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Der Zentralausschuss des Ökumenischen Rats der Kirchen tagt vom 15. bis 18. Juni 2022 im Ökumenischen Zentrum in Genf.

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Haben Sie über das Thema der 11. ÖRK-Vollversammlung Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“ reflektiert?

Dr. Lessing: Wir verbrachten einige Zeit damit, die Dynamik des Vollversammlungsthemas in den auf der Tagung vertretenen Kirchen darzustellen. Wir sprachen darüber, wo uns das Thema hinführt. Viele Leute sagten, das Thema ließe sich nicht leicht vermitteln, es führe irgendwie zu einer gewissen „Entziehung“ in die traditionelle Kirchensprache. Doch es wurde auch festgestellt, dass es, sobald man sich eingehender damit beschäftigt, sich vielen aktuellen Debatten öffnet und wichtige Erkenntnisse und eine Ausrichtung bringt. Die versammelten Personen hielten es für äußerst wichtig, dass das Thema wirklich dargelegt und in einer religiös vielfältigen Umgebung konstruktiv und positiv kommuniziert wird.

Welche Überlegungen gab es, wie unser Leben in die Versöhnung und Einheit führt?

Dr. Lessing: Wir besprachen konkrete, handlungsorientierte Schritte. Ein Punkt war, dass Versöhnung den Diskurs nicht zum Schweigen bringen darf. Wir dürfen Menschen, die Gewalttaten überlebt haben, nicht zwingen, über ihre Erfahrungen von Schmerzen und Leiden zu schweigen, damit eine oberflächliche Versöhnung stattfinden kann. Wenn eine Versöhnung von unten, aus der Perspektive von Schmerz und Leid, erfolgt, dann verfügt sie über eine recht große Grundlage für die Verwandlung. Wir hatten dazu recht viele Beiträge aus der Sicht von indigenen Völkern.

Was waren die Höhepunkte bei der Diskussion über den Krieg in der Ukraine?

Dr. Lessing: Die Vertreterinnen und Vertreter der reformierten und vereinigten Kirchen überlegten, ob man über die Suspendierung der russisch-orthodoxen Kirche sprechen müsse. Dabei ging es weniger um den Ausschluss der Kirche, sondern darum, Grenzen beim Urteilsvermögen zu setzen. Der Zentralausschuss hat in seine Stellungnahme zur Ukraine einen Absatz aufgenommen, in dem es heißt, dass der Missbrauch der religiösen Sprache zur Rechtfertigung eines Krieges nicht akzeptabel sei, auch wenn gleichzeitig man nach dem ÖRK rufe, damit dieser als Raum für den Dialog fungiere.

Und es gab auch einige heftige Worte zum Klimawandel.

Dr. Lessing: Es kamen ziemlich mitreißende Beiträge aus dem Pazifikraum, der bereits etwas mitmacht, von dem die Menschen glauben, es fände erst in der Zukunft statt – doch es ist bereits hier, es bedroht die Inseln. Wüsten breiten sich aus und mehr Gebiete sind von Dürren betroffen. Die Menschen sind zur Umsiedlung gezwungen. Es ist also eine Realität, die bereits passiert und sie muss in den Diskussionen behandelt werden.

ÖRK-Zentralausschuss-Tagung, Juni 2022

Fotos von der ÖRK-Zentralausschuss-Tagung, Juni 2022