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Silwan, East Jerusalem

Im Stadtteil Silwan, Ostjerusalem, sollen 100 Häuser abgerissen werden. Damit droht 1.500 Palästinensern und Palästinenserinnen die Vertreibung.

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Wie unterstützt das ökumenische Begleitprogramm die Menschen in Ostjerusalem?

Prove:
EAPPI begleitet die Gemeinschaften in Ostjerusalem seit mehr als einem Jahrzehnt. Zwar können wir zurzeit dort die Mitglieder der Gemeinschaften, die z. B. in Scheich Dscharrah, Silwan und andernorts in Ostjerusalem von Zwangsräumung und Vertreibung bedroht sind, nicht im direkten persönlichen Kontakt unterstützen. EAPPI versucht aber, die Menschen dort auf andere Art zu begleiten, besonders durch Advocacy-Maßnahmen wie diese Initiative hier für Ostjerusalem, die wir heute auf den Weg bringen.



Unterstützt EAPPi die Gemeinschaften in Ostjerusalem schon länger?

Prove:
Seit vielen Jahren setzt sich EAPPI vor Ort für die Menschen in Scheich Dscharrah und anderen Gemeinschaften ein, trifft sich dort mit Familien, die von Zwangsräumung und Vertreibung bedroht sind, beobachtet ihre gewaltfreien Protestaktionen und nimmt an Gerichtsverhandlungen teil, sofern die Betroffenen dies wünschen, weil sie Unterstützung brauchen. Sobald es die Umstände wieder erlauben, stehen wir diesen Menschen auch persönlich wieder zur Seite.



Bis es so weit ist – wie kann EAPPI den Betroffenen helfen, wenn es weitere Gerichtsverhandlungen und Zwangsräumungen gibt?

Prove:
Erstens: durch Aufklärungsarbeit. Um die Ungerechtigkeit dieser Situation vollständig verstehen zu können, muss man den Kontext und die geschichtlichen Hintergründe kennen, die die palästinensischen Familien und Gemeinschaften in diese prekäre Situation einer drohenden Vertreibung bringen. Für viele dieser Menschen ist es mindestens das zweite Mal, dass ihnen dieses Schicksal droht.



Es ist ebenfalls wichtig, die Menschen auf die von Grund auf diskriminierende Natur dieser einschlägigen israelischen Gesetze hinzuweisen. Nachdem Israel im Jahre 1967 Ostjerusalem annektiert hatte, wurde ein Gesetz verabschiedet, das es jüdischen Klägern und Klägerinnen ermöglichte, von palästinensischen Familien Land in Ostjerusalem zurückzufordern. Palästinenser und Palästinenserinnen haben jedoch gesetzlich keine Möglichkeiten, Land zurückzufordern, von dem sie in Westjerusalem und anderenorts in Israel vertrieben wurden. Leider werden diese diskriminierenden Gesetze von Siedlerorganisationen genutzt, deren ausgemachtes Ziel darin besteht, die Palästinenser und Palästinenserinnen zu vertreiben, um israelische Familien dort anzusiedeln.



Zweitens: durch Advocacy-Arbeit für Gerechtigkeit. Wir bitten alle ÖRK-Mitgliedskirchen und alle Menschen, die ihrem Gewissen folgen und guten Willens sind, mit uns gemeinsam an die israelische Regierung zu appellieren, die Zwangsräumungen in Scheich Dscharrah und in anderen ähnlich betroffenen Gemeinschaften in Ostjerusalem sofort zu stoppen und dafür zu sorgen, dass die nach dem Völkerrecht für Israel bestehenden Verpflichtungen vollständig eingehalten und beachtet werden. Dazu gehören das Verbot, Gesetze und Gebräuche in besetzten Gebieten zu ändern, die Umsiedlung von Menschen aus diesen oder in diese Gebiete zu veranlassen,  privates Eigentum zu zerstören, Menschen zu vertreiben oder sie aus nationalen oder ethnischen Gründen zu diskriminieren.



