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Ökumenischer Gottesdienst in der Kathedrale von Riga, 2015. © Kaspars Upitis

Ökumenischer Gottesdienst in der Kathedrale von Riga, 2015. © Kaspars Upitis

Von Ivars Kupcis*

In Lettland zeigt sich die Einheit der Christen meist in Form von praktischer Zusammenarbeit, aber auch in ökumenischen Gottesdiensten – mit der Beteiligung von lutherischen, römisch-katholischen, orthodoxen, armenisch-apostolischen, baptistischen, adventistischen, methodistischen und pfingstkirchlichen Gemeinden, und manchmal sogar Vertretern der Altgläubigen. Sie alle beteiligen sich an gemeinsamen theologischen Konferenzen, kooperieren in der theologischen Ausbildung und erarbeiten gemeinsam den Lehrplan für den ökumenischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. In Bezug auf die Beziehungen zum Staat haben es Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen so geschafft, eine gemeinsame Position zu vertreten – diese Geschlossenheit ermöglicht es den Kirchen, ihre Werte effektiver zu kommunizieren.

„Die Beziehungen unter den verschiedenen Kirchen und Gemeinden unterschiedlicher Konfessionen sind hierzulande außerordentlich gut und von Vertrauen geprägt. Die Kirchenleitenden sind nicht nur Kollegen, sondern gute Freunde“, berichtet Janis Vanags, Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands. „Das liegt hauptsächlich an der Verfolgung während der Sowjetzeit, in der wir gelernt haben, unsere Meinungsverschiedenheiten und den gegenseitigen Wettbewerb hinter uns zu lassen und stattdessen anzuerkennen, dass wir alle Christen und damit Kinder desselben himmlischen Vaters sind.“ Allerdings gibt der Erzbischof zu, dass ein Hindernis für den ökumenischen Dialog in Lettland der Mangel an ausreichend qualifizierten Theologinnen und Theologen in der Ökumene sei. Aus diesem Grund finde so gut wie kein ökumenischer Dialog auf lokaler Ebene statt, nicht einmal ausreichende Beschäftigung mit bzw. Diskussion über Dokumente, die im weltweiten ökumenischen Prozess erarbeitet werden.

Trotzdem ist die Gebetswoche für die Einheit der Christen ein Höhepunkt der ökumenischen Zusammenarbeit und eine gute Gelegenheit, sich an die breitere Öffentlichkeit zu wenden. In Lettland war eine der wichtigsten Veranstaltungen der Gebetswoche dieses Jahr ein ökumenischer Gottesdienst am 21. Januar in der St.-Jakobs-Kathedrale in Riga, an dem der lettische römisch-katholische Erzbischof und Metropolit von Riga Zbigņevs Stankevičs, Erzbischof Janis Vanags von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands, Bischof Pēteris Sproģis vom lettischen Bund der Baptistengemeinden, Metropolit Alexander von der orthodoxen Kirche Rigas und Lettlands sowie Geistliche anderer christlicher Kirchen teilnahmen. Unter den Teilnehmenden waren auch Theologiestudenten und –studentinnen und Gläubige verschiedenster Kirchen und Konfessionen.

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen war für viele Gemeinden ein Ansporn, auch in anderen Regionen Lettlands gemeinsame Aktivitäten zu organisieren. An jedem Tag dieser Woche werden ökumenische Gottesdienste in katholischen, lutherischen und baptistischen Kirchen in Sigulda und Umgebung gefeiert, so auch in der Krankenhauskapelle in Sigulda und in Inčukalns, Mālpils, Krimulda und Turaida. In Madona finden ebenfalls jeden Abend ökumenische Veranstaltungen statt. Beispielsweise kamen Gemeinden aus Madona am Mittwoch zum Abendgebet in der ökumenischen Gebetskapelle zusammen, wo das ganze Jahr über 24 Stunden am Tag Vertreterinnen und Vertreter der lutherischen, katholischen und baptistischen Konfessionen ununterbrochen beten. Am Samstag nehmen Geistliche der Kirchen in Madona und Vertretende der Lokalmedien an einer öffentlichen Diskussion zur Ökumene in Lettland und zur Erfahrung der Einheit von Christinnen und Christen in Madona teil.

Außerdem gibt es in Lettland Kirchen und Regionen, die seit langem das Jahr hindurch regelmäßige ökumenische Aktivitäten durchführen. Ein gutes Beispiel dafür sind vier Kirchen, die sich alle im selben Stadtteil von Riga befinden: die lutherische Kirche in Tornkalns, die Agenskalns-Baptistenkirche und die katholischen Kirchen St. Therese und Maria Magdalena, deren ökumenische Freundschaft schon seit zwei Jahrzehnten besteht. Die Geistlichen dieser Kirchen treffen sich einmal im Monat, um aktuelle Themen zu besprechen, und jedes Jahr wird in einer der Kirchen eine Versammlung der Kirchenmitglieder abgehalten. Darüber hinaus geben die Gemeinden einen gemeinsamen Kalender heraus, der in den Gemeinden zahlreich verteilt wird, und die Kirchen leisten gemeinsam Seelsorge im Kinderkrankenhaus von Riga.

„Die Eintracht der Kirchen verschiedener Konfessionen stärkt die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses, und Frieden zwischen unterschiedlichen religiösen Traditionen trägt dazu bei, die Gesellschaft zu stabilisieren“, sagte Erzbischof Jānis Vanags der Evangelisch-Lutherischen Kirche angesichts aktueller Entwicklungen in der Welt. „Kirchen, die sich nicht gegenseitig bekämpfen, haben eine höhere Chance, glaubwürdige Friedensstifter zu werden und gemeinsam das Leid der Welt zu lindern“, fügte er hinzu.

Gebetswoche für die Einheit der Christen beginnt (ÖRK-Pressemitteilung vom 14. Januar, in englischer Sprache)

„Bibel-App“ bringt Texte der Gebetswoche aufs Smartphone (ÖRK-Pressemitteilung vom 11. Januar)

Weitere Informationen zur Gebetswoche für die Einheit der Christen

Materialien der Gebetswoche im YouVersion Bible Reader

*Ivars Kupcis ist freiberuflicher Journalist und Fotograf in Lettland.