Image
Pastorin Dr. Sang Chang, Präsidentin des Ökumenischen Rats der Kirchen für Asien. Foto: Paul Jeffrey/ÖRK

Pastorin Dr. Sang Chang, Präsidentin des Ökumenischen Rats der Kirchen für Asien. Foto: Paul Jeffrey/ÖRK

Die Präsidentin des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) für Asien, Pastorin Dr. Sang Chang, ermahnte die Christinnen und Christen, sie müssten verstehen, dass die Verehrung des Gottes des Lebens und der Schutz der von Gott gegebenen Menschenleben ein und dasselbe seien.

In einem Interview mit der ÖRK-Kommunikationsdirektorin Marianne Ejdersten sprach Chang über die Notwendigkeit, dass sich die Kirchen im Kampf gegen den neuartigen Coronavirus COVID-19 an die von ihren Regierungen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verordnete Einschränkung des sozialen Kontakts halten.

„In Erfüllung ihrer sozialen Verantwortung beten koreanische Christinnen und Christen weiterhin zu Hause und nehmen auch von dort aus an Gottesdiensten teil. Seelsorgerische Besuche werden per Telefon durchgeführt. Von der Kirche betriebene Essensausgaben wurden eingestellt oder sind zu neuen Dienstleistungen übergegangen, wie z.B. den Menschen die Nahrungsmittel vor die Tür zu stellen“, sagte Chang.

Südkorea war eines der ersten Länder außerhalb von China, in dem Anzeichen für eine Verbreitung von COVID-19 auftraten, nachdem die ersten Fälle gegen Ende 2019 gemeldet wurden. Es ist aber auch eines der ersten Länder, in denen sich Erfolge in der Bekämpfung der Krankheit zeigten. Mit Stand vom 6. April hat Südkorea 10.284 Fälle gemeldet, darunter 186 Todesfälle. Nordkorea hat keine COVID-19-Fälle gemeldet.

Weltweit gab es am gleichen Tag insgesamt fast 1,3 Millionen bestätigte Fälle, und mehr als 70.000 Menschen sind bisher daran gestorben.

Schutz von Kirchengängerinnen und -gängern sowie von Bürgerinnen und Bürgern

„Um Kirchengängerinnen und -gänger sowie die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, sind viele Kirchen, insbesondere die großen Kirchengemeinden, dazu übergegangen, Gottesdienste online zu streamen. Die Verwendung von Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmitteln sowie die Einschränkung des sozialen Kontakts sind in den meisten Kirchen schon zum Standard geworden“, sagte Chang.

Die in Nordkorea geborene Chang lebt in Südkorea und sagte, dass viele koreanische Christinnen und Christen dreimal pro Woche zur Kirche gingen und einige sogar täglich die Morgenandachten besuchten. Sie merkte an, dass die kirchlichen Gottesdienste nicht einmal während des Koreakriegs ausgesetzt worden seien.

„Wir müssen verstehen, dass die Verehrung unseres Gottes des Lebens und der Schutz der von Gott gegebenen Menschenleben ein und dasselbe sind. Die Kirchen müssen ihre soziale Verantwortung erfüllen, indem sie sich voll und ganz an den von der Regierung verordneten Präventionsmaßnahmen beteiligen. Aber gleichzeitig sollte auch die Regierung so vernünftig sein und gar nicht erst den Hauch einer repressiven Stimmung aufkommen lassen“, sagte sie.

Sie sprach davon, dass 2020 den 70. Jahrestag des Beginns des Koreakriegs markiere und den Auftakt der weltweiten Gebetskampagne des ÖRK - „Wir beten für Frieden jetzt, beendet den Krieg!“ - bilde.

„Diese Kampagne ist auf unserer ökumenischen Reise auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens äußerst wichtig“, sagte Chang.

Offizielles Ende des Koreakriegs

„Alle Christinnen und Christen sind aufgerufen, in die Gebete für das offizielle Ende des Koreakriegs einzustimmen und dafür zu beten, dass das Waffenstillstandsabkommen durch einen dauerhaften Friedensvertrag ersetzt wird. Ich hoffe, die Gebetskampagne hilft uns dabei, den Traum der Wiedervereinigung fortzuführen, und leitet uns an, unsere derzeitige feindselige Politik einzustellen"; sagte sie.

Chang erklärte, dass der politische Dialog zwischen dem Norden und dem Süden aktuell zum Stillstand gekommen sei.

