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7. März 2024, Genf, Schweiz: Susan Smith bei der ersten Gemeinsamen Tagung der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA), der Kommission für Gesundheit und Heilen (CHH) und der Kommission für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung (CCJSD) des Ökumenischen Rates der Kirchen. 

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Warum haben Sie angefangen, sich für Klimagerechtigkeit zu engagieren? 

Prof. Smith: In meinen Augen ist der Klimaschutz eines der wichtigsten Themen unserer Zeit und ich wollte mich in einem Rahmen, der mit einer Vollzeitstelle vergleichbar ist, dafür engagieren. Die ÖRK-Kommission für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung schien mir eine ausgezeichnete Gelegenheit zu sein, genau das zu tun.  Darüber hinaus engagiere ich mich über die Vereinigte Kirche Christi auch sehr stark in der Kirche.

Ich fühle mich zum Engagement für Klima- und Wassergerechtigkeit berufen. Außerdem bin ich Prozessanwältin von Beruf. Als Professorin habe ich lange beobachtet, was in Sachen Klimaklagen so passiert. In vielen Ländern sind einige der größten Fortschritte in Bezug auf den Klimawandel durch Klimaklagen und Gerichtsverfahren erreicht worden – in der Regel allerdings nationale Gerichtsverfahren, keine internationalen.

Was genau machen Sie als Mitglied der ÖRK-Kommission für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung?

Prof. Smith: Wie alle Mitglieder der Kommission engagiere ich mich sehr stark für Klimagerechtigkeit und versuche, meinen Teil zur Arbeit der Kommission beizutragen, die die Klimaschutzmaßnahmen der Mitgliedskirchen ausbauen will.  Ich arbeite mit dem ÖRK zusammen, um strategische Klimaklagen in den USA auszuarbeiten. Der ÖRK würde gerne die Finanzierung der Grundursachen des Klimawandels angehen.  Zumindest im US-amerikanischen System ist es sehr schwer, Banken zu verklagen, die Klimazerstörung finanzieren; denn in den meisten Fällen dieser Art können die Banken nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie getrennt zu betrachten sind von den Konzernen, die für die größten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Ich bin auch Mitglied in der Arbeitsgruppe zum Thema Land, Wasser und Nahrungsmittel der Kommission; dort beschäftigen wir uns mit der Verwirklichung des Menschenrechts auf Wasser und Nahrung und den damit verbundenen Nachhaltigen Entwicklungszielen.

Welche Fälle interessieren Sie derzeit am meisten?

Prof. Smith: Bei den Klimaklagen, die mich aktuell am meisten interessieren, geht es um die Schädigung der Gesundheit von Menschen durch den Rauch von Waldbränden, weil das ein Thema ist, für das sich normale Anwälte, die sich auf das so genannte „tort law“, auf die Geltendmachung von Entschädigungen für von anderen verursachte Schäden spezialisiert haben, wahrscheinlich nicht interessieren. Diese Anwälte, die im amerikanischen Rechtssystem „tort lawyers“ genannt werden, interessieren sich für große Schäden und Schadensersatzklagen, nicht die so genannten „kleinen Schäden“. Wenn Waldbrände die Häuser von Menschen zerstören, sie verletzen oder töten, kann es um viel Geld gehen.

Wo ich lebe, hatten wir 2020 am US-amerikanischen Tag der Arbeit Anfang September die so genannten „Labor Day fires“; das waren ganz furchtbare Waldbrände. Entzündet hatten sie sich durch Brände im Grasland und haben sich dann über das Kaskadengebirge ausgebreitet. PacifiCorp versäumte es, den Strom abzustellen, obwohl es sehr starke Winde gab. Die Waldbrände erzeugten höchst gefährlichen Rauch. In meinen Augen ist vollkommen klar, dass alle Menschen im Willamette-Tal diesem Rauch in einem Maße ausgesetzt waren, das ausreicht, um Schäden am Herzen und an der Lunge zu verursachen. Und diese Rauchschäden interessieren mich persönlich am meisten. 

Und was ist mit den jüngsten Waldbränden in der Nähe von Los Angeles, Kalifornien? 

Prof. Smith: Die Waldbrände um Los Angeles wurden durch die warmen, trockenen so genannten Santa-Ana-Winde zu dem gemacht, was sie waren; aber die Winde haben den Rauch größtenteils aufs offene Meer gepustet. Daher waren die Rauchschäden der Waldbrände um Los Angeles gering. 

