„Heute vor genau einem Jahr, am 7. Oktober 2023, führte die Hamas im Süden Israels einen brutalen Überfall aus, der Auslöser für die weitere Eskalation und Ausweitung des Konflikts in der Region seither sein würde“, sagte Pillay. „Bei dem Überfall wurden zahlreiche Gräueltaten unter vollkommener Missachtung der grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts und der Sittlichkeit verübt“, sagte er weiter.
Jedoch, so Pillay, seien die gewaltigen Dimensionen des nachfolgenden Kriegs von Israel im Gazastreifen erschütternd und nicht hinnehmbar. „Er hat die Rechtsverletzungen und das Leid, die bzw. das der unschuldigen Zivilbevölkerung zugefügt wurde, exponentiell verstärkt, da nach Angaben der Gesundheitsbehörden in der Enklave bis heute mehr als 41.700 Menschen – darunter mehr als 16.000 Kinder – getötet und weitere 100.000 Menschen verletzt wurden und mehr als 10.000 vermisst werden und vermutlich tot irgendwo unter den Trümmern begraben liegen“, so Pillay. „Rund 1,9 Millionen Menschen – 90 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen – sind mit Gewalt aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben worden, viele von ihnen sogar mehrfach, und fast eine halbe Million Menschen sind von katastrophaler Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, während auch die kritische Infrastruktur im Gazastreifen, die medizinische Versorgung der Menschen, das Bildungswesen, der Wohnraum, die Wirtschaft, die landwirtschaftlich genutzten Flächen und die Fischfangflotte fast komplett verwüstet und zerstört wurden.“
Auch die gewaltsamen Angriffe und anderen Rechtsverletzungen von illegalen Siedlerinnen und Siedlern und israelischen Sicherheitskräften auf palästinensische Gemeinwesen im besetzten Westjordanland und Ostjerusalem hätten in dieser Zeit stark zugenommen, unterstrich Pillay. „Israels Krieg im Gazastreifen und die damit verbundenen Verletzungen der Souveränität von benachbarten Ländern hat zudem die Spannungen in der Region insgesamt deutlich verschärft, was zu verstärkten militärischen Auseinandersetzungen an verschiedenen Fronten, vermehrten gegenseitigen Angriffen mit der Hisbollah im Libanon, den Huthis im Jemen und zum ersten Mal auch direkt mit dem Iran geführt hat“, erklärte Pillay. „Israels Einmarsch in den Südlibanon mit Bodentruppen und die Raketenangriffe und anderen Kriegshandlungen zwischen Iran und Israel drohen sich zu einem noch größeren Konflikt auszuwachsen und den gesamten Nahen Osten in Brand zu stecken, und die bereits bestehende Bedrohung für den Frieden und die Stabilität in der Welt insgesamt zu verschärfen.“
Ein Jahr nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 schienen Israel und seine Kontrahenten in einer tödlichen Spirale der Gewalt festzustecken, so Pillay weiter.
„Wenn uns die jüngere Geschichte im Nahen Osten eine klare Lektion erteilt, dann die, dass sich wiederholende Kreisläufe von bewaffneten Konflikten und anhaltender Besatzung und Unterdrückung keinen Weg zu nachhaltigem Frieden bahnen, sondern nur Feindschaft, Hass und Extremismus auf allen Seiten verstärken“, so Pillay. „Die einzige Lösung ist, aus der Spirale der Gewalt auszubrechen, Abstand zu nehmen von weiterem Töten und weiterer Zerstörung, und sich auf Dialog und Verhandlungen für einen Frieden einzulassen, der auf Gerechtigkeit und gleichen Rechten für alle Menschen basiert.“
Pillay wiederholte die Forderung des ÖRK nach einem Waffenstillstand an allen Fronten. „Die Hamas muss unverzüglich und ohne Bedingungen alle verbliebenen Geiseln freilassen“, sagte er. „Israel muss alle palästinensischen politischen Gefangenen freilassen und die Besatzung und Unterdrückung des palästinensischen Volks in den seit 1967 besetzten Territorien zügig beenden und die gleichen Menschenrechte für alle Menschen auf seinem Staatsgebiet unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Herkunft gewährleisten. Und alle Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft müssen ihre Mittäterschaft und Mitschuld an der Fortschreibung des Konflikts, der Besatzung und der Unterdrückung in der Region beenden.“
Lesen Sie die Erklärung des ÖRK: Ein Jahr nach Hamas-Überfall am 7. Oktober im vollständigen Wortlaut