Die Teilung Zyperns seit 1974 ist eine der sich am längsten hinziehenden Angelegenheiten in den Händen der Vereinten Nationen. Trotz der Tatsache, dass Friedensverhandlungen jüngst ins Stocken geraten sind, gibt es noch Hoffnung, dass ein Ausweg aus der Sackgasse für die Vereinigung der Mittelmeerinsel gefunden wird. Die Kirche von Zypern, ein Gründungsmitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), bemüht sich gemeinsam mit anderen Kirchen im Land um die Einheit der Insel. Sie erkennt jedoch auch an, dass die vorerst größte Herausforderung die Heilung der Wunden ist, die der türkische Einmarsch vor 44 Jahren gerissen hat.
Metropolit Dr. Vasilios, Oberhaupt der Diözese Constantia-Ammochostos in Zypern, hat jüngst eine Gruppe von Teilnehmenden an der Tagung des Planungsausschusses für die Vollversammlung zu einem Besuch in dem von der Türkei besetzten Teil der Insel begleitet. Dort haben sie das St. Barnabas-Kloster und Museum und die Agios Georgios Exorinos-Kirche in Famagusta im Osten der Insel besucht.
Vasilios war Gastgeber der Tagung des Planungsausschusses für die Vollversammlung vom 9. bis 16. Januar auf Zypern. Er ist überzeugt, dass dort, wo die Politik gescheitert ist, den Stillstand auf Zypern zu überwinden, Kirchen und religiöse Führungspersonen eine führende Rolle auf dem Weg hin zu Frieden und Versöhnung übernehmen können.
Vasilios hat durch den Einmarsch der Türkei 1974 nahe Familienangehörige verloren. Dennoch hat er Hoffnung, dass ein friedliches und vereintes Zypern für griechische und für türkische Zyprioten und für alle anderen Bevölkerungsgruppen gemeinsam möglich ist.
Der Einmarsch der Türkei hat zur Teilung der Insel geführt – der nördliche Teil der Insel, der etwa ein Drittel der Fläche umfasst, wird von türkischen Zyprioten bewohnt, im südlichen Teil leben griechische Zyprioten, deren Regierung international anerkannt ist. Die Waffenstillstandlinie von 1974 wurde zur Pufferzone der Vereinten Nationen, entlang der Zypern auch heute noch geteilt ist. Aufgrund des Konflikts und der Teilung der Insel sind mehr als 200.000 griechische Zyprioten und 65.000 türkische Zyprioten vertrieben worden.
Der Einmarsch der Türkei nach einem kurzen griechisch-inspirierten Putsch verursachte massive Zerstörung und den Tod von 6.000 Soldaten und Zivilpersonen (das entspricht zwei Prozent der männlichen Bevölkerung im Jahr 1974). Weitere 1.619 Frauen und Männer, darunter 1.536 griechisch-zypriotische und 83 griechische Staatangehörige, kehrten nie nach Hause zurück und gelten als vermisst.
Seit 1983 nennt sich die von der Türkei besetzte Region im Norden der Insel selbst Türkische Republik Nordzypern; sie wird international nur von der Türkei anerkannt, die dort 30.000 Militärs stationiert hat.
Kulturelle Identität und Heilung der Wunden
Vasilios erklärte, dass der Einmarsch der Türkei das kulturelle und religiöse Erbe Zyperns beschädigt habe. Die Zerstörung, so Vasilios, umfasse auch Schäden an archäologischen Stätten, Klöstern, antiken Kirchen, Friedhöfen und wichtigen Denkmälern.
„Diese Kultstätten sind für die gläubigen Menschen außerordentlich wichtig, weil sie unterschiedlichste Lebensereignisse geprägt haben“, sagte er. „Von mehr als 500 Kirchen in den besetzen Gebieten ist bekannt, dass sie entweiht wurden, genau wie die heiligen Bilder, Fresken und Mosaike dort“, erläuterte er in einem Interview.