Ich denke aber, dass die großen Treibhausgasemittenten durchaus für die Rauchschäden im Zusammenhang mit den jüngsten Waldbränden in Oregon verklagt werden können.  Ich bin gerade dabei, die Genehmigung von meinem Kirchenrat einzuholen, eine Klimaklage mit Blick auf diese Waldbrände einreichen oder uns einer solchen anschließen zu dürfen. Die größten Auswirkungen hat der Rauch von Waldbränden auf Kinder und ältere Menschen. Ich bin zufällig selbst 71 Jahre alt und gehöre damit zu einer der vulnerablen Bevölkerungsgruppen.

Was ist so gefährlich an dem Rauch?

Prof. Smith: Lassen Sie mich das kurz für Sie einordnen: Die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen sind ab einem Rauchindex von 100 gefährdet. Bei uns lag der Index bei 750 und das über mehrere Tage. Und unsere Erfahrungen in Salem waren bei Weitem nicht einzigartig; überall im Bundesstaat Oregon gab es Waldbrände, die in unseren Städten und Dörfern eine derartig gefährliche Rauschbelastung verursachten. Ein Ort oben im Kaskadengebirge – Oakridge – wird jedes Jahr von solchen Rauchentwicklungen heimgesucht, allerdings immer wieder. Das ist ein erhebliches Gesundheitsrisiko. 

Die Waldbrände um Los Angeles werden nach normalem „tort law“, also dem Rechtsgebiet, das Entschädigung für von anderen verursachte Schäden gewährt und die für den Schaden verantwortlichen Parteien zur Verantwortung zieht, abgewickelt werden, denke ich. Aber für die anderen Orte an der Westküste, die unter den Folgen des Rauchs leiden, wird das eher nicht zutreffen. In diesen Fällen könnte Klage gegen die großen Treibhausgasemittenten eingereicht werden, dass sie diese extrem gefährlichen Bedingungen verursacht haben, die solche Waldbrände entstehen lassen.

Wofür genau sind die großen Emittenten verantwortlich? 

Prof. Smith: Es spielt keine Rolle, ob die unmittelbare Quelle, an der sich das Feuer entzündet hat, ein Blitzschlag, ein Stromkabel oder ein Lagerfeuer war, das nicht gelöscht wurde. Der Vorwurf, der den großen Emittenten in Bezug auf die Waldbrände gemacht werden kann, die wir erlebt haben, ist das Ausmaß an verfügbaren Brennstoffen, weil unsere Wälder und Wiesen aufgrund des Klimawandels so extrem trocken sind. Und dann muss nur ein bisschen Wind und einen Funken zu einer sowieso schon extrem gefährlichen Situation hinzukommen. Das Schaffen einer solchen extrem gefährlichen Situation sollte wirklich eine strikte Gefährdungshaftung bedingen.  Mindestens aber ist das wissentliche Herbeiführen dieser extrem gefährlichen Bedingungen fahrlässig.

Warum sollten sich die Kirchen an derartigen Klagen beteiligen? 

Prof. Smith: Für uns in den Kirchen gilt das Gebot, uns für die Armen und Benachteiligten einzusetzen.  Und es sind genau diese Menschen, die in unserem derzeitigen System am ehesten keine Entschädigung erhalten und nicht geschützt sind. Es gibt jetzt Menschen, die Schwierigkeiten haben, Essen auf den Tisch zu bringen, und die zudem mit den gesundheitlichen Folgen der Waldbrände zu kämpfen haben.

Sind die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen in den USA ein Problem? 

Prof. Smith: Die Bundesregierung sollte uns in allen Bereichen des Lebens und unserer Freiheiten beschützen. Aktuell haben wir allerdings eine Bundesregierung, die dieser Verantwortung in keinster Weise gerecht wird. 

Manche Menschen tun Dinge, die ich als Umweltverbrechen bezeichnen würde – die Menschen, die jene Konzerne leiten, die für immense Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Und das müssen wir als das bezeichnen, was es ist: Das ist Mord. Mindestens aber ist es grob fahrlässige Tötung. Die Menschen, die für die Öl- und Gasproduktion zuständig sind, und Kohle verbrennen, und die Banken, die sie finanzieren, wissen, dass sie verheerende Waldbrände, extreme Hitzewellen und außergewöhnlich gefährliche Hurricanes verursachen. Sie wissen, dass jedes Jahr hunderttausende Menschen aufgrund dieser Ereignisse, die durch die Zerstörung unseres Klimas unvermeidbar geworden sind, sterben. Klagen können für konkrete Hoffnung sorgen, weil sie zum Ziel haben, das todbringende Verhalten von Konzernen auf Leben auszurichten, Leben für die Menschen und den Rest von Gottes Schöpfung.

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Mehr über das Engagement der Kirchen für Kinder und ein klimaverantwortliches Bankwesen

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