Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hatte im Oktober 1970 beschlossen, 100.000 Deutsche Mark aus Kirchenmitteln für den Sonderfonds des Anti-Rassismus-Programms des ÖRK zur Verfügung zu stellen, mit dem humanitäre Hilfe für Befreiungsbewegungen finanziert wurde, die in die bewaffneten Kämpfe im südlichen Afrika involviert waren.
Die Entscheidung sei ein Zeichen der ökumenischen Verbundenheit und Solidarität „nicht nur mit der weltweiten ökumenischen Bewegung, sondern insbesondere mit denjenigen, die durch rassistische Politik und rassistisches Handeln unterdrückt werden“, sagte die Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses, Dr. Agnes Abuom, in einer Videobotschaft am 26. November im Rahmen einer Sondersitzung der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, die zum Gedenken an die Entscheidung von 1970 online veranstaltet wurde.
Das Programm des ÖRK zur Bekämpfung des Rassismus, das 1969 begründet worden war und weithin unter der Abkürzung der englischen Bezeichnung, PCR (Programme to Combat Racism), bekannt ist, war bei seiner Entstehung eine der umstrittensten Initiativen des ÖRK, nicht zuletzt aufgrund der finanziellen Zuwendungen für Befreiungsbewegungen, die gegen Rassismus und Kolonialregimes in Afrika kämpften.
Die erste dieser finanziellen Zuwendungen hatte der ÖRK im September 1970 angekündigt. Einen Monat später entschied die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, den Sonderfonds mit Geldern aus Kirchensteuermitteln finanziell zu unterstützen, was zu scharfer Kritik an der Kirche in den Medien führte und von führenden evangelischen Kirchenvertretern nachdrücklich missbilligt wurde.
„Angesichts dieser Kritik hätte die Kirche in Hessen und Nassau auch entscheiden können, das ganze herunterzuspielen oder sogar die eigene Entscheidung zu überdenken“, sagte die kenianische Anglikanerin Abuom in ihrer Ansprache.
Stattdessen habe sich die Kirche aber für ein anderes Vorgehen entschieden und ein umfassendes Programm aufgesetzt, um in Ortsgemeinden und anderen Kontexten mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. In und mit diesen Gesprächen habe sie „ihre Entscheidung erklären [wollen], den Sonderfonds zu unterstützen, aber auch Bewusstsein für den Ökumenischen Rat der Kirchen und die Verortung Ihrer Kirche innerhalb dieser Gemeinschaft schaffen [wollen]“.
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ist eine der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland, die gemeinschaftlich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bilden. Nur eine weitere evangelische Landeskirche folgte der hessen-nassauischen Kirche in ihrem Entschluss und unterstützte den Sonderfonds des Anti-Rassismus-Programms des ÖRK offiziell mit Finanzmitteln; andere Landeskirchen richteten Spendenkonten ein.
Zur Eröffnung der Gedenkfeier lobte der Präses der Synode, Ulrich Oelschläger die „Standhaftigkeit“ der Synode damals, die trotz der heftigen öffentlichen Kritik und dem Eingang hunderter Protestzuschriften bei der Kirchenleitung noch im Dezember 1970 ihre Unterstützung für den Sonderfonds bekräftigte.
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung beschrieb die Entscheidung von 1970 in seinen Worten an die diesjährige Herbstsynode als „eine bleibende Verpflichtung, jeder Form von Rassismus und jeder Form von Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten.“
Abuom berichtete der Herbstsynode, dass der ÖRK-Exekutivausschuss angesichts von zunehmender Fremdenfeindlichkeit, zunehmendem Rassismus und dem Erstarken des populistischen Nationalismus weltweit beschlossen habe, die Überwindung von Rassismus in den Vorbereitungen auf die nächste Vollversammlung 2022 und darüber hinaus zu einem wichtigen Arbeitsschwerpunkt zu machen.
„Dabei können wir alle uns ein Beispiel an der Entscheidung und dem Handeln der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vor 50 Jahren nehmen“, sagte sie.
Ansprache der ÖRK-Vorsitzenden im Wortlaut in englischer Sprache