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Dr Agnes Abuom Thursdays in Black

Dr. Agnes Abuom, 2018    Foto: Magnus Aronson

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Während der Lockdowns aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde überall auf der Welt ein so großer Anstieg von geschlechtsspezifischer Gewalt und insbesondere der Gewalt gegen Mütter und Kinder verzeichnet, dass viele die Geißel der Gewalt als „zweite Pandemie“ bezeichnen.

Abuom formuliert ihre Gedanken hierzu im Kontext der „16 Aktionstage gegen geschlechtsspezifische Gewalt“, einer internationalen Kampagne, die jedes Jahr zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember veranstaltet wird.

Warum ist die Gefahr von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt für Frauen und Mädchen im Kontext der COVID-19-Pandemie so groß? Inwiefern tragen Konfliktsituationen zu einem noch höheren Risiko für diese Art von Gewalt bei?

Dr. Abuom: Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass mehr als 243 Millionen Frauen und Mädchen im Alter von 15 bis 49 Jahren in den letzten zwölf Monaten Opfer von sexueller oder körperlicher Gewalt durch einem Intimpartner geworden sind. Die Zahl wird aber wahrscheinlich noch weiter ansteigen, weil Sorgen in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Geld zu größeren Spannungen und Belastungen führen und diese wiederum durch die beengten Lebensverhältnisse und anderen Einschränkungen während und nach der COVID-19-Pandemie auch noch weiter verstärkt werden. Und als ob das noch nicht genug ist, ist die Gefahr für Frauen und Mädchen in Ländern und Gemeinschaften, in denen Krieg oder Konflikt herrscht, noch größer, dass ihnen der Zugang zu lebensnotwendigen Gütern wie sauberem Wasser, Nahrung und Menschenwürde verweigert wird.

Was sind die konkreten Risiken für Kinder und junge Menschen, wenn die Schulen geschlossen sind?

Dr. Abuom: Weil aufgrund der COVID-19-Pandemie mehr Online-Unterricht stattfindet und Schulen geschlossen sind, sind Kinder einem größeren Risiko ausgesetzt, sexuell ausgebeutet zu werden – sowohl online als auch zu Hause. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation zum Thema Kindesmissbrauch weltweit hat festgestellt, dass 1,5 Milliarden Kinder weltweit wegen Schulschließungen aufgrund der Pandemie derzeit nicht zur Schule gehen können. Diese Kinder verbringen dann mehr Zeit online und sind damit einem größeren Risiko der sexuellen Ausbeutung ausgesetzt. Viele Kinder können den Tätern ohne die Schulen, die normalerweise ein sicherer Ort für sie sind, zudem überhaupt nicht entkommen.

Und auch Cyber-Mobbing nimmt zu. Angaben von L1ght, einer Organisation, die Belästigungen und Hassrede im Internet beobachtet und unter die Lupe nimmt, zufolge hat Cyber-Mobbing innerhalb von nur wenigen Monaten um 70 % zugenommen. L1ght hat außerdem festgestellt, dass toxisches Verhalten auf Online-Gaming-Plattformen um 40 %, an China und die chinesische Bevölkerung gerichtete Hassäußerungen auf Twitter um 900% und der Traffic auf Hass-Seiten im Internet um 200 % zugenommen hat.

Wie können wir als globale ökumenische Familie diese bedenklichen Entwicklungen umkehren?

Dr. Abuom: Religionsgemeinschaften spielen in vielerlei Hinsicht und in vielen Bereichen der Gesellschaft durch die kreative Anpassung von Praktiken, das Vermitteln von Botschaften, die Fakten und Gerüchte klar benennen und abgrenzen, die Unterstützung für ihre Gemeinschaften, den Austausch mit Ausreißern und Zweiflern und den Abbau von Vorurteilen eine wichtige Rolle. Viele von ihnen setzen sich engagiert dafür ein, ein deutlich stärkeres Augenmerk auf vulnerable und leidende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu lenken.

Es ist wieder einmal soweit, dass religiöse Akteure gebeten werden, beim Umgang mit der Pandemie zu helfen. Das liegt daran, dass die Kirchen Kommunikationsnetzwerke haben und die lokalen Gemeinschaften gut kennen. Aber auch auf globaler Ebene wurden religiöse Organisationen und Institutionen eingeladen, an den Beratungen zu einer besseren Bekämpfung der Pandemie auf Ebene der UN teilzunehmen.

Wie kann der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt gegen Kinder aus Ihrer Sicht integraler Bestandteil des Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens werden?

Dr. Abuom: Während wir unseren Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens fortsetzen – indem wir uns mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften auf eine gemeinsame Reise begeben, auf der wir ihren Geschichten lauschen und unsere Solidarität zum Ausdruck bringen –, stellen wir fest, dass der Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit das zentrale Thema unseres Pilgerwegs ist. Wenn wir die Verhinderung von geschlechtsspezifischer Gewalt zu einem Arbeitsschwerpunkt machen, werden wir feststellen, dass die Geschichten von geschlechtsspezifischer Gewalt sehr eng verbunden sind mit Ungerechtigkeit aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit und der Solidarität mit indigenen Völkern.

Wo können Pastorinnen und Pastoren und alle, die mit jungen Menschen zusammenarbeiten, Materialien zu diesem Thema finden?

Dr. Abuom: Es ist sehr wichtig, dass Pastorinnen und Pastoren und Jugendleiterinnen und Jugendleiter mit den richtigen Materialien wie zum Beispiel Bibelarbeiten zum Thema ausgestattet sind, wenn sie die Menschen in ihren Gemeinden und Jugendgruppen auf den richtigen Weg führen wollen. Während der Lockdowns aufgrund von COVID-19 werden Gottesdienste zunehmend zu Hause gefeiert und auch hier kann Unterstützung geleistet werden. Der ÖRK hat bereits eine ganze Reihe großartiger Ressourcen und Materialien erarbeitet und wird auch in den kommenden Monaten noch weitere Bibelarbeiten zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt erarbeiten und bereitstellen.

 

Kampagne „Donnerstags in Schwarz“: Ressourcen für Studium, Gebet und praktisches Engagement

Engagement des ÖRK für Kinder

 

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