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Pastorin Dr. Priscille Djomhoue

Pastorin Dr. Priscille Djomhoue

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Kamerun ist laut einem Bericht von UNAIDS ein HIV/AIDS-Hochprävalenzland. Was tun die Kirchen des Landes, um die von HIV/AIDS heimgesuchten Gemeinschaften in ihrem Heilungsprozess zu unterstützen? Inwiefern kann die christliche Theologie eine Inspirationsquelle für die Heilung und für den Umgang mit Diskriminierungen sein, aufgrund derer Frauen der Krankheit stärker ausgesetzt sind?

Die kamerunische Theologin und Pastorin Dr. Priscille Djomhoue hat in einem Interview am 25. März 2014 auf diese und andere Frage geantwortet. Sie ist Autorin mehrerer akademischer Abhandlungen über HIV/AIDS und sehr engagiert in der Ökumenischen HIV/AIDS-Initiative in Afrika (EHAIA), einem Projekt des Ökumenischen Rats der Kirchen.

Wie gehen die Kirchen in Kamerun mit dem Thema HIV/AIDS um?

Die Kirchen in Kamerun gehen unterschiedlich mit dem Thema HIV/AIDS um. Manche Kirchen besitzen gut strukturierte Programme. Die Presbyterianische Kirche in Kamerun (PCC) beispielsweise ist über die Gemeinden, ein theologisches Seminar, Sekundarschulen und Gesundheitseinrichtungen tätig.

Die PCC arbeitet in folgenden acht strategischen Bereichen: Prävention, Pflege, Beratung, Kapazitätsaufbau, Advocacy, Reflexion, Aufklärung und Unterstützung. In den Seminaren und Schulen der PCC wurden „HIV/AIDS- Clubs“ gebildet, die den Studenten Informationen über HIV/AIDS zur Verfügung stellen. Diese Kurse werden nicht nur in theologischen Einrichtungen unterrichtet, sondern auch in Verbindung mit anderen Fachrichtungen. Manche Studenten haben die HIV/AIDS-Pandemie als Dissertationsthema gewählt.

In anderen Kirchen wird das Thema in Predigten, Bibelstudien, Beratungsgesprächen usw. angesprochen, doch häufig auf weniger gut organisierte Art und Weise. Menschen, die mit HIV/AIDS leben, werden wie andere kranke Menschen in ihrer Gemeinschaft behandelt, doch manche Kirchen sind nicht gut genug gewappnet, um angemessene Unterstützung bieten zu können.

Welchen Einfluss hat die Geschlechterdiskriminierung auf den Umgang mit HIV/AIDS in Kamerun?

Die Regierung in Kamerun versucht die Geschlechterdiskriminierung zu senken, indem sie inklusive Gesetze erlässt, die Frauen und Männern dieselben Rechte einräumen. Auch manche religiöse Führungspersönlichkeiten setzen sich für harmonische Beziehungen zwischen Männern und Frauen ein. Doch es bleiben noch immer viele Herausforderungen wie zum Beispiel, dass die Kirchen erst langsam über Geschlechterdiskriminierung zu sprechen beginnen.

Trotz ihrer zahlreichen Verantwortungen wird von Frauen nach wie vor erwartet, dass sie die Entscheidungen der Männer befolgen. Das hat unter anderem zur Folge, dass Frauen nicht selber entscheiden können, sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen oder auf welche Weise sie mit einem Mann Sex haben wollen.

Ein weiteres großes Problem ist sexuelle Nötigung. Um ihren Arbeitsplatz zu behalten oder ihre Ausbildung, Schule bzw. ein Studium erfolgreich abzuschließen, werden manche Frauen von höhergestellten Männern zu Sex genötigt. Die hinter derartigen Praktiken verborgenen patriarchalischen Strukturen tragen weiterhin zur Verbreitung von HIV/AIDS bei. Doch es gibt auch andere als patriarchalische Gründe, aus denen sogar Frauen an solch einem Ausbeutungssystem mitmachen.

Inwieweit kann die christliche Theologie den Kirchen im Umgang mit HIV/AIDS als Inspirationsquelle dienen?

In Kamerun habe ich beobachtet, dass Dissertationen über HIV/AIDS von Studenten in theologischen Einrichtungen stark dazu beitragen, die Kirchen für dieses Thema zu sensibilisieren. Noch wichtiger ist aber, dass diese Studenten diesen Ansatz weiterverfolgen, wenn sie eines Tages Gemeindepastoren werden.

Theologische Veröffentlichungen über HIV/AIDS sind sehr hilfreich. Sie werden von aufgeschlossenen Pastoren in ihrer Gemeinde für Aufklärungsarbeit eingesetzt. Andere Dokumente bieten Auslegungen von Bibeltexten an, die aufzeigen, wie mit den Herausforderungen von HIV/AIDS umgegangen werden kann. Abhandlungen, in denen kulturelle und traditionelle Aspekte berücksichtigt werden, helfen den Kirchen, die Ausbreitung der Pandemie anzusprechen. Dazu gehören beispielsweise kontextuelle Bibelstudien, die in den Kirchen zur Gruppenarbeit eingesetzt werden können.

Die christliche Theologie kann für den Umgang der Kirchen mit HIV/AIDS sicher eine Inspirationsquelle sein. Sie kann irreführende Bibelauslegungen, die nicht zu einer richtigen Wahrnehmung von HIV/AIDS beitragen, revidieren und stattdessen jene Auslegungen begünstigen, die für ein Verständnis im Lichte des Evangeliums des Lebens und der Liebe förderlich sind.

Welchen Beitrag können Projekte wie EHAIA Ihrer Ansicht nach zur Aufklärung und zur Verringerung der Risiken von HIV/AIDS leisten?

EHAIA und andere religiöse Projekte leisten ohne jeden Zweifel einen wichtigen Beitrag. Sie regen zu Reflektion, Bildung und Sensibilisierung über dieses Thema an. Sie tragen dazu bei, dass in der Völkergemeinschaft, den Kirchen und den Gemeinschaften vor Ort das Bewusstsein dafür geschärft wird, wie die negativen Auswirkungen von HIV/AIDS vermindert werden können. Das ist wichtig, weil es immer noch kirchliche Einrichtungen gibt, in denen dieses Thema nicht ernsthaft berücksichtigt wird. Heute besteht die Herausforderung darin dafür zu sorgen, dass Kirchen und christliche Einrichtungen Hand in Hand durch gut strukturierte Programme HIV/AIDS den Kampf ansagen.

Weitere Informationen zur Ökumenischen HIV/AIDS-Initiative in Afrika

ÖRK-Mitgliedskirchen in Kamerun