„Daher glaube ich, dass die Solidarität von Christinnen und Christen auf der ganzen Welt durch Gebete für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel wichtig ist .... Gebete sind ein Ausgangspunkt im Streben nach Heilung, Aussöhnung und Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel.“

Sie sagte, ein solcher Frieden diene nicht nur den Koreanerinnen und Koreanern. „Durch Frieden auf der koreanischen Halbinsel kann auch der Weltfrieden näher rücken“, sagte Chang.

Pastorin Dr. Sang Chang spricht auf der Feier zum 70. Jahrestag des Ökumenischen Rats der Kirchen am 17. Juni 2018 während der ÖRK-Zentralausschuss-Tagung, an der Delegationen sowohl von Nordkorea als auch von Südkorea teilnahmen. Foto: Albin Hillert/ÖRK

 

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Die koreanischen Kirchen stellen sich während COVID-19 um, während sie weiter für die Wiedervereinigung beten

Pastorin Dr. Sang Chang, Präsidentin des Ökumenischen Rats der Kirchen für Asien

Wie passen sich die Kirchen an den Coronavirus-Ausbruch an?

Dr. Sang Chang: Viele koreanische Christinnen und Christen gehen dreimal pro Woche zur Kirche, einige besuchen sogar täglich die Morgenandachten, eine spirituelle Besonderheit der koreanischen Kirchen. Die kirchlichen Gottesdienste wurden nicht einmal während des Koreakriegs ausgesetzt. Wegen der COVID-19-Pandemie haben die Kirchen in Korea jedoch die Morgenandachten und Gottesdienste abgesagt. Viele Kirchen in Korea haben sich in den vergangenen Wochen rasch auf das Internet oder auf Familiengottesdienste verlegt. Die koreanischen Kirchen geben sich alle Mühe, um die Präventionsmaßnahmen der Regierung einzuhalten. Von den bislang über 10.000 bestätigten Fällen in Korea stehen ca. zwei Drittel in Zusammenhang mit der Pseudo-Kirchengruppe Shincheonji. Um Kirchengängerinnen und -gänger sowie die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, sind viele Kirchen, insbesondere die großen Kirchengemeinden, dazu übergegangen, Gottesdienste online zu streamen. Die Verwendung von Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmitteln sowie die Einschränkung des sozialen Kontakts sind in den meisten Kirchen schon zum Standard geworden. Die meisten Kirchenaktivitäten außerhalb der Sonntagsgottesdienste wurden verschoben oder abgesagt.

Wir müssen verstehen, dass die Verehrung unseres Gottes des Lebens und der Schutz der von Gott gegebenen Menschenleben ein und dasselbe sind. Die Kirchen müssen ihre soziale Verantwortung erfüllen, indem sie sich voll und ganz an den von der Regierung verordneten Präventionsmaßnahmen beteiligen. Aber gleichzeitig sollte auch die Regierung so vernünftig sein und gar nicht erst den Hauch einer repressiven Stimmung aufkommen lassen. Die koreanischen Kirchen haben in ihrer 130jährigen Geschichte viele Zeiten der Verfolgung und des Martyriums erlebt, so zum Beispiel während der japanischen Besatzung und während des Koreakriegs. Diese Geschichte ist ein Punkt, auf den die koreanische Kirche stolz ist, deshalb kann jede Andeutung einer repressiven Regierungshaltung nur zu Unruhe unter den koreanischen Christinnen und Christen führen.

Wie können die koreanischen Kirchen als Vorbild dienen?

Dr. Sang Chang: In Erfüllung ihrer sozialen Verantwortung beten koreanische Christinnen und Christen weiterhin zu Hause und nehmen auch von dort aus an Gottesdiensten teil. Seelsorgerische Besuche werden per Telefon durchgeführt. Von der Kirche betriebene Essensausgaben wurden eingestellt oder sind zu neuen Dienstleistungen übergegangen, wie z.B. den Menschen die Nahrungsmittel vor die Tür zu stellen. Auch befinden sich viele kleinere Kirchen mit 100 oder weniger Mitgliedern in finanziellen Nöten. Vielen Kirchen fehlt die Ausstattung und die Erfahrung, um Online-Gottesdienste abzuhalten. Größere Kirchen helfen ihnen, so wie die Christen von Mazedonien und Achaja der finanziell bedürftigen Kirche von Jerusalem halfen (Römer 15:26). „Und so ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“ (1 Korinther 12:26). Durch den wirtschaftlichen Stillstand und COVID-19 kommt es für viele Kleinunternehmer hart auf hart. Ihnen wird mit karitativen Kirchenspenden geholfen.

Sind Gebete ein probates Mittel, um einen koreanischen Frieden herbeizuführen?

