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Photo: Yusef Daher/WCC

Photo: Yusef Daher/WCC

Muslimische und christliche Gläubige haben sich am 27. Juli in der Al-Aqsa-Moschee zum gemeinsamen Gebet versammelt, Seite an Seite für einen gerechten Frieden im Heiligen Land nach fast zwei Wochen voller Spannungen und tödlicher Gewalt in Jerusalem. Die Begegnungen von Kirchenleitenden und islamischen führenden Geistlichen im Innenhof der Moschee wurden von der Gemeinschaft selbst inmitten von  Tränengaswolken und  sporadisch zu hörenden Explosionen begrüßt. Dem emeritierten katholischen Patriarch Michel Sabbah, der die christliche Delegation anführen sollte, wurde der Zugang durch das Löwentor verwehrt. Er übermittelte den Gläubigen deshalb seine Botschaft.

In Solidarität mit den palästinensischen muslimischen Gläubigen haben Kirchenleitende die Al-Aqsa-Moschee besucht, nachdem alle Barrieren, die nach dem tödlichen Angriff auf zwei israelische Polizisten an einem der Eingänge errichtet worden waren, entfernt wurden.

Die Initiative für den Moscheebesuch der Kirchenleitenden ging von christlichen Organisationen wie Kairos Palestine und Sabeel unter der Leitung der Nationalen Koalition christlicher Organisationen in Palästina aus. Ursprünglich gab es den Plan, die Gebete gemeinsam mit den Abendgebeten der muslimischen Gläubigen zu sprechen, die sich in den vergangenen Tagen auf der Straße unterhalb des Löwentores versammelt hatten. Dann entschlossen sich jedoch die religiösen Führungspersönlichkeiten und die Gemeinschaft von Jerusalem, sich zum Gebet in der Al-Aqsa-Moschee als Symbol für den freien Zugang zu dieser heiligen Stätte zu treffen.

Im Namen der Besucherdelegation dankte der Erzbischof Theodosios Atallah Hanna von Sebastia vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat von Jerusalem Gott „für seine Gnade und der Gemeinschaft von Jerusalem und den Kirchenleitenden für ihre Standhaftigkeit“ und gratulierte ihnen „zu diesem siegreichen Tag des gewaltfreien Widerstandes."

Der Mufti ergriff daraufhin selbst das Wort und erklärte der versammelten Menge, dass „sich jeder Angriff auf die Al-Aqsa-Moschee oder die Grabeskiche gegen die Einheit der Menschen in Jerusalem richte."

Patriarch Sabbah, dem der Zugang verwehrt wurde, sandte eine Botschaft, in der er u. a. verkündete: „Heilige Stätten sind Orte des Gebetes. Sie dürfen nicht in Stätten des Krieges verwandelt werden ... Menschen, die an ihren eigenen heiligen Stätten beten, brauchen keine anderen Menschen, die für ihre Sicherheit sorgen."

Er schrieb weiterhin: „Sie können selbst für ihre eigene Sicherheit und die öffentliche Ordnung innerhalb ihrer heiligen Stätten geradestehen.“

Sabbah führte weiter aus, dass „der Vorfall in der Moschee wie ein anscheinend singulärer Zwischenfall zwischen Muslims und Juden aussieht. In Wirklichkeit ist er aber Teil des endlosen Konflikts zwischen Israel und Palästina und Teil der israelischen militärischen Besetzung Ostjerusalems und palästinensischer Gebiete. Deshalb weist uns dieser Vorfall in der heiligen Moschee darauf hin, dass dieser endlose Kampf zwischen den beiden Völkern beendet werden muss."

Abschließend schrieb Sabbah: „Israel braucht Freunde, die den Mut haben, das Land zu retten und es in einen dauerhaften gerechten Frieden in Jerusalem und in der Region zu geleiten. Friede oder Krieg in Jerusalem bedeutet Friede oder Krieg auf der Welt."

Pastor Dr. Mitri Raheb, Präsident des Diyar-Konsortiums, sagte nach dem Gebet: „Eine unvergessliche Nacht in der Al-Aqsa als Demonstration des Glaubens und der christlich-muslimischen Einheit als Instrument des kreativen Widerstandes."

ÖRK-Kommentar zu einer auf dem Glauben beruhenden gewaltfreien Perspektive

Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, begrüßte nachdrücklich den hohen Stellenwert der Respektierung religiöser Rechte und die deutliche Verpflichtung zu einem auf dem Glauben beruhenden gewaltfreien Handlungsansatz, der sich während der Krise in Jerusalem während der vergangenen Tage und Wochen bewährt hat.

„Die Probleme in Jerusalem lassen sich nicht mit Gewalt oder durch noch mehr Unterdrückung und Ausgrenzung lösen. Der ÖRK verurteilt jede Art von Gewalt, und ich hoffe inständig, dass die Situation jetzt durch weise Entscheidungen entschärft werden kann, damit nicht noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, damit sie ihre Religion leben können und den Zugang zu den heiligen Stätten in Jerusalem erhalten", sagte Tveit.

Weiterhin erklärte er: „Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, wie viel Frustrationen sich über die Monate und Jahre durch das Leben unter der mehr als 50 Jahre währenden Besetzung aufgebaut haben. Das sollte von den politischen Führungskräften als ein Zeichen verstanden werden, wie dringend neue Initiativen für eine Beendigung der Besetzung und für ein gerechtes Friedensabkommen für Jerusalem und das Heilige Land gebraucht werden."

Tveit erklärte abschließend: „Selbst unter der Besetzung müssen religiöse Rechte respektiert werden, und wir haben gesehen, wie gefährlich eine Situation werden kann, wenn die sorgsam austarierten Vereinbarungen, die in dem historischen Status quo manifestiert sind, gestört oder geändert werden. Als christliche Gläubige beten wir für einen gerechten Frieden für Jerusalem und für ein gerechtes und friedvolles Miteinander der drei Religionen und der zwei Völker. “

ÖRK wiederholt Forderung nach Dialog und ungehindertem Zugang zu den heiligen Gebetsstätten, ÖRK-Pressemitteilung vom 22. Juli 2017

Der ÖRK spricht sich gemeinsam mit Kirchenleitenden in Jerusalem für einen ständigen ungehinderten Zugang zu den heiligen Stätten in Jerusalem aus,       ÖRK-Pressemitteilung vom 20. Juli 2017,

ÖRK verurteilt Angriff in Jerusalem, ÖRK-Pressemitteilung vom 14. Juli 2017, nur auf Englisch

Kirchen und Naher Osten: Solidarität und Zeugnis für den Frieden