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Brother Alois, prior of the Taizé community

Frère Alois, Prior der Communauté von Taizé, bei seinem Besuch des Ökumenischen Rats der Kirchen am 3. Dezember 2021. Seine Botschaft für das nächste Jahr, „Zu Schöpfern von Einheit werden“, beinhaltet sechs Vorschläge, die zur Einheit auf allen Ebenen aufrufen.

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Aufgrund der momentanen weltweiten Gesundheitslage wird das europäische Taizé-Treffen Ende dieses Jahres online stattfinden. Wie hat sich die Pandemie auf das Leben der Gemeinschaft von Taizé ausgewirkt und auf welche Art bieten Sie weiterhin geistliche Unterstützung für junge Menschen auf der ganzen Welt?

Frère Alois: Wie alle anderen auch müssen wir flexibel sein und uns der Situation anpassen. Nehmen Sie zum Beispiel unsere europäischen Treffen - seit 40 Jahren halten wir diese Treffen in immer anderen Städten und Ländern ab. Dieses Jahr hätte es im italienischen Turin stattfinden sollen. Doch aufgrund der momentanen Lage ist das nun nicht möglich. Wir haben uns entschieden, das Treffen nicht einfach abzusagen und auch nicht nur am Ende des Jahres online durchzuführen. Damit die jungen Menschen aus ganz Europa tatsächlich die Menschen vor Ort treffen können, werden wir ein zweites Treffen vom 7. bis 10. Juli in Turin organisieren und hoffen, dass es dann möglich sein wird.

Zuerst war es für unsere Gemeinschaft in Taizé nicht einfach, sich der Pandemie-Lage anzupassen. Es gab Zeiten, in denen wir überhaupt keine Gäste aufnehmen konnten. Wir hätten uns niemals vorstellen können, dass wir nur unter uns Brüdern sein würden. Es war in verschiedener Hinsicht eine schwierige Zeit - geistlich, psychologisch und auch wirtschaftlich, da wir neue Einkommensquellen suchen mussten.

Wir sind froh, dass die Menschen diesen Sommer zurückkehren konnten. Wir hatten ziemlich viele Gäste für die wöchentlichen Treffen in Taizé.

Taizé hat sich immer um junge Menschen gekümmert und sie in ihrer Reise zum Glauben unterstützt und inspiriert. Ist es heutzutage, wenn die meisten unserer Kontakte online stattfinden einfacher oder schwieriger geworden, junge Menschen anzusprechen? 

Frère Alois: Wir waren erstaunt, als wir erfuhren, dass die Online-Gebete für so viele Menschen auf der Welt eine Hilfe gewesen waren. Doch die Frage, wie wir heutzutage junge Menschen bei ihrer geistlichen Suche unterstützen können, bleibt. Sie suchen nach einem Sinn des Lebens. Während den Jugendtreffen in Taizé geschehen überraschende Dinge. Nachdem sie eine Woche in unserer Gemeinschaft verbracht haben sagen zum Beispiel viele junge Menschen, wie wichtig die Stille für sie war. Sie nennen nicht als erstes den Unterricht, sondern die Stille. Und das ist in der heutigen Welt erstaunlich. Wir sehen, wie eine tiefere Sehnsucht an die Oberfläche kommt. Die jungen Menschen spüren den geistigen Hunger tief in ihrem Inneren. Wenn wir einen geistigen Hunger in uns verspüren, können wir uns für das Evangelium öffnen.

Neben den Online-Gebeten organisieren Sie auch noch andere Online-Aktivitäten wie Treffen und Workshops. Sehen Sie darin eine nützliche Ergänzung zur geistlichen Unterstützung, die die Communauté von Taizé anbieten kann?