Dr. Sang Chang: Gott ist der Herr der historischen Entwicklung. Wir kommunizieren mit Gott durch das Gebet und bitten Ihn um Hilfe. Bei Gebeten handelt es sich um mehr als ein probates Mittel, um Frieden in Korea herbeizuführen. Im Gebet trachten wir nach Vergebung für unsere eigenen Sünden oder bitten Gott uns zu helfen, anderen zu vergeben. Gebete sind der Ausgangspunkt im Streben nach Heilung, Aussöhnung und Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel. Gebete führen uns als Kinder Gottes in dieser unsicheren Zeit zusammen. Wir haben diese wundervolle Einheit im Gebet erfahren, als Papst Franziskus alle Christinnen und Christen und Menschen guten Willens auf der Welt dazu aufrief, am 25. März um 11 Uhr gemeinsam das Vaterunser zu beten. Wir sind aufgerufen, als Friedensstifter zu wirken. Frieden ist ein Geschenk Gottes.

War das weltweite Gebet für Frieden auf der koreanischen Halbinsel 70 Jahre nach Kriegsbeginn hilfreich?

Dr. Sang Chang: Jedes Jahr am Sonntag vor dem 15. August veranstalten der Nationale Kirchenrat in Südkorea und der Koreanische Christenbund in Nordkorea gemeinsam ein Gebet für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel und ihre Wiedervereinigung und laden die Christinnen und Christen ein, daran teilzunehmen. Das Gebet ist der ökumenische Ausdruck einer langjährigen Verpflichtung zu Frieden auf der koreanischen Halbinsel.

Das Jahr 2020 markiert den 70. Jahrestag des Beginns des Koreakriegs. Der Ökumenische Rat der Kirchen startete die weltweite Gebetskampagne „Wir beten für Frieden jetzt, beendet den Krieg!“ Diese Kampagne ist auf unserer ökumenischen Reise auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens äußerst wichtig. Die Kirchen auf der ganzen Welt rufen alle Christinnen und Christen dazu auf, ihre Beziehung zu Gott und zu einander zu vertiefen, indem sie sich am Dienst für Gerechtigkeit und Frieden beteiligen, dafür beten und Zeugnis ablegen. Alle Christinnen und Christen sind aufgerufen, in die Gebete für das offizielle Ende des Koreakriegs einzustimmen und dafür zu beten, dass das Waffenstillstandsabkommen durch einen dauerhaften Friedensvertrag ersetzt wird. Ich hoffe, die Gebetskampagne hilft uns dabei, den Traum der Wiedervereinigung fortzuführen, und leitet uns an, unsere derzeitige feindselige Politik einzustellen.

Aktuell ist der politische Dialog zwischen dem Norden und dem Süden zum Stillstand gekommen. Daher glaube ich, dass die Solidarität der Christinnen und Christen auf der ganzen Welt durch Gebete für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel wichtig ist.

Wir blicken zurück auf das Jahr 1950, als der Koreakrieg ausbrach, und wir danken vielen Ländern für ihre Hilfe, nicht nur für die militärische Unterstützung, sondern auch für den Beistand durch Gebete. Seither sind 70 Jahre vergangen, aber von echtem Frieden ist Korea weit entfernt. Doch so wie sich die Christinnen und Christen auf der Welt im Gebet für eine friedliche Wiedervereinigung verbinden, glaube ich, dass Gott mit uns sein und mit uns wirken wird. Die weltweite Gebetsbewegung ist ein Mittel zur Einigkeit für den Frieden und eine Weltfriedensbewegung. Der Frieden auf der koreanischen Halbinsel dient nicht nur den Koreanerinnen und Koreanern. Durch Frieden auf der koreanischen Halbinsel kann auch der Weltfrieden näher rücken.

Was haben Sie aus Ihrer Beteiligung am offiziellen Austausch zwischen den Christinnen und Christen von beiden Seiten Koreas seit dem Beginn gelernt?

Dr. Sang Chang: Mein Engagement im Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel war ein Auf und Ab an Hoffnungen und Enttäuschungen. Doch selbst in der größten Verzweiflung gibt es bei jedem Schritt auf dem Pfad des Friedens immer etwas zu feiern. Die pragmatischste Lektion, die ich aus dem Ökumenischen Forum auf der koreanischen Halbinsel gelernt habe, ist die, dass Frieden ein Prozess und kein Resultat ist.

