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His Beatitude Anastasios, Archbishop of Tirana, Durrës and All Albania, Photo: Peter Williams/WCC

Seine Seligkeit Anastasios, Erzbischof von Tirana, Durrës und ganz Albanien, Foto: Peter Williams/ÖRK

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Erzbischof Anastasios, ein einflussreicher Impulsgeber der orthodoxen Kirche und eine wichtige Persönlichkeit der Ökumene, ist nach kurzer Krankheit gestorben.

Er war Ehrenmitglied der Akademie von Athen und ehemaliger Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), hat sich mehr als sechzig Jahre lang in der ökumenischen Bewegung engagiert, war weltweit bekannt als Friedensbotschafter und für seine Weisheit und Weitsicht und hatte eine Vorreiterrolle im interreligiösen Dialog.

„Wir erinnern uns nicht nur an die intellektuellen und institutionellen Leistungen und Erfolge von Erzbischof Anastasios und sein leidenschaftliches Engagement für die Ökumene und würdigen dies“, sagte ÖRK-Generalsekretär Pastor Prof. Dr. Jerry Pillay, „sondern auch an seine wundervolle, warmherzig Art, durch die er immer wieder Möglichkeiten für Versöhnung, Erneuerung und Dialog aufzuzeigen und zu eröffnen vermochte – selbst wenn und insbesondere wenn Zeit und Ort nicht einfach waren. Er hinterlässt unserer weltweiten Kirchengemeinschaft ein inspirierendes und beneidenswertes Vermächtnis, denn er war ein wahrer christlicher Botschafter für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung.“

Anastasios beruflicher Werdegang im Dienst der Kirche erstreckte sich über mehr als 60 Jahre – von den ersten Jahren im kirchlichen Dienst in Griechenland und Afrika bis hin zur Übernahme des Leitungsamtes der orthodoxen Kirche in Albanien, nachdem das Land äußerst religionsfeindliche Jahrzehnte als Teil des Ostblocks erlebt hatte. Nach der Wende 1989 baute er in Albanien Kirchen und Bildungseinrichtungen, strukturierte die Missionstätigkeit der orthodoxen Kirche, die diese Aufgabe zuweilen scheute, um und erneuerte sie und war in unserem Jahrhundert ein wahrer Vorkämpfer für Frieden und ökologische Gerechtigkeit. 

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Arhbishop Anastasios with a children s choir

Foto: Erzdiözese Albanien

Der ÖRK-Vorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm sagte: „Durch den Tod von Erzbischof Anastasios haben viele von uns einen guten Freund verloren. Als Kollege im Bischofsamt habe ich auch sein unermüdliches Engagement als Brückenbauer und Botschafter der Versöhnung unter den orthodoxen Kirchen in Europa und darüber hinaus – insbesondere in der Zeit seit dem Ende des Kalten Kriegs und bis heute – immer sehr bewundert. In einer Zeit, in der miteinander in Konflikt stehende nationale, wirtschaftliche und politische Interessen und Loyalitäten eine Bedrohung für unsere Einheit sind, war dieses Engagement von unschätzbarem Wert. Wir sind Ihnen sehr dankbar, Erzbischof Anastasios!“

Ruhige Art, mutiges Führungswirken

Anastasios persönliche Güte, seine ruhige Art und seine Bereitschaft, etwas von den vielen verschiedenen Glaubenstraditionen und Sichtweisen zu lernen, machten ihn zum geborenen Ökumeniker und einer fortschrittlichen Kraft in interreligiösen und missionswissenschaftlichen Kreisen. 

Er war Mitglied in der ÖRK-Kommission für Weltmission und Evangelisation (CWME, 1963-1969) und deren Ausschuss für Missionswissenschaften und anschließend Referent für Missionswissenschaften und die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen im ÖRK-Generalsekretariat (1969-1971). Anschließend wirkte er im ÖRK-Programm für den Dialog mit Menschen verschiedener Religionen und Ideologien (1975-1983) und war Vorsitzender der CWME (1984-1991), Mitglied im ÖRK-Zentralausschuss (1998-2006) und Präsident des ÖRK (2006-2013).

Erzbischof Anastasios hat aktiv an der Planung und Einberufung der autokephalen orthodoxen Kirchen zu ihrem Heiligen und Großen Konzil im Juni 2016 mitgearbeitet, das Krönung seines jahrzehntelangen interorthodoxen Engagements war. 

Unter seiner Leitung richtete die orthodoxe Kirche Albaniens in ihrer Akademie St. Vlasios zahlreiche konfessionsübergreifende Tagungen aus. Des Weiteren initiierte Anastasios auch die Gründung des Interreligiösen Rats von Albanien (KNFSH), dessen Ziel es ist, den Dialog und das harmonische Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften zu fördern. 

Neben dutzenden Medaillen und Auszeichnungen wurden dem Erzbischof 19 Ehrendoktorwürden verliehen.