Frère Alois: Ja, sie sind in der momentanen Lage sehr nützlich, und bleiben es vielleicht auch über die Pandemie hinaus. Die Online-Treffen könnten auch in dieser Art weitergeführt werden. Doch persönliche Begegnungen können sie natürlich nicht ersetzen. Wir beobachten, dass die Menschen, die jetzt nach Taizé kommen, unglaublich froh darüber sind, sich wieder persönlich zu treffen, in der Kirche zusammen zu sein und gemeinsam singen zu können. Glaube und Gemeinschaftsleben gehören zusammen - wir können sie nicht voneinander trennen. Der Glaube an Christus bedeutet, das Gemeinschaftsleben und die Einheit zu stärken.

Ich werde bald meine Botschaft für das kommende Jahr veröffentlichen: Zu Schöpfern von Einheit werden, sechs Vorschläge für Einheit. Es geht darum, Einheit auf allen Ebenen zu fördern, in unserer Gesellschaft, in der es immer mehr Spaltungen gibt, in unseren Kirchen, aber auch in unseren Familien und in unserem Herzen. Einheit ist tatsächlich auch in jedem von uns persönlich wichtig. Das wird das Thema für das kommende Jahr.

Sehen Sie Überschneidungen zwischen Ihrer Botschaft zur Einheit für das nächste Jahr und dem Thema der kommenden ÖRK-Vollversammlung „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“?

Frère Alois: Sie haben den gleichen Schwerpunkt, und ich würde in diesem Zusammenhang gerne enger zusammenarbeiten. Taizé und der Ökumenische Rat der Kirchen haben das gleiche Anliegen. Wir freuen uns auf die ÖRK-Vollversammlung und hoffen, etwas dazu beitragen zu können.

Die Communauté von Taizé setzt den von Frère Roger vor über 30 Jahren begonnenen „Pilgerweg des Vertrauens“ fort. In welchen Bereichen in der heutigen Welt wird Ihrer Meinung nach Vertrauen am dringendsten benötigt?

Frère Alois: Überall und in all unseren Gesellschaften. Angst erschwert Vertrauen. Und die Angst wird immer präsenter und sichtbarer - Angst vor den Ausländern, Angst vor dem Anderen, Angst vor der Zukunft, Angst aufgrund des Klimawandels und ökologischer Katastrophen. Vertrauen ist keine einfache Antwort - aber die Verwurzelung unseres Lebens in der Liebe Christi hält immer einen Raum für Hoffnung offen. Es gibt einen jenseitigen Horizont: die Auferstehung von Jesus. Es gibt einen Horizont jenseits des Endes, oder jenseits dessen, was wir als das Ende ansehen, nämlich den Tod. Der Glaube an die Auferstehung Christi eröffnet einen Horizont jenseits der Schwierigkeiten. Er gibt uns Hoffnung und Mut, um alle schwierigen Situationen zu meistern.

Was ist Ihre Botschaft an die Menschen in der Welt zu Weihnachten, angesichts der vielen Spaltungen und der zahlreichen Menschen, die heute am Rande der Gesellschaft leben?

Frère Alois: Christus kam, um denen nahe zu sein, die am Rande stehen, die im Leben nicht privilegiert sind. Das weckt in uns die Verantwortung zum Teilen. Beginnen wir auf der persönlichen Ebene, indem wir teilen, was wir haben. Auch die Kirchen könnten sehr viel mehr zu Orten des Teilens werden, auch in materieller Hinsicht: um einander zu helfen und wirkliche Lebensgemeinschaften zu bilden - nicht nur Gemeinschaften für das Sonntagsgebet, sondern Gemeinschaften des geteilten Lebens.

Schließlich sind wir dazu aufgerufen, mit anderen Ländern und Kontinenten zu teilen, insbesondere zwischen Europa und Afrika. Als Christinnen und Christen haben wir die Verantwortung und auch die Möglichkeiten, mehr Partnerschaften zwischen den Kontinenten zu schaffen. Das wäre für die Zukunft der Menschheit so wichtig.

Lasst uns Weihnachten als Ermutigung feiern: Wir können mit dem Wenigen, das wir haben, anfangen.

 

Mehr Informationen zur Communauté von Taizé

„Zu Schöpfern von Einheit werden“, Botschaft von Frère Alois für 2022