierung nicht nur von Kirchen, aber auch von NROs auswirke.

Diese Verknappung „könne sich in Wirklichkeit als Chance erweisen“, sagte Allan, „als eine Herausforderung, unser gemeinsames prophetisches Zeugnis zu stärken, das dadurch letztlich an Wirksamkeit gewinnt“. Diese Sicht der Dinge und die vorhandenen Zeichen der Hoffnung, wie die wachsende Mitgliederzahl des Kanadischen Rates der Kirchen, begründen Allans Optimismus.

Für die ökumenische Bewegung in Ghana sei der stark ausgeprägte Denominationalismus die größte Herausforderung, erklärte Pfarrer Dr. Samuel Ayete Nyampong von der Presbyterianischen Kirche von Ghana. „Diese Tendenz, uns als verschieden von anderen zu sehen, spaltet uns“, sagte Ayete. „Wir müssen stärkere ökumenische Verbindungen knüpfen, damit wir unsere Eigeninteressen zurückstellen und Ressourcen und Ideen gemeinsam bündeln können; wir müssen uns als Glieder der einen Gemeinschaft in Christus sehen.“

Die Begegnung mit anderen Ökumenereferenten und –referentinnen gab Ayete die Möglichkeit, die Geschichten anderer Kirchen zu hören und von ihren Herausforderungen zu erfahren. „Ich kann Informationen mit nach Hause nehmen, die meine Kirche nicht erreicht hätten, wenn ich nicht an dieser Tagung teilgenommen hätte“, sagte Ayete. „Zu hören, dass andere mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, vermittel uns Afrikanern das Gefühl, nicht allein zu sein.

ÖRK-Dekade zur Überwindung von Gewalt

Internationale ökumenische Friedenskonvokation