Von John Gibaut (*)

Am 19. Oktober 2010 jährt sich die Geburtstunde der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung zum 100. Mal. Diese Bewegung bemüht sich durch theologischen Dialog zwischen Vertretern/innen verschiedener Konfessionen um christliche Einheit.

Die Anfänge von „Glaube und Kirchenverfassung“ sind eng verbunden mit der Weltmissionskonferenz, die im Juni 1910 im schottischen Edinburgh stattfand. Die Edinburgher Konferenz legte den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit in der weltweiten christlichen Mission. Kirchen trennende Fragen und kontroverse Lehraussagen wurden in den öffentlichen Diskussionen in Edinburgh bewusst vermieden, waren in den Köpfen vieler Teilnehmender aber präsent.

Einer der Konferenzteilnehmer war Charles Brent, ein gebürtiger Kanadier und Missionsbischof, der damals für die Bischöfliche Kirche der Vereinigten Staaten von Amerika in den Philippinen Dienst tat. Die Idee zu einer Konferenz für Glauben und Kirchenverfassung ging von Bischof Brent aus, der die Verbindung zwischen der Edinburgher Konferenz mit ihrem Aufruf zur christlichen Einheit und der Notwendigkeit, kontroverse Fragen zu Glauben und Kirchenverfassung zwischen den getrennten Kirchen beizulegen, herstellte.

Er erkannte, dass das „Auferlegen einer Selbstbeschränkung“ bei der Diskussion unterschiedlicher Meinungen zur Missionsstrategie gut war, dass kontroverse Fragen zu Glauben und Kirchenverfassung aber ein eigenes geeignetes Forum benötigten, auf dem sie diskutiert und beigelegt werden konnten.

Zum Abschluss der Edinburgher Konferenz sagte Brent:

In diesen vergangen Tagen hat sich uns eine neue Vision offenbart. Aber wenn immer Gott uns eine Vision schenkt, gibt er uns zu verstehen, dass auch neue Verantwortung auf uns zukommt, und Sie und ich werden, wenn wir diese Versammlung verlassen, einige neue Pflichten mit im Gepäck haben. 

 

Bischof Brent kehrte 1910 zur Generalversammlung der Bischöflichen Kirche in die USA zurück, die im Oktober jenes Jahres stattfand. Brent bereitete eine Entschließung für die Generalversammlung vor, die wichtige Konsequenzen für die neu entstehende ökumenische Bewegung haben sollte. Am 19. Oktober 1910 nahm die Generalversammlung einstimmig eine Entschließung an, die zu einer Weltkonferenz der Vertreter aller Kirchen aufrief, „um Fragen zu Glauben und Kirchenverfassung der Kirche Christi zu erörtern“.

Mit dieser Entschließung einer Kirche – und nicht etwa einer theologischen Fakultät oder Missionsgesellschaft – war sichergestellt, dass die Kirche daran arbeiten würde, Konflikte der Vergangenheit durch theologischen Dialog zu überwinden und den Weg für die Einheit der Kirche in Glaube, Kirchenverfassung, Leben, Arbeit, Gottesdienst und Mission vorzubereiten, damit die Welt an Christus glaube.

Günther Gassmann, ehemaliger Direktor von Glauben und Kirchenverfassung im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), schrieb dazu: „Glaube und Kirchenverfassung war und ist eine Bewegung von und in den Kirchen. Alle theologischen Anstrengungen auf allen Ebenen, die in und zwischen Kirchen stattfinden und zu einer engeren und schließlich zur vollen Einheit führen, sind in gewisser Weise Anstrengungen von Glauben und Kirchenverfassung.“ 

Etwa zur gleichen Zeit wie die Entschließung der Generalversammlung der Bischöflichen Kirche gab es in den USA auch andere bedeutsame Appelle zur Beilegung Kirchen trennender Konflikte, und zwar vor allem vom Nationalrat Kongregationalistischer Kirchen und der Christlichen Kirche (Jünger Christi) – beide am 18. Oktober 1910.

Dennoch ist es der 19. Oktober 1910, der den institutionellen Beginn der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung darstellt, die wiederum direkt zur Ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung 1927 in Lausanne hinführt. Bischof Charles Brent leitete die Versammlung von 1927.

Als der Ökumenische Rat der Kirchen 1948 gegründet wurde, wurde Glauben und Kirchenverfassung zusammen mit der Bewegung für Praktisches Christentum konstitutiver Bestandteil des Rates. Und auch heute noch stellt die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung eine grundlegende Dimension der Arbeit des ÖRK dar.

(*)Kanonikus Dr. John Gibaut ist Direktor der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung.

Weitere Informationen zur ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung

Informationen, Dokumente, Audiointerviews und Fotos von der Tagung des Plenums der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung im Oktober 2009

Fotos in hoher Auflösung von der Ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung 1927 in Lausanne können über photos.oikoumene.org angefordert und für die Illustration dieses Artikels kostenlos genutzt werden.

Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider. Dieses Material darf unter Angabe des Autors/der Autorin nachgedruckt werden.