Sie haben erwähnt, wie wichtig es ist, den Kontext und die historischen Hintergründe der Situation zu kennen. Können Sie das kurz erklären? 

Prove:
Die jetzt von Zwangsräumung bedrohten Familien und Gemeinschaften haben mindestens schon einmal ihr Zuhause verloren. Viele dieser Menschen wurden während des israelisch-arabischen Kriegs 1948 vertrieben. Jüdische Familien, die damals aus Scheich Dscharrah fliehen mussten, erhielten als Ausgleich von der Regierung des neu gegründeten Staates Israel Häuser, die früher einmal palästinensischen Familien gehört hatten. Jordanien und die Vereinten Nationen sorgten für die Umsiedlung der vertriebenen Palästinenser und Palästinenserinnen. Dazu gehörten auch 28 palästinensische Flüchtlingsfamilien, die 1956 im Ostjerusalemer Stadtviertel Scheich Dscharrah angesiedelt wurden. Jetzt müssen diese Menschen und ihre Nachkommen erneut mit Vertreibung rechnen. Während die jüdischen Kläger und Klägerinnen aber nach israelischen Gesetzen das Recht haben, ihre Ansprüche durchzusetzen, selbst wenn historisch keinerlei Bezug zu den betroffenen Liegenschaften besteht, haben die palästinensischen Familien keinerlei Möglichkeit, ähnliche Ansprüche auf ihre früheren Besitztümer in Israel gerichtlich geltend zu machen.



Israel hat bereits 35 Prozent der Grundstücke in Ostjerusalem enteignet und für israelische Siedlungen freigegeben, während 330.000 der palästinensischen Bewohner und Bewohnerinnen Ostjerusalems über keine ausreichende Infrastruktur verfügen und aufgrund der restriktiven israelischen Planungs- und Aufteilungspolitik nicht genug Wohnungen und Häuser haben. Nur für 13% des Ostjerusalemer Gebiets gibt es einen genehmigten Bebauungsplan für Palästinenser. Der ist aber eine Voraussetzung für die Ausstellung von Baugenehmigungen, wobei der größte Teil dieser Gebiete bereits bebaut ist. Viele palästinensische Häuser in Ostjerusalem sind daher ohne eine von Israel ausgestellte Baugenehmigung errichtet worden, so dass potentiell mehr als 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen von Vertreibung bedroht sind.



Das palästinensische Volk hat das Recht, genau so behandelt zu werden wie andere Menschen auch. Uns genau das fordern wir.



Was können wir als besorgte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft – Kirchen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen – unternehmen, um die gefährdeten Gemeinschaften zu unterstützen?

Prove:
Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, um über die Situation und die damit verbundene Ungerechtigkeit aufzuklären. Ob in den sozialen Medien, in der Gemeinschaft oder einer Organisation, in der Kirche oder innerhalb der Familie – sprechen Sie über das Thema und machen Sie darauf aufmerksam.

Besuchen Sie die EAPPI-Website und die sozialen Medien, informieren Sie sich und holen Sie sich dort Anregungen für Advocacy-.Aktionen.



Nehmen Sie vor allem Kontakt zu Ihren lokalen und nationalen politischen Vertretern und Vertreterinnen auf und fragen Sie sie, wie sie zu dieser Ungerechtigkeit stehen. Versuchen Sie sie, dazu zu bewegen, etwas gegen diese Situation zu unternehmen.



Wer betet, möge für die Familien beten, die mit dieser Bedrohung leben, und für die verantwortlichen Behörden, dass sie deren Menschenwürde und Menschenrechte anerkennen und dafür sorgen, dass gleiches Recht für alle gilt.



Die Initiative des ÖRK für Ostjerusalem. Fotos und Social Media-Karten

Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI)

Arbeit des ÖRK im Bereich Friedenskonsolidierung, Konflikttransformation und Versöhnung