Der Norden verändert sich. Bei drei Besuchen in Nordkorea (2000, 2015 und 2018) stellte ich beeindruckende Fortschritte im wirtschaftlichen Wachstum und der wissenschaftlichen Bildung fest. Mein Eindruck ist, dass sie sich große Mühe geben, um in der internationalen Gesellschaft anerkannt zu werden, ohne ihre eigene Identität zu verlieren.

So wie der Norden sich bemüht, Änderungen herbeizuführen, so müssen wir danach streben, ihn besser zu verstehen. Dialog und Austausch zwischen den beiden Koreas müssen fortgesetzt werden. Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Spaltung und der Konflikte dürfen wir nicht erwarten, dass es leicht werden wird. Der Prozess erfordert Geduld, und das gegenseitige Vertrauen muss Schritt für Schritt aufgebaut werden. Ein Austausch auf unterster Ebene und der Aufbau einer Gemeinschaft von unten herauf wären hier ebenso wichtig wie der offizielle Dialog zwischen den politischen Führern beider Länder. Dem müssen die christlichen Oberhäupter aus beiden Koreas mehr Aufmerksamkeit widmen.

Wie hat Ihre Erfahrung, in Nordkorea geboren worden zu sein, Ihre Sichtweise geformt?

Dr. Sang Chang: Der Geburtsort bildet eine Wurzel. Weil ich dort geboren und aufgewachsen bin, wird mir mein Geburtsort nie fremd sein, selbst wenn sich seine Ideologie und sein Sozialsystem im Laufe der Zeit verändert haben. Jedes Mal, wenn ich den Norden besuche, wird mir deutlich bewusst, wie sehr „wir“ auf der koreanischen Halbinsel über die gleiche Sprache, Geschichte und Kultur verfügen. Es ist mein Traum, mein Lebensziel, dass Nord- und Südkorea eins werden und friedlich zusammenleben. Deshalb bete ich, dass die Wiedervereinigung eines Tages kommen wird, wenn alle zusammen „unseren Vater, der Du bist im Himmel“ anrufen können.

Wie kann die Weltgemeinschaft inmitten noch nie dagewesener globaler Herausforderungen für Sie beten?

Dr. Sang Chang: Wiedervereinigung ist ein langer Prozess. Im Augenblick liegt der Weg zur Wiedervereinigung im Nebel. Doch in Vertrauen auf Gott, den Herrn der historischen Entwicklung, und im Glauben und mit der Vision, dass Gott unsere Gebete erhört, schreiten wir auf dem Pilgerweg zur Wiedervereinigung. Auf der 10. Generalvollversammlung 2013 beteuerte der ÖRK seine Unterstützung für Frieden auf der koreanischen Halbinsel und ihre Wiedervereinigung. Die anwesenden weiblichen Oberhäupter Koreas taten sich 2015 zusammen, um eine Gebetspilgergruppe zu gründen. Diese Gruppe, PPP (Prayer Partner Pilgrimage on Peace and Reunification, zu Deutsch: Pilgerweg der Gebetspartnerinnen für Frieden und Wiedervereinigung) hat sich in den vergangenen fünf Jahren zweimal im Monat zu insgesamt mehr als 100 Gebetssitzungen getroffen. Gebete für die Wiedervereinigung sind Gebete auf dem Pilgerweg, die in die Zukunft weisen und den Prozess der Wiedervereinigung vorbereiten.

Ich glaube, die weltweite Gebetsgemeinschaft ist eine Form von PPP. Ich danke den Mitchristinnen und Mitchristen auf der ganzen Welt, die uns, wie Simon von Kyrene, auf dem Pilgerweg und im Gebet begleiten.

Jetzt muss unser Gebet vorrangig der globalen Zusammenarbeit zur Überwindung der Coronavirus-Pandemie gelten, über alle Differenzen und trennende Meinungsverschieden­heiten hinaus. Unsere Gebete müssen den Kirchen auf der ganzen Welt gelten, die sich mit den Regierungen zusammen bemühen, eine Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern und sich besonders um die Armen und Ausgegrenzten kümmern, die von der Pandemie betroffen sind. Und natürlich müssen wir auch Nordkorea in unsere Gebete einschließen.

Abschließend möchte ich noch dem medizinischen Personal und den Gesundheitskräften Koreas meinen Dank für ihren selbstlosen Einsatz aussprechen. Sie leisten unglaubliche Arbeit, um uns hier in Südkorea zu schützen und der Welt Hoffnung zu geben.

Gebet von Pastorin Dr. Sang Chang zum Auftakt der weltweiten Gebetskampagne für Frieden auf der koreanischen Halbinsel

Erfahren Sie mehr über die weltweite Gebetskampagne für die koreanische Halbinsel