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Pressekonferenz bei der 9. ÖRK-Vollversammlung 2006: Pastorin Dr. Margot Käßmann, Erzbischof Anastasios von Tirana, Durrës und ganz Albanien und Erzbischof Desmond Tutu. Foto: Igor Sperotto / ÖRK

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Ein Theologe stellt sich den Problemen der Welt

Am bekanntesten war Anastasios, ein erfolgreicher Theologe und Autor von rund zwei Dutzend Büchern in verschiedenen Sprachen, wohl für seine Beschäftigung mit interreligiösen Themen und Dialogen, wie beispielsweise in seinem 2003 in englischer Sprache erschienenem Buch „Facing the World: Orthodox Christian Essays on Global Concerns“ (WCC Publications, 2003), einer Sammlung orthodox-christlicher Abhandlungen zu globalen Problemen. Seine frühen beruflichen Erfahrungen in Afrika haben ihn animiert, die Missionsaufgabe insgesamt in seinem 2007 in englischer Sprache erschienen Buch „Mission in Christ‘s Way“ (auf Deutsch in etwa: Mission in der Nachfolge Jesu Christi, WCC Publications) neu zu denken.

In seinem neusten Buch „Coexistence“ (in sechs Sprachen veröffentlicht) schreibt er über Krieg, Armut, Terrorismus, Korruption, Ungerechtigkeit, Globalisierung und eine alternative Vision.

„Es ist unsere Pflicht, uns nicht einer passiven Beobachterrolle hinzugeben und die Auswirkungen lediglich zu beschreiben, sondern wir müssen aktiv für die Globalisierung von Frieden, Solidarität und Liebe eintreten“, schreibt er dort. „Für viele Menschen scheint das utopisch, aber es bleibt trotzdem eine Vision, ein Wunsch und ein Bestreben all derer, die noch an die Notwendigkeit eines harmonischen Zusammenlebens aller Menschen glauben, welches die Einzigartigkeit aller Menschen nicht abschafft, sondern ihre vielen verschiedenen Talente auf kreative Art und Weise nutzt.“

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Foto: Global Christian Forum

Foto: Globalen Christlichen Forums

Ein Leben jenseits von Grenzen

Anastasios Yannoulatos wurde 1929 in Piräus, Griechenland, geboren. Nachdem er 1952 sein Studium an der Nationalen Universität von Athen erfolgreich abgeschlossen hatte, ging er für ein weiterführendes Studium in den Fächern Religionsgeschichte, Ethnologie, Mission und Afrikanistik an die Universitäten Hamburg und Marburg. Er wurde 1964 zum Priester geweiht, bekam 1970 von der Nationalen Universität Athen die Doktorwürde verliehen und wurde 1972 zum Bischof von Androusa, Griechenland, geweiht. 

Von 1971 bis 1997 war er Professor für Religionsgeschichte an seiner Alma Mater.

Des Weiteren war Anastasios von 1981 bis 1991 amtierender Erzbischof des Erzbistums Irinopolis (Kenia, Uganda, Tansania) und wurde dann in das gerade unabhängig gewordene Albanien versetzt, wo er 1992 zum Erzbischof von Tirana und Primas der Autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanien geweiht wurde. 

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Foto: Xanthi Morfi/ÖRK

Erzbischof Anastasios von Tirana, Durrës und ganz Albanien. Foto: ÖRK

Als Erzbischof baute er die orthodoxe Kirche Albaniens, die 23 Jahre zuvor vollständig aufgelöst worden war, wieder auf und entwickelte sie weiter. Er leitete innovative Programme in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Sozialfürsorge, Bildung, landwirtschaftliche Entwicklung, Kultur und Ökologie und machte die Kirche zu einer bedeutenden wirtschaftlichen und kulturellen Akteurin. Gleichzeitig bemühte er sich darum, einen Beitrag zu leisten, um die vielen Spannungen in der Balkanregion abzubauen.

Ganz seinem Wesen entsprechend richtete er 2015 in Tirana die Konsultation des Globalen Christlichen Forums aus. Dazu waren 150 hochrangige Führungspersonen und Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Kirchentraditionen aus mehr als 60 Ländern zusammengekommen, um einander zuzuhören und voneinander zu lernen, und um Solidarität zu zeigen mit den Kirchen und christlichen Gläubigen, die in der heutigen Welt diskriminiert und verfolgt werden. „Es sind die Früchte unserer gemeinsamen Arbeit in Albanien“, erklärte Erzbischof Anastasios.

 

Lesen Sie hier ein Kurzprofil von Erzbischof Anastasios

Lesen Sie sein neustes Buch in englischer Sprache: „Coexistence“

Lesen Sie die biografische Hommage an Erzbischof Anastasios für seine Arbeit von Friedensaktivist Jim Forest (in englischer Sprache)

Fotos: Erzbischof Anastasios und der ÖRK

 

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Orthodoxe Patriarchen tagen in Chambésy, Genf, Schweiz, zur Vorbereitung des Großen und Heiligen Konzils in Kreta, Januar 2016: Foto: ÖRK