„Die Heilung dieser Wunden ist nicht einfach“, erkennt er an. „In jeder Familie auf Zypern kann man Wunden finden, die im Kontext des Einmarsches der Türkei zugefügt wurden. Wir alle kennen Menschen, die seither verschwunden sind, wir alle kennen Menschen, die getötet wurden. Ich selbst habe fünf Familienangehörige verloren, darunter einen Onkel und Cousins. Daher muss ich hier auch nochmal wiederholen, dass es nicht einfach ist, Schritte hin zu Versöhnung zu unternehmen. Aber trotzdem müssen wir genau das tun.“
„Um der Einheit unseres Landes willen müssen wir uns für Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit einsetzen“, so Vasilios.
Weiter erklärte er, dass „wirkliches Handeln“ notwendig sei, um den Weg hin zu einer politischen Lösung des Konflikts zu ebnen. Beiden Seiten sei es aber bisher nicht gelungen, eine Lösung zu finden. Der erste Schritt auf dem Weg, die Grenze aufzulösen, sei, die Beziehungen zwischen den Normalbürgern des Landes wiederaufzubauen. Und um diese Beziehungen zu stärken müssten religiöse Führungspersonen ein Umfeld schaffen, das die Einheit der Zypriotinnen und Zyprioten fördert.
Die Teilung der Insel bereitet Vasilios, der seine Kindheit und Jugend in dem heute von der Türkei besetzen nördlichen Teil der Insel verbracht hat, großen Kummer. Für jede Veranstaltung der Kirche die Grenze überqueren zu müssen ist kein Zustand, an den er sich inzwischen gewöhnt hat. „Als Bischof der Kirche von Zypern darf ich an verschiedenen kirchlichen Veranstaltungen und Feierlichkeiten in Nordzypern teilnehmen. Aber es ist ein sehr schmerzhafter Prozess, wenn mir gesagt wird, dass dieser Teil der Insel nicht mein Zuhause ist und ich eine offizielle Erlaubnis brauche, um einreisen zu können“, erzählt Vasilios.
Friedensprozess Zypern
Im Oktober 2018 haben sich die zwei rivalisierenden Führungspersonen der beiden Seiten auf Zypern auf mehr Grenzübergänge entlang der militarisierten Grenze geeinigt, die das Land trennt.
Die von den Vereinten Nationen angeleiteten Friedensgespräche zwischen den beiden Seiten sind im Juli 2017 in Genf (Schweiz) sind aber gescheitert – Medienberichten zufolge insbesondere aufgrund der Uneinigkeit über die Rolle, die die Türkei im Zypern nach einem Friedensabkommen spielen würde, wodurch der Weg hin zu einer Lösung für das Land in einer Sackgasse endete.
Die türkische Tageszeitung Hürriyet berichtete am 11. Januar, dass der türkisch-zypriotische Präsident Mustafa Akıncı gesagt habe, dass bis zum Sommer dieses Jahres keine Verhandlungen über die Zypernfrage zu erwarten seien.
Alle religiösen Führungspersonen in Zypern engagieren sich mit vollem Einsatz für die Einheit Zyperns. Seit 2011 engagieren sie sich unter dem Dach des so genannten religiösen Zweigs des Friedensprozesses auf Zypern (RTCYPP), der unter der Schirmherrschaft der schwedischen Botschaft in Nikosia geführt wird. Christliche und muslimische Führungspersonen arbeiten hier gemeinsam für Religionsfreiheit auf Zypern; zudem ist der RTCYPP eine vertrauensbildende Maßnahme für den Einigungsprozess auf der Insel.
Marianne Ejdersten, Direktorin der ÖRK-Kommunikationsabteilung
ÖRK-Mitgliedskirchen auf Zypern
Eine Auswahl von Fotos aus Zypern steht jetzt hier zur Verfügung
Der religiöse Zweig des Friedensprozesses auf Zypern (RTCYPP) (in englischer, türkischer und griechischer